Atommüll

Auflösung der Zwischenlager erst "Ende dieses Jahrhunderts"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht während des 5. Petersberger Klimadialogs auf einer Pressekonferenz.
"Wir können das Problem nur beherrschen, nicht beseitigen", sagt Barbara Hendricks © dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini
Barbara Hendricks im Gespräch mit Nana Brink · 08.09.2014
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat keine Hoffnungen, dass die Zwischenlager für Atommüll in Deutschland relativ schnell geräumt werden können.
Nana Brink: Dieser Besuch war bestimmt keine Lustreise, Ende letzter Woche ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum ersten Mal in ihrer Amtszeit ins Wendland gefahren. Da werden Umweltminister ja schon mal mit Schuhen beworfen oder von Traktoren eingekreist.
Die SPD-Politikerin allerdings gab sich unerschrocken und erklärte nüchtern, dass man schließlich das Standortauswahlgesetz letztes Jahr mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet hätte und man sozusagen vor einer weißen Landkarte stehe, Gorleben hin oder her.
Heute tagt nun die Atommüllendlagerkommission – noch so ein schönes Wort – die die stellt die Gretchenfrage: Wie suchen wir nach einem Standort für unseren Atommüll? Und ich habe die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gefragt: Wie weit ist man denn schon gekommen bei der Suche?
Barbara Hendricks: Das kann natürlich noch nicht so weit sein, die Kommission tagt heute zum dritten Mal, wenn ich das richtig sehe. Und natürlich hat sie auch am Anfang ein paar Widersprüche auflösen müssen. Sie dürfen nicht vergessen: Da sitzen Vertreterinnen und Vertreter mit sehr unterschiedlichen Auffassungen, das ist auch normal, und die müssen sich annähern.
Atommüll-Endlager-Kommission: Auseinandersetzungen um die Geschäftsordnung
Und da hat es natürlich auch noch Auseinandersetzungen um die Geschäftsordnung gegeben. Natürlich sind Geschäftsordnungsfragen immer auch Machtfragen. Also, die Kommission musste sich erst mal finden. Und sie hat bis zum Sommer des Jahres 2016 Zeit, dann die Kriterien zu benennen. Das heißt, sie ist noch am Anfang auf der Suche nach den Kriterien.
Brink: Wer sitzt denn da alles drin?
Hendricks: Zunächst sind Wissenschaftler benannt worden von den verschiedenen Fakultäten, sage ich mal, oder Fachrichtungen, von Ethikern bis zu Juristen und natürlich auch Ingenieurwissenschaftler und Naturwissenschaftler. Im Übrigen gibt es jeweils acht Vertreter des Bundesrates, also der Länder, und acht Vertreter des Bundestages.
Insgesamt besteht die Kommission dann aus 32 Mitgliedern plus zwei Vorsitzende, die sich im Vorsitz abwechseln, und na ja, die führen das so fort, dass es hoffentlich einvernehmlich dann in gut anderthalb Jahren, in eindreiviertel Jahren zu einem Vorschlag kommen wird, wie und auf welche Weise denn dann das Endlager gesucht werden soll.
Brink: Ehrlich gesagt, klingt das nicht so, als ob Sie nächstes Jahr den Kriterienkatalog fertig haben, so wie Sie es ja gerade geschildert und sich vorgenommen haben.
Hendricks: Nein, das muss auch nicht unbedingt. In der Tat, das sollte bis Ende des Jahres 2015 mit einer Verlängerungsoption bis zur Mitte des Jahres 2016 – davon habe ich gerade gesprochen, denn es hat ja bis zum Mai dieses Jahres gedauert, bis die Kommission sich konstituiert hatte –, also, ich gehe davon aus, dass es im Sommer 2016 so weit ist, dass die Kriterien dann vorliegen.
In zwei Jahren beginnt die Suche nach dem Endlager
Und dann erst beginnt die Suche. Und in dem Endlagerauswahlgesetz ist das Jahr 2031 genannt, wenn dann sozusagen tatsächlich der Ort bestimmt sein soll, an dem das Endlager dann zunächst planerisch vorbereitet wird und dann errichtet wird.
Brink: Also, wir suchen ja immer noch nach den Kriterien, die Suche hat ja noch gar nicht begonnen. Aber wie Sie ja letzte Woche im Wendland erfahren haben, ist die Skepsis dort ja immens!
Hendricks: Ja, natürlich ist die Skepsis groß. Die Menschen im Wendland wollen am liebsten, dass Gorleben sofort verfüllt wird und dass also nie mehr irgendwas in Gorleben passiert. Das kann ich aus deren Sicht auch verstehen. Es ist aber schon vieles positiv jetzt im Wendland geändert worden: Zum einen, es werden keine neuen Castoren mehr nach Gorleben gebracht, zum anderen ...
Brink: Aber immerhin stehen da ja noch welche, man hat da noch welche.
Hendricks: Ja, die stehen da und die werden da auch bleiben müssen. Denn das ist ein genehmigtes Zwischenlager und wir haben genehmigte Zwischenlager in allen AKW-Standorten und außerdem in Ahaus, im Münsterland.
"Wir brauchen alle Zwischenlager"
Und diese Zwischenlager werden wir alle brauchen. Denn wir werden frühestens im Jahr 2050 damit beginnen können, das dann endlich gefundene Endlager zu befüllen. Und es wird auch mehrere Jahrzehnte dauern, bis dann tatsächlich der in Deutschland angefallene Atommüll auch in das Endlager verbracht wird.
Also, in Wirklichkeit wird erst zum Ende dieses Jahrhunderts das letzte Zwischenlager aufgelöst werden können. Ich weiß, das beruhigt niemanden oder findet niemand schön, aber ich kann es einfach nicht ändern. Der Müll ist da und wir müssen damit so sorgsam als eben möglich umgehen. Und ich habe mir zur Devise gemacht: Ich gehe ehrlich mit dem Problem um und verspreche nichts, was man nicht halten kann.
Brink: Also, stehen Sie wirklich vor einer weißen Landkarte, wie Sie gesagt haben?
Hendricks: Ja, wir stehen vor einer weißen Landkarte. Gorleben ist ein denkbarer Standort wie alle möglichen anderen Standorte denkbar sind. Die Kommission muss ja zunächst entscheiden, soll ein solches Endlager rückholbar sein oder nicht, in welchen Gesteins- oder Salzformationen wird es möglichst sicher untergebracht?
Endlagersuche: So viel Sorgfalt wie möglich
Wir können das Problem ja nur beherrschen, nicht beseitigen, und so sorgfältig als eben möglich damit umgehen, sodass alle Generationen, die nach uns kommen, überhaupt noch die Chance haben, damit auch umzugehen.
Brink: Sie haben es erwähnt, man will das Endlager 2031 bestimmt haben oder damit beginnen, es zu befüllen. Jetzt hat der grüne Umweltminister von Niedersachsen, Stefan Wenzel, gesagt, das ist aber eigentlich 2060 überhaupt möglich, so weit ist man noch gar nicht!
Hendricks: Also, im Gesetz steht, bis 2031 soll der Ort gefunden sein. Dann würde aber erst die Planung und die Errichtung dieses Endlagers beginnen, weswegen ich gesagt habe: Optimistisch ist es, wenn wir im Jahr 2050 etwa damit beginnen, das dann wirklich zu befüllen. Der Kollege Wenzel aus Niedersachsen hat gemeint, bis 2031 werden wir den Ort nicht bestimmen können. Das mag so sein, dass es so ist, aber im Gesetz steht eben, dass wir es tun sollen, dass wir es finden sollen bis dahin. Und da will ich mich nicht schon jetzt sozusagen am Anfang des Prozesses davon verabschieden.
Das Problem ist unlösbar, allenfalls beherrschbar
Wir müssen tatsächlich unseren Ehrgeiz daran legen, so weit als eben möglich unsere Verantwortung in unserer jeweiligen Verantwortungszeit auch wahrzunehmen. Denn das Problem ist ja, wie ich schon eben sagte, im Prinzip unlösbar, allenfalls beherrschbar. Und darum sind wir auch ethisch verpflichtet, alles das zu tun, was wir in unserer Verantwortungszeit können, damit die, die nach uns kommen, ihre Verantwortung auch ausüben können.
Brink: Die Stromkonzerne RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW verweigern ja Millionenzahlungen für Endlagerprojekte, obwohl das ja eigentlich auch im Atomgesetz festgeschrieben ist. Beeinträchtigt das die Suche?
Hendricks: Nein, das beeinträchtigt die Suche nicht. Natürlich, ich sage, jeder vertritt seine Interessen. Aber es ist ja klar, die Atom... die Energieversorgungsunternehmen haben Rückstellungen gebildet im großen Umfang, die müssen wir natürlich sichern und die werden wir natürlich auch so einsetzen, dass wir, ich sage mal, uns der Lösung des Problems der Endlagersuche nähern und auch das Endlager errichten können.
Brink: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks über die Suche nach einem Atommüllendlager. Heute tagt die Kommission. Schönen Dank für das Gespräch!
Hendricks: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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