Atomausstieg

Am Ende haftet der Steuerzahler

Eine Warntafel mit der Aufschrift "Radioaktiver Abfall brennbar" ist in Garching bei München (Oberbayern) zu sehen.
Kostspielig: die Lagerung des nuklearen Mülls nach dem Austieg aus der Atomenergie. © picture alliance / dpa / Marc Müller
Von Georg Ehring, Deutschlandradio · 30.04.2016
Die deutschen Energiekonzerne machten jahrzehntelang Gewinne. Die Verantwortung für die Atommüll-Lagerung landet jetzt beim Staat. Schwer zu akzeptieren, aber letztlich richtig: Weil die Stromerzeuger gar nicht in der Lage seien, dieses Risiko zu schultern, meint Georg Ehring.
Es ist schon schwer zu schlucken: Jahrzehntelang konnten die deutschen Energiekonzerne Gewinne machen mit Atomstrom, doch die Verantwortung für die Lagerung des radioaktiven Mülls - die landet jetzt doch beim Staat.
Eon, RWE, Vattenfall und EnBW sind raus aus diesem Risiko. Sie dürfen ihre Meiler noch einige Jahre betreiben und dann auf eigene Kosten abreißen. Dazu kommen 23,3 Milliarden Euro an den staatlichen Endlager-Fonds - und das war es dann für sie. Wie teuer es wirklich wird, den hoch strahlenden Müll über Millionen Jahre sicher zu lagern, das braucht sie nicht mehr zu interessieren.
Vermutlich ist das ein gutes Geschäft für die Stromriesen - auch wenn niemand wirklich berechnen kann, wie teuer die Endlagerung schließlich wird. Es ist weder klar, wo der radioaktive Müll hinkommt, noch, ob Salz, Granit oder Ton zu seiner Aufbewahrung vorgesehen werden. Klar ist nur: Der Bau wird noch Jahrzehnte auf sich warten lassen.

Am Ende haftet der Steuerzahler

Die Kommission für die Endlagersuche ist zerstritten, viele Bürgerinitiativen machen gar nicht mit, weil sie eine Vorfestlegung auf Gorleben als Standort befürchten. Egal wo am Ende gebaut werden soll: Der Protest der Bürger ist gewiss und er kann den Bau weiter verzögern und verteuern. Es ist eine ziemlich sichere Wette, dass das Geld der Konzerne nicht reicht und am Ende der Steuerzahler haftet - vermutlich eine Generation, die von dem erzeugten Strom nie profitiert hat.
Trotzdem fiel das Votum der Atomkommission einstimmig und sie hat richtig entschieden. Ganz einfach deshalb, weil die großen Stromerzeuger absehbar gar nicht in der Lage sind, dieses Risiko zu schultern. Sie haben sich in den vergangenen Jahren selbst arm gemacht: Durch hartnäckiges Ignorieren der Energiewende haben sie lukrative Investitionsmöglichkeiten in Wind- und Solarkraftwerke verpasst und stattdessen versucht, das Zeitalter von Kohle und Atomkraft so weit wie möglich zu verlängern.
Die Folge: Die Preise für ihren Strom sind in den Keller gerutscht, ihr Vermögen ist drastisch geschrumpft. Abzulesen an den Aktienkursen - eine RWE-Aktie kostete vor fünf Jahren, vor der Atomkraft-Katastrophe von Fukushima noch über 50 Euro, heute weniger als 13. Verständlich, dass es den Konzernen schwer fallen wird, die Summe zu schultern, die der Staat jetzt von ihnen fordert - völlig unabhängig davon, dass das Geld für die Endlagerung nicht reichen dürfte.

Einstieg in Atomenergie nur auf Drängen des Staates

Ein Argument freilich haben die Energieunternehmen auf ihrer Seite, wenn sie die Verantwortung für die Folgekosten des Atomzeitalters loswerden wollen: Ohne massives Drängeln des Staates wären sie in den 1950er und 1960er Jahren gar nicht erst in die Kernenergie eingestiegen. Es brauchte großzügige Investitionshilfen und Staatshaftung für Verluste, um sie zur Nutzung dieser Energiequelle zu bringen, deren Wirtschaftlichkeit sie von Anfang an bezweifelten - zu Recht, wie sich hinterher herausgestellt hat.
In gut sechs Jahren wird das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet. Wir können hoffen, dass wir dann mit horrenden Kosten noch relativ glimpflich davon gekommen sein werden; glimpflicher jedenfalls als die Ukraine, wo vor 30 Jahren das Atomkraftwerk Tschernobyl explodierte, glimpflicher auch als Japan mit der Kernschmelze von Fukushima vor fünf Jahren als Folge von Erdbeben und Tsunami.
Die wirklich schweren Atomkraft-Unfälle in der Welt haben eines gemeinsam: Die Unfallursachen waren in den Betriebshandbüchern so nicht vorgesehen - wer weiß also, was uns noch bevor steht? Es heißt also Daumendrücken, dass nichts gravierend schief geht in den zurzeit noch acht Kernkraftwerken, die in Betrieb sind - und vor allem pünktlich abschalten, auch wenn das teuer wird. Denn man kann sich eben nicht darauf verlassen, dass am Ende alles gut geht.
Der schnelle Atomausstieg ist besser als die Lösung, die unsere Nachbarn in Belgien gefunden haben, um ihre Kraftwerke noch länger in Betrieb zu halten: Sie planen jetzt die Verteilung von Jod-Tabletten zum Schutz der Schilddrüse vor Radioaktivität - zu schlucken im Falle der Katastrophe. Wirksame Vorbeugung sieht anders aus.
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