Auf der Suche nach dem Maulwurf

Von Hans-Ulrich Pönack · 01.02.2012
Ein Ex-Agent des britischen Geheimdienstes wird zurück in den Dienst berufen und soll einen Maulwurf im Team aufspüren. Ein actionreicher Unterhaltungskrimi ist hier aber nicht zu erwarten: Regisseur Tomas Alfredson setzt bei der John Le Carré-Verfilmung eher auf Entschleunigung.
Ein berühmter britischer Roman, adaptiert von einem international erst ganz kurz bekannten schwedischen Regisseur, mit einem namhaften Männer-Ensemble, das hat schon was. Aber der Reihe nach: Der am 1. April 1965 im schwedischen Lidingö geborene Tomas Alfredson fiel erstmals mit seinem vierten Kinofilm, dem düsteren Vampir-Movie "So finster die Nacht" 2008 überregional auf. Vorher hatte der Regisseur vorwiegend für das einheimische Fernsehen gearbeitet. Sein erster englischsprachiger Film startete im Vorjahr bei den Filmfestspielen von Venedig und zählt jetzt zu den "Oscar"-Anwärterfilmen.

Natürlich: John Le Carré, inzwischen 80 Jahre alt, ehemaliger Agent seiner Majestät. Seit 1964 ist er ausschließlich als Schriftsteller tätig. Mit seinem dritten Werk "Der Spion, der aus der Kälte kam" erreichte er 1964 den Durchbruch. Der gleichnamige Schwarzweiß-Film von 1965 mit Richard Burton, Oskar Werner und Peter van Eyck in den Hauptrollen, tat ein übriges, um John le Carré endgültig bekannt zu machen. Heute gilt er als der Agententhriller-Autor des späten 20.Jahrhunderts.

Der 1974 veröffentlichte siebte Le Carré-Roman "Tinker Tailor Soldier Spy" wurde schon einmal verfilmt, Ende der 1970er-Jahre als siebenteilige BBC-Serie für das britische Fernsehen, also quasi politisch tagesaktuell. Mit einem der besten englischen Schauspieler des 20. Jahrhunderts in der Hauptrolle als Agent George Smiley: Sir Alec Guiness. Die Reihe lief auch hierzulande im Fernsehen und stieß auf großes Interesse.

Nun also das Leinwand-Remake, in dem jetzt der britische Ausnahme-Darsteller Gary Oldman, 53, die Hauptfigur mimt, eben jenen Agenten George Smiley, dessen Lächeln völlig eingefroren scheint. Smiley gehört zum "Circus", zum Inneren Kreis der britischen Abwehr, zu den fünf Chefs des britischen Geheimdienstes anno 1972. George Smiley ist das genaue Gegenteil eines James Bond. Er ist ein genialer Stratege und cleverer Grübler und Denker, ebenso melancholisch still verzweifelnd an der Untreue seiner Ehefrau wie an der Schlechtigkeit der politischen Welt.

"Control" (John Hurt) ist der "Circus"-Chef. Weil eine Aktion in Prag neulich schief lief, sein Agent wurde erschossen, muss er seinen Arbeitsplatz räumen. Genauso wie George Smiley. Der in Prag getötete Agent wollte einen Informanten treffen, der ihm den Namen eines Verräters in den eigenen Reihen nennen sollte. Doch George Smiley wird von höchster Stelle heimlich zurückgeholt. Er soll inoffiziell und in aller Stille ermitteln, wer von den "Circus"-Kollegen denn nun der Maulwurf ist, der dem sowjetischen Kontrahenten, "Karla", ständig heiße Interna ausplaudert.

Wer hier einen heißblütigen, temperamentvollen, gar actionreichen modernen Unterhaltungskrimi erwartet, hat schlechte Karten. Regisseur Tomas Alfredson setzt auf Entschleunigung. Akten werden angelegt und abgelegt. Die Büros besitzen den Charme von Abstellkammern, der dortige Staub ist förmlich zu riechen. Von wegen aufregendes Agentendasein! Die in die Jahre gekommenen Ober-Gurus treten hier wie graue Finanzbeamte auf, verstecken sich hinter dicken Hornbrillen wie George Smiley, tragen farblose Nadelstreifen-Anzüge, laufen mit abgegriffenen Aktentaschen herum oder starren missmutig in die Gegend. Es herrscht eine explosive Grundstimmung.

Man muss höllisch aufpassen und Bei "Dame, König, As, Spion" sind die Emotionen völlig eingefroren. Dermaßen unterkühlt, grau, stumm war wohl noch nie ein gehobener Spionagethriller - und dabei dermaßen atmosphärisch spannend. Wie dieses Milieu beschrieben, dieser ganz eigene Geheimkosmos kompliziert wie verschachtelt-schlau beobachtet und behutsam, mit vielen Alt- und Neufäden, ausgebreitet wird, ist feinste Spannungsdelikatesse.

Der Star aber ist Gary Oldman, eine Meisterleistung von Profil und Charakter; die Oscar-Nominierung für ihn gerade kam völlig berechtigt. Der Regisseur begeistert: "Oldman hat so viel Erfahrung und weiß, dass er Gefühle ausdrücken kann, selbst wenn man nur seinen Nacken sieht". Ein weiterer prominenter Mitstreiter und rätselhafter Stichwortgeber ist hier auch der vorjährige "Oscar"-Triumphator Colin Firth .("The King's Speech"). Das soll nicht unerwähnt bleiben, wie die Annonce: "Dame, König, As, Spion - Der Film" ist eine erstklassige Ensemble-Leistung zu attestieren.

John Le Carré setzt in einem dpa-Interview die Schlusspointe auf die Frage, was denn George Smiley heute wohl sagen würde: "Nun, zuallererst wäre George Smiley jetzt verdammt tot... Ansonsten würde er sagen: Wir haben den Kommunismus besiegt, jetzt müssen wir uns den Kapitalismus vornehmen". Einverstanden.

Großbritannien 2011. Originaltitel: Tinker, Tailor, Soldier, Spy. Regie: Tomas Alfredson. Darsteller: Gary Oldman, Colin Firth, Tom Hardy, Mark Strong, John Hurt, Toby Jones. Ab 12 Jahren, 127 Minuten.
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