Architektur-Utopie: Ihme-Zentrum Hannover

Von der Betonwüste zum Auwald

Das Ihme-Zentrum in Hannover (Niedersachsen), aufgenommen aus der Luft am 08.04.2016. Eine Berliner Immobiliengesellschaft hatte Hannovers Problem-Hochhaus, das Ihme-Zentrum, im Jahr 2015 ersteigert und eine umfangreiche Sanierung angekündigt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Der Architekt Felix Henri Rebers will das Ihmezentrum in Hannover umgestalten © picture alliance / dpa / Julian Stratenschule
Felix Henri Rebers im Gespräch mit Gesa Ufer · 19.12.2016
In den 1970ern galt das Ihme-Zentrum in Hannover als stadtplanerische Utopie. Heute sehen viele es als Bausünde aus Beton. Der Stadtplaner und Architekt Felix Rebers will das Ihme-Zentrum sanieren - und eine neue Utopie verwirklichen.
Eine Stadt in der Stadt sollte das Ihme-Zentrum in Hannover nach dem Willen seiner Erbauer sein: Das Großprojekt aus Wohn- und Geschäftsflächen am Ufer der Ihne verkörperte in den 1970er-Jahren eine stadtplanerische und architektonische Utopie.
Aus heutiger Sicht ist es für viele eher ein Sinnbild für die Bausünden jener Zeit. Doch jetzt gibt es für die sanierungsbedürftigen Gebäude einen Rettungsplan: Der Architekt und Stadtplaner Felix Henri Rebers will das Parterregeschoss rückbauen und der Natur zurückgeben.

Stadt auf Stützen

"Die Idee ist, dieses Ihme-Zentrum mit dem Fluss, an dem es liegt, viel stärker in Verbindung zu bringen, als das bisher der Fall ist",
... erklärte Rebers im Deutschlandradio Kultur.
"Die Untergeschosse, die sowieso nicht funktionieren, die entfernen wir. Wir nehmen das, was das Gebäude vorher zuviel hatte, diese Dichte, die nehmen wir weg und erhalten dafür mit einem veränderten neuen Tragwerk eine schwebende Stadt auf Stützen. Und wir haben Luft, wir haben Licht, wir haben Raum auf einmal."
Durch die so gewonnene Fläche soll der Fluss geleitet und Mutterboden aufgeschüttet werden. Dadurch werde innerhalb einiger Jahrzehnte ein Auwald entstehen. Ein solcher Auwald sei ein hochinteressantes Ökosystem und bringe eine ganz eigene Atmosphäre mit sich, betont Rebers:
"Den muss man sich auch vorstellen als etwas Nasses, wo man nicht drin laufen kann."

Friedliche Koexistenz von Mensch und Natur

Die dadurch entstehende urbane Wildnis hat Rebers zufolge utopisches Potenzial. Denn eigentlich sei Wildnis ja der Ort, wo der Mensch nicht ist.
"Und das ist das Neue an dieser Idee, dass sie eigentlich - obwohl dieses binäre Denken von: Natur dort, Mensch hier, sich nicht auflöst, sondern es bleibt binär, trotzdem zu einer Einheit verdichten würde."
So entstünde eine Waldstadt, in der Mensch und Natur sich den Raum gleichberechtigt teilen, so Rebers:
"Das ist ein demütiger Anspruch, der aber extrem schwer zu realisieren wäre, weil das natürlich unserem Umgang mit Natur komplett widerspricht."
Was ist aus den Utopien und Visionen von Thomas Morus geworden? Der Schwerpunkt "Zukunft denken. 500 Jahre 'Utopia'" in Deutschlandradio Kultur sucht nach Antworten vom 18. bis 27. Dezember. Die Übersicht der Themen und alle bereits gesendeten Beiträge gibt es hier zu lesen und zu hören: Utopien in Politik, Gesellschaft und Kunst − Welche anderen Welten sind möglich?
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