Asien-Experte: Sanktionen in Birma lockern

Marco Bünte im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 16.01.2012
Die Regierung in Myanmar wagt die vorsichtige Öffnung des Landes. Die internationale Gemeinschaft müsse deshalb "Zeichen setzen", fordert Marco Bünte vom Hamburger GIGA-Insitut für Asien-Studien - als Reaktion auf "von oben gelenkte Reformen".
Jan-Christoph Kitzler: Wer hätte das gedacht: Es herrscht Tauwetter in Birma. Die Regierung wagt die vorsichtige Öffnung. Lange war das Land abgeschottet, Oppositionelle wie die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wurden unterdrückt. Aber jetzt wurden viele, auch die Oppositionsführerin, freigelassen. Möglicherweise könnte sie sogar einen Parlamentssitz erobern bei Nachwahlen im April.

Ist das Land jetzt wirklich auf dem Weg in Richtung Demokratie? Wie weit geht die Öffnung? Das bespreche ich jetzt mit Marco Bünte vom Hamburger GIGA-Institut für Asien-Studien. Schönen guten Morgen.

Marco Bünte: Schönen guten Morgen.

Kitzler: Herr Bünte, Sie beobachten die Verhältnisse in Birma ja schon lange. Wie optimistisch sind Sie denn, was das angeht? Ist das wirklich jetzt ein so großer Schritt, was da jetzt passiert?

Bünte: Also ich bin vorsichtig optimistisch. Das sind jetzt im letzten Jahr eine ganze Reihe von Reformen, die angestoßen worden sind, die zeigen, dass das Land sich langsam öffnet: Abschaffung von Zensurmaßnahmen, Lockerung der Repressionen gegenüber der Opposition. Das sind alles Schritte, die hin zu einer Öffnung führen, und das Ganze ist ein Prozess, der sich erst am Beginn befindet, und deshalb muss man abwarten, was nachher letztlich herauskommt. Da ist natürlich auch noch sehr große Gefahr, dass er irgendwie entgleist, vorhanden, aber erst mal bin ich sehr, sehr optimistisch.

Kitzler: Die Frage ist ja, wie erklärt sich dieser Sinneswandel der Regierung, der Militärs auch, die dort das Sagen haben. Haben wirklich denn die Sanktionen, die Isolation Birmas, Wirkung gezeigt?

Bünte: Ich würde etwas längerfristig das Ganze betrachten und auch den Zeitraum von 2003 bis 2010 mit einbeziehen, und hier haben die Sanktionen ja nichts bewirkt. Stattdessen aber hat das Militär hier erst mal das politische System stabilisiert und sich eine politische Rolle im System gegeben, und jetzt hat es quasi damit seine Herrschaft sozusagen institutionalisiert, und jetzt kann es auch die Repressionen lockern und Freiheiten zulassen, und jetzt können auch die Sanktionen greifen, weil sie nämlich jetzt im Dialog mit der Regierung sozusagen aufgehoben werden können.

Kitzler: Heißt das also mit anderen Worten, die Tatsache, dass es jetzt eine vorsichtige Öffnung gibt, bedeutet auch, dass das Regime jetzt fest im Sattel sitzt?

Bünte: Das Militär, das ja noch hinter dem ganzen Regime steht – der Großteil der Ministerposten wird ja von ehemaligen Militärs bekleidet -, die haben sich natürlich eine Rolle gegeben, auch im Parlament, die sehr weitreichend ist. Dieses, ich sage mal, vom Militär dominierte politische System wird jetzt langsam vom Militär selbst – denn der Präsident, der jetzt als Reformer bekannt wird, ist ja auch ein ehemaliger Militär und gehörte auch der früheren Junta an. Das heißt, jetzt finden so langsam von oben gelenkte Reformen statt, die in Einklang auch mit der Opposition getroffen werden, die auch ihren politischen Kurs verändert hat, also jetzt nicht mehr die Hardliner-Schiene fährt, sondern tatsächlich im Dialog mit der Regierung versucht, das Land zu reformieren, und das ist sehr vielversprechend.

Kitzler: Wir hoffen jetzt natürlich, dass es in Richtung Demokratie geht. Dazu gehört zwangsläufig natürlich eine Zivilgesellschaft, also Bürger, die sich einbringen. Wir wissen ja immer relativ wenig über die Verhältnisse in Birma. Wie ist es: Gibt es dort eine Zivilgesellschaft, die in Ansätzen funktioniert?

Bünte: Es hat sich gezeigt, dass so etwas existiert, auch unter den sehr repressiven Bedingungen des Militärregimes. Beispielsweise bei dem Zyklon Nargis entstand eine ganze Reihe von Selbsthilfegruppen, die allerdings relativ unpolitisch sind. Das heißt, hier existieren einige Gruppen, die auch zur Demokratisierung beitragen können.

Kitzler: Die Frage ist, was kann die internationale Staatengemeinschaft jetzt tun, um diesen Prozess weiter zu befördern? Sollten zum Beispiel Sanktionen sofort aufgehoben werden?

Bünte: Ich denke, dass die Freilassung der politischen Gefangenen auch ein ganz wichtiges Signal an die internationale Gemeinschaft ist und deshalb auch beantwortet werden muss. Das heißt, Thein Sein ist Reformer, der sich auch innerhalb des Regimes gegen Hardliner durchsetzen muss und der jetzt auch so eine Art Entgegenkommen braucht, dass sein Kurs Erfolg versprechend ist, und dazu muss die internationale Gemeinschaft Zeichen setzen, Lockerung der Sanktionen zumindest, weil es gibt ja auch noch politische Gefangene im Land, das darf man nicht vergessen, aber zumindest eine Lockerung als Zeichen, dass die internationale Gemeinschaft diesen neuen Kurs gut heißt.

Kitzler: Welche Rolle kann Aung San Suu Kyi in Zukunft spielen? Ist sie mehr als nur eine Symbolfigur?

Bünte: Ja, sie ist natürlich ein großer Hoffnungsträger für die Demokratisierung des Landes. Und jetzt ihre Teilhabe an den Wahlen und möglicherweise dann auch die Repräsentation in der Regierung, das alles gibt Möglichkeiten, dass sie eine größere Rolle im Lande spielen kann und dass auch der Demokratisierungskurs noch weiter an Fahrt gewinnt. Denn wenn sie und ihre Partei im politischen System mit einigen Sitzen repräsentiert sind, wird ja dann der Demokratieimpuls gestärkt. Die Nachwahlen im April werden nicht dazu führen, dass die Machtverhältnisse sich grundlegend ändern. Es sind nur 30 Sitze, die zur Verfügung stehen. Aber es wird wieder noch einen weiteren Impuls in Richtung Demokratie setzen, und insofern spielt sie eine sehr große Rolle.

Kitzler: Tauwetter in Birma, zumindest vorsichtiges. Das war Marco Bünte vom Hamburger GIGA-Institut für Asien-Studien. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Bünte: Ich danke Ihnen.


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