Arthur Miller: "Hannas Kuscheldecke"

Eine zarte Geschichte vom Größerwerden

Arthur Miller
Arthur Miller ist für seine gesellschaftskritischen Werke wie "Tod eines Handlungsreisenden" oder "Hexenjagd" bekannt. © Verlag Kleine Gestalten/picture alliance/dpa/A0001_UPI
Von Sylvia Schwab · 07.06.2017
Alles Mögliche würde man aus der Feder des 2005 verstorbenen Autors Arthur Miller erwarten - nur nicht die Geschichte "Hannas Kuscheldecke". Doch Miller hatte offenbar auch diese weiche Seite. Unsere Kritikerin ist von dem Büchlein begeistert.
"Es war einmal ein Mädchen, das hieß Hanna. Hanna war ein kleines Baby. Und sie hatte eine Decke, eine kleine Kuscheldecke." So beginnen Kindergeschichten, schon immer. Mit "Es war einmal" und einem hübschen Mädchennamen. Die einen - sie erzählen von Rotkäppchen, Aschenputtel oder Dornröschen - entwickeln sich gefährlich. Die anderen aber - ihre Heldinnen heißen Madita, Ella oder Juli - sind liebevoll und idyllisch. Dem Dramatiker Arthur Miller, der immer wieder den amerikanischen Traum als Albtraum entlarvte, würde man die erste Version zutrauen, aber sein Bilderbuch erzählt eine schöne, gemütliche Geschichte: Baby Hanna findet immer, wenn es weint, bei ihrer rosafarbenen Decke Trost und Wärme, Glück und Geborgenheit.

Die Kuscheldecke endet als Nest

Auch als Hanna größer wird, laufen lernt - bald schneller als ihre Mutter und alleine Türen öffnen kann - "Dede", wie sie ihre Kuscheldecke liebevoll nennt, ist immer dabei. Selbst als die Decke beim Waschen einläuft, immer kleiner und zerschlissener wird, ausfranst und schließlich auf die Größe eines Waschlappensschrumpft. Bis eines Tages ein Vogel sie zerrupft und die letzten weichen Fäden in sein Nest einbaut. Worüber Hanna traurig und glücklich zugleich ist, denn sie selbst hat nun zwar keine Kuscheldecke mehr, dafür aber kommen jetzt kleine Vögel in den Nutzen der Decke: sind geborgen und vor Kälte geschützt.
Arthur Millers Bilderbuch erzählt eine zeitlose Geschichte vom Älter- und Größerwerden und damit vom Verstehen-Lernen und Mitfühlen. Er fällt an keiner Stelle aus seiner Erzähler-Rolle heraus, kommentiert und interpretiert seine Geschichte nicht, sondern schildert einfach, in kurzen, klaren Sätzen, was Hanna erlebt und was sie fühlt. Auf manchen Seiten steht nur ein Satz. Arthur Miller hält sich stilistisch angenehm zurück und lässt so den Zeichnungen von Al Parker viel Raum.

Liebevoll-altmodische Tuschezeichnungen

In deren Zentrum natürlich Hanna steht, dieses niedlich-rundliche Mädchen, mit Stupsnase, schwarzen Haaren und zerknautschten Schlaf-Wangen. Gezeichnet ist sie liebevoll-realistisch, in schwarz-weißen Tuschezeichnungen – die dadurch ein wenig altmodisch wirken. Obwohl sie kräftig im Strich und voller Schwung und Bewegung sind. Nur eine einzige Farbe dominiert die Buchseiten: das intensive Rosa der Kuscheldecke.
Zum Schluss wird dieser Farbpunkt immer weniger, wie die Decke verschwindet er am Ende ganz. Da liegt Hanna, mittlerweile ein großes Mädchen, glücklich schlafend in ihrem Bett. Wodurch der Ausdruck und die Lebendigkeit von Al Parkers Figuren noch gesteigert wird. Auf jeder Doppelseite sind Text und Bilder neu und kreativ miteinander komponiert. Das wirkt ebenso ansprechend wie abwechslungsreich.
Hannas Kuscheldecke ist nicht nur ein Symbol für eine geborgene Kindheit, sondern auch dafür wie diese vergeht: von Tag zu Tag, so wie Hannahs Decke immer dünner und weniger wird. Es ist der Lauf des Lebens, von dem Arthur Miller hier wunderbar leicht erzählt. Diese schöne, einfache Geschichte verstehen schon Dreijährige.

Arthur Miller: Hannas Kuscheldecke
Aus dem Englischen von Frank Heibert, mit Illustrationen von Al Parker
Verlag Kleine Gestalten, Berlin 2017
64 Seiten, 19,90 Euro

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