ARD-Interview

Putins Medienkrieg

Der russische Präsident Wladimir Putin mit dem Journalisten Hubert Seipel vor einem Interview in Wladiwostok
Wladimir Putin mit dem Journalisten Hubert Seipel - damit spaltet der Präsident die ARD. © dpa / picture alliance / Michael Klimentyev
Von Thomas Franke · 17.11.2014
Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich im Interview mit dem NDR-Journalisten Hubert Seipel unverstanden gezeigt. Der Kreml spricht von einem Medienkrieg - und die ARD lässt sich spalten.

Anmerkung der Redaktion: Im November 2023 wurde bekannt, dass der freie Autor Hubert Seipel in den vergangenen Jahren Geld vom russischen Unternehmer Alexey Mordashov erhalten haben soll. In diesem Zusammenhang steht die journalistische Unabhhängigkeit des Autors infrage.

Wladimir Putin: "Es ist aber klar, dass Russland und die Bundesrepublik Deutschland eine Beruhigung der Situation wünschen."
Im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk gibt sich Putin konstruktiv und unverstanden.
"Oder werden wir nach gemeinsamen Lösungen suchen? Dann müssen wir die Standpunkte annähern, dann müssen wir - ich sage jetzt etwas, was vielleicht auch in Russland nicht jeder gerne hören wird – versuchen, einen einheitlichen politischen Raum in diesen Gebieten zu schaffen. Wir sind bereit, uns in diese Richtung zu bewegen, aber nur gemeinsam."
Putin und der Kreml sprechen längst von einem Medienkrieg. Ein Krieg, in dem Medienschaffende mit militärischen Orden ausgezeichnet werden. Das Interview, das Putin dem NDR gegeben hat, ist Teil davon und diente dazu, die Korrespondenten in Moskau zu degradieren. Die ARD lässt sich spalten.
Das Moskauer Büro unter Führung des WDR wusste nichts von dem Exklusivinterview des NDR. Während russische Medien vorab bereits lange Passagen zeigten, hatte die ARD in Moskau nur einen kleinen Schnipsel. Vor Missbrauch ist man nicht sicher. Es geht um Details.
Ein Beispiel: Auf der Seite des Kremls findet sich eine englische Übersetzung. Dort sagt Interviewer Hubert Seipel: Nachdem die Krim Russland beigetreten ist ...
In der Fassung, die gestern Abend in der ARD lief, tauchte diese Feststellung so nicht auf. Hubert Seipel ist umstritten, wird von Kollegen als "Hofberichterstatter" bezeichnet und "Stichwortgeber". Nun ist Seipel jemand, der dicht an Putin herankommt.
2012 begleitete er den russischen Präsidenten für den Dokumentarfilm "Ich, Putin". Der Film gilt als anbiedernd. Nach massiver interner Kritik, produzierte die ARD einen zweiten, kritischen Film. Die Ausgewogenheit war wieder hergestellt. Seipel saß gestern in der Talkshow und wies solche Vorwürfe von sich.
"Die Zuschauer sind in der Regel auch recht clever"
Hubert Seipel: "Nun bin ich aber auch nicht dieser missionarische Typ, sondern ich frage und lass' auch gern Leute antworten. Die Zuschauer sind in der Regel auch recht clever. Sie erkennen schon, was stimmig ist und was nicht stimmig ist.
Man muss sich also nicht heroisch als Freiheitskämpfer hinstellen und sagen: dieses und jenes. Sie sehen es an seinen Antworten, sie können daraus schließen: Stimmt es, stimmt es nicht? Weicht er aus?"
Seipel lässt Putin in dem Interview viel Raum, widerspricht nicht. Putin redet von Fakten in der Ostukraine, die von Beobachtern vor Ort nicht bestätigt werden. Und Putin präsentiert Zahlen, die nicht nachkontrollierbar sind, zieht Parallelen zwischen der Krim und dem Kosovo, bei denen Experten die Haare zu Berge stehen.
"Wenn wir Vorwürfe hören, Russland hätte gegen das Völkerrecht verstoßen, dann empfinde ich nur eins - Verwunderung."
Allen Ansichten den Raum zu geben, zeichnet den Mediendiskurs in der Bundesrepublik Deutschland aus. Macht ihn aber auch angreifbar.
Bereits im Frühjahr 2013 führte Putin den völlig überforderten Chefredakteur des WDR, Jörg Schönenborn vor. Ein Interview mit der Moskauer Studioleiterin Ina Ruck, einer der profiliertesten Russland-Expertinnen, lehnte der Kreml ab. Umso verwunderlicher ist, dass nicht mal in der gestrigen Jauch-Sendung einer der aktuellen Korrespondenten vertreten war.
Und so übernahmen Verteidigungsministerin von der Leyen und der Historiker Heinrich August Winkler den kritischen Part. Der brachte es kurz vor Ende der Sendung auf den Punkt, als er von der Interessenpolitik der russischen Regierung sprach:
"Das steckt ein strategisches Kalkül dahinter, das man nüchtern erkennen muss. Und da ist dieses Interview ein nicht ungeschickter Versuch, auf dieser Linie fort zu fahren."
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