Articus: FDP reagiert "nicht situationsangemessen"

Stephan Articus im Gespräch mit Nana Brink · 23.03.2010
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, hat die Liberalen attackiert: Trotz der angespannten Haushaltslage bei den Kommunen bestehe die FDP "hartnäckig und unbeweglich" auf Steuersenkungen, sagte Articus.
Nana Brink: Nun ist der Streit mittlerweile auch im Unionslager offen ausgebrochen. Sollen die Steuern wirklich gesenkt werden? Viele CDU-geführte Bundesländer sind dagegen. So sagte der CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus, ich sehe für Steuererleichterungen null Spielraum.

Deutliche Worte, die fand auch Bundespräsident Horst Köhler am Wochenende, als er nicht ausschloss, dass vielleicht sogar Steuererhöhungen nötig seien. Die Städte und Gemeinden klagen schon länger, dass sie am Rande des Ruins stünden und weniger Einnahmen in Form von Steuersenkungen nicht verkraften könnten.

Ich spreche jetzt mit Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Einen schönen guten Morgen, Herr Articus.

Stephan Articus: Guten Morgen!

Brink: Nehmen wir die aktuellen Steuererleichterungspläne der Regierung, nämlich 18 Milliarden für die Bürger. Wie sind denn die Städte und Kommunen davon betroffen?

Articus: Weitere Steuersenkungen in diesem Volumen würden uns mindestens treffen in der Größenordnung von 1,5 Milliarden jährlich, und das, wo wir noch bei Weitem nicht verkraften konnten und auch nicht verkraften können, was die letzte Steuersenkung im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes an Belastung gebracht hat oder an Mindereinnahmen, ebenfalls 1,6 Milliarden.

Brink: Können Sie denn die Situation der Städte und Kommunen kurz erklären?

Articus: Die Situation insbesondere bedingt durch die Finanz- und durch die Wirtschaftskrise ist so, dass eine wirklich Monat für Monat wachsende Zahl von Städten, Kreisen und Gemeinden nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zu finanzieren. Sie bezahlen inzwischen Sozialhilfe, oder die Gehälter von Mitarbeiterinnen in Kindertagesstädten auf Pump, aus Kassenkrediten.

Brink: Nun hat Bundeskanzlerin Merkel kürzlich versichert, Steuern nicht zu Lasten der Kommunen zu senken. Sie hat gesagt, die CDU wolle nicht Steuersenkungen in Gegensatz zu Volkshochschulen, Schwimmbädern und Musikschulen setzen. Glauben Sie ihr das nicht?

Articus: Ich glaube ihr das, weil sie ja jetzt auch neuerdings am Wochenende erklärt hat, dass sie einsieht, dass viele Städte, viele Kreise weitere Steuersenkungen nicht mehr verkraften können, weil ihre Haushalte unterfinanziert sind, weil aber die beispielsweise Bildungsleistungsverpflichtungen, die sozialen Verpflichtungen, die die Kommunen zu tragen haben, im Moment ja auch nicht geringer werden, sondern wachsen.

Das heißt, obwohl wir insgesamt erhebliche Einnahmeverluste hatten, auch durch die Reduzierung der Gewerbesteuer und unseres Anteils an der Einkommenssteuer, wachsen Aufgaben wie beispielsweise die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen und ihrer Familien, wachsen ja gleichzeitig. Und diese Schere öffnet sich im Moment immer schneller und in dieser Situation – und wir freuen uns, dass die Bundeskanzlerin das auch so sieht und erklärt hat – ist es für die Kommunen einfach nicht tragbar, weitere Steuerverluste hinnehmen zu müssen.

Brink: Gut, das sagt die Bundeskanzlerin. Ihr Koalitionspartner, die FDP, sagt aber was völlig anderes. Ist das dort nicht angekommen?

Articus: Offenbar nicht. Die FDP bleibt ja sehr hartnäckig und sehr unbeweglich bei ihrer Position, die Steuersenkungen in einer maximalen Höhe auch in der zweiten Tranche umsetzen zu wollen. Offenbar kann die FDP da auch einfach nicht sozusagen situationsangemessen reagieren.

Die Kommunen waren in der Vergangenheit nie gegen den Versuch, die Bürger und die Wirtschaft von steuerlichen Lasten zu entlasten. Wir haben solche Steuersenkungsprojekte immer mitgetragen, aber es muss einfach eingesehen werden, auch bei der FDP, dass wir das im Moment nicht können.

Brink: Es gibt Stimmen, zum Beispiel die von Bundespräsident Horst Köhler, der sich am Wochenende zu Wort gemeldet hat und sogar nicht ausgeschlossen hat, dass es Steuererhöhungen geben müsste. Das wäre ja dann in Ihrem Sinne?

Articus: Also in unserem Sinne wäre es ganz gewiss, dass die Kommunen eine bessere Einnahmesituation haben, um ihre Aufgaben wie gesagt im Bereich der sozialen Hilfen, im Bereich der Unterstützung von Familien, im Bereich der Hilfen für Langzeitarbeitslose besser finanzieren zu können.

Darüber werden wir ja auch sprechen in der neu eingesetzten Bundesfinanzkommission für die Kommunen, also kommunale Finanzkommission. Die Einnahmeseite muss sich verbessern, wenn sich die Ausgabenseite, die Lastenseite bei den Kommunen nicht verringern lässt.

Brink: Nun hat aber Bundesfinanzminister Schäuble auch angekündigt, so wörtlich, bei Bürgern und Unternehmen gleichermaßen zu sparen. Subventionen sollen gekürzt werden. Wo er bei den Bürgern sparen will, das ist noch offen. Das wird ja dann auch die Kommunen betreffen. Das heißt, müssen Sie sich nicht auch überlegen, wo Sie noch sparen können, wenn es alle machen müssen?

Articus: Also diese Frage ist berechtigt, die ist immer berechtigt, aber man muss sagen, dass die Kommunen ja eigentlich schon seit der deutschen Einheit sparen. Wir haben beispielsweise die Personalkosten über 15 Jahre auf dem gleichen Niveau gehalten, trotz mehrerer Tariferhöhungen. Wir haben sehr zum Leidwesen der Infrastruktur dramatisch bei den Investitionen gespart.

Das ist das Feld, wo die Kommunen völlig frei handeln und nicht nach gesetzlichen Vorgaben. Das Volumen der Investitionen in den letzten 15 Jahren ist um über 50 Prozent von 30 Milliarden jährlich auf unter 15 Milliarden jährlich gesunken. Also da wo die Kommunen können, versuchen sie auch zu sparen und haben schon sehr viel gespart. Viele sagen inzwischen, dass wir aufhören sollten, uns kaputt zu sparen.

Brink: Ja, aber es ist doch legitim zu fragen, ob wirklich jedes Theater oder Schwimmbad erhalten werden muss.

Articus: Ich glaube, das ist legitim und im Moment erleben wir ja auch das Beispiel Wuppertal oder Beispielpläne in Essen, dass über die Schließung von Theater über die Reduzierung der Förderung von Kultur, was auch ein Problem ist, gesprochen wird, und zwar erzwungenermaßen.

Brink: Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, und wir sprachen über den Streit, ob die Steuern gesenkt, oder nicht viel lieber erhöht werden müssen. Vielen Dank für das Gespräch.

Articus: Danke auch.
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