Armut und Kriegsgefahr im Mittleren Osten - was tun?

Von Behrooz Bayat · 29.05.2012
Der Mittlere Osten hat eine immense Bedeutung für die Welt. Er ist nicht nur die Wiege der ältesten Zivilisationen und dreier Weltreligionen, sondern auch der größte Energielieferant. Dass diese Region permanent in Spannung und Instabilität verharrt, ist weder für deren Bürger noch für die Welt tragbar.
Gegenwärtig ist der Mittlere Osten durch Diktaturen, Feinseligkeiten, Rivalitäten und Revolutionen gekennzeichnet. Der Präsident der Islamischen Republik Iran stellt die Existenzberechtigung des "zionistischen Staates", so sein Vokabular, in Frage und prophezeit dessen Untergang. Und die Führung Israels droht wieder einmal mit der Bombardierung der iranischen Atomanlagen.

Oder, neue jüdische Siedlungen entstehen auf palästinensischem Gebiet, worauf Raketen vom Gaza nach Israel abgefeuert werden. Prompt geht die israelische Armee voller Wucht gegen die vermuteten Drahtzieher vor. Auf der Strecke bleiben Tote. Und so dreht sich die Spirale der Gewalt weiter. Perspektivlosigkeit treibt die Menschen in besetzten Gebieten zur Frustration, auch weil eine unwillige Netanjahu-Regierung den Friedensprozess zum Stehen gebracht hat.

Das korrupte Regime Saudiarabiens, eines der letzten bekennenden Despotien der Welt und zugleich engster Verbündeter des Westens, glaubt seine Herrschaft mit einer Politik zu verlängern, die sich auf Petrodollars, Panzer und Pan-Islamismus stützt.

Den Vorwand dazu bietet eine andere korrupte Diktatur: Das iranische Regime. Es fühlt sich seit seiner Gründung mental isoliert und wähnt sich innen wie außen von Feinden umzingelt. Darum sucht sich auch Teheran mit demonstrativer Machtpolitik zu retten - manifestiert durch eine aggressive Rhetorik, die Repression im Inneren und das zeitweilige Streben nach nuklearer Abschreckung.

Im Irak hat die verheerende Invasion der Bush-Administration die ethnisch-religiöse Spaltung des Landes vertieft. Sie wirkte wie eine Einladung an Nachbarländer dort Stellvertreterkriege anzuzetteln. Und dem konfessionell dreigeteilten Libanon ergeht es auch nicht anderes.

In Bahrain wird der demokratische Protest der Bürger gegen eine despotische Familie mit dem Hinweis auf die iranische Gefahr von Saudis niedergewalzt - und der Westen schweigt.

Das Chaos in den Revolutionsländern Ägypten, Libyen und Syrien wird ausgenutzt, um dem demokratischen Aufbegehren der Bürger den konterrevolutionären Stempel eines rückständigen Wahhabismus aufzudrücken, auch ausgenutzt, um die alten diktatorischen Eliten wie Assad zu schützen.

Kurzum, Machtpolitik beherrscht die Szene. Dass deren exorbitante Kosten zur Verelendung der Menschen beitragen und darüber hinaus den Keim eines Kriegs beherbergen, wird ignoriert. Was ist der Ausweg?

Eine neue Sicherheitsarchitektur muss die Schicksale dieser Länder miteinander verknüpfen, wie es Europa vorexerziert. Ihre Basis sollte ökonomische Kooperation werden, vor allem ein reger Handel auf gemeinsamen Märkten. Der erste sicherheitspolitische Schritt könnte sein, die Region von Massenvernichtungswaffen zu befreien.

Parallel ist eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit nach dem Muster der KSZE von Nöten. Bereits im Jahre 2004 wurde in Deutschland eine Initiative gegründet, die sich vorgenommen hat, einen solchen Prozess in Gang zu setzen – mit Hilfe von Gleichgesinnten in Ägypten, Israel, Palästina, Jordanien, Iran und der Türkei.

Die Initiatoren wissen, dass dieser Prozess einen langen Atem erfordert. Und sie brauchen dafür die Hilfe des Westens.


Dr. Behrooz Bayat, Physiker, geboren in Iran, studierte Physik an den Universitäten von Teheran, Frankfurt am Main und Marburg. Nach Promotion und Forschungstätigkeit arbeitete er als Qualitätsmanager in der Industrie. Heute ist er freiberuflicher Berater, beispielsweise der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. In seinen Publikationen setzt er sich u.a. mit der Nuklearpolitik der Iranischen Republik auseinander. Er engagiert sich politisch als Mitglied des Exekutivkomitees "der Vereinigten Republikaner Irans, für eine säkulare und demokratische Republik" sowie der iranischen Menschenrechtsgruppe in Wien.