Architektur

Richtungsstreit um Schinkels Bauakademie

Schaufassade, auf der die von Karl Friedrich Schinkel 1832 errichtete Bauakadmie zu sehen ist, aufgenommen 2004 am Berliner Schlossplatz
Schaufassade, auf der die von Karl Friedrich Schinkel 1832 errichtete Bauakadmie zu sehen ist, aufgenommen 2004 am Berliner Schlossplatz © picture-alliance / ZB / Peer Grimm
Matthias Sauerbruch im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 20.03.2017
62 Millionen Euro will der Bund für den Wiederaufbau von Schinkels Bauakademie bereitstellen. Doch in welcher Form und mit welcher Nutzung? Architekten wie Matthias Sauerbruch warnen vor zu viel Eile. Erst müsse ein vernünftiges Konzept da sein.
Eckhard Roelcke: Es droht ein weiteres Debakel – das hat heute die "FAZ" im Feuilleton geschrieben und damit die neue Berliner Bauakademie gemeint. Der Bund will 62 Millionen Euro dafür ausgeben, wieder aufgebaut werden soll die Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel von 1836, im Zweiten Weltkrieg beschädigt, danach etwas repariert und dann doch abgerissen, ein Memento mitten in Berlin, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadtschloss. Dort entsteht gerade das Humboldt-Forum als, wie es die "FAZ" schreibt, neopreußischer Fassadenzombie, das erste Debakel an diesem Platz. Zehn Thesen also zum Thema Bauakademie heute in der "FAZ", sie stammen von renommierten Architekturtheoretikern und Architekten, zu den Unterstützern dieser Thesen gehört auch der Architekt Matthias Sauerbruch vom renommierten Büro Sauerbruch Hutten in Berlin, er ist zu mir ins Studio gekommen, einen schönen guten Abend!
Matthias Sauerbruch: Guten Abend!

Eigentlich ein schmuckloser Gewerbebau

Roelcke: Rekonstruieren oder interpretieren? Bevor wir darauf zu sprechen kommen, zunächst mal einfach die Frage: Welche Idee verfolgte denn Schinkel? Und das ist ja, glaube ich, ganz wichtig, zunächst mal zum Ursprung zurückzugehen!
Sauerbruch: Ja, also, die Bauakademie ist deswegen ein sehr außergewöhnliches Gebäude gewesen, weil es zu einer Zeit, wo Berlin eigentlich dominiert war von barockem Städtebau, in unmittelbarer Nähe eben des ebenfalls barocken Schlosses ein sehr modernes Gebäude errichtet hat für eben die besagte Bauakademie, eine Art von Ausbildungsort, nicht nur für Baumeister, sondern auch Handwerker. Und das war, wenn man so möchte, die modernste Bauweise, die man sich vorstellen kann. Schinkel ist in England gereist und hat dort Industriebauten gesehen und hat dort jetzt für sozusagen Preußen die neusten Technologien zur Anwendung gebracht.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Architekt Matthias Sauerbruch bei der Diskussion "Design und Dasein" 2009 in München.© imago/Lindenthaler
Roelcke: Nämlich?
Sauerbruch: Nämlich zum Beispiel vorgefertigte Mauerwerkselemente, das heißt also, so quasi das industrialisierte Bauen vorweggenommen, nämlich Schmuckelemente, die aus Terrakotta ebenfalls in der Fabrik gemacht wurden und auf der Baustelle dann zusammengesetzt wurden. Das Schloss war ja ein verputzter Bau mit allerlei Ornament und wird ja gerade wieder rekonstruiert jetzt im Augenblick, mit Ornament und Lisenen und so weiter, und diese Bauakademie ist ein unverputzter Ziegelbau, sprich, also, für damalige Verhältnisse ausgesprochener Gewerbebau, der sehr schmucklos ist.
Roelcke: Ein Ziegelbau, eigentlich eine große … ja, das meine ich jetzt nicht abwertig: eine große Kiste.
Sauerbruch: Eine große Kiste, ja, kann man so sagen.

Die Berliner Architekten wünschen sich dort ein Architekturzentrum

Roelcke: Kann man denn diese Idee von damals irgendwie in die Gegenwart weiterdenken?
Sauerbruch: Ja, ich weiß gar nicht mal, ob das jetzt so das erste, allererste Anliegen ist. Es gibt ja schon seit Jahren diese Initiative, diese Bauakademie wiederaufzubauen, und es ist auch heute eine große Attrappe dort, also ein großes Gerüst, was sozusagen so Fahnen mit einem Druck von der Fassade drauf hat, und es gibt eine Ecke, die, ich glaube, von jungen Gesellen oder jungen Maurern irgendwie rekonstruiert worden ist. Seit Jahren gibt es diese Diskussion, ob das nicht wieder aufgebaut werden sollte, dieses Bauwerk. Und es ist sicherlich eins, was, sagen wir mal, dieser Beachtung oder auch diesen Rekonstruktionsgedanken wert ist.
Die Frage ist natürlich, was kann denn da sein. Das war ja immer so die Frage, die eben über die letzten Jahre oder Jahrzehnte dann diskutiert wurde, was kann man denn in das Gebäude eigentlich reinnehmen. Und jetzt ist der Gedanke in der Diskussion, dort eine Art von Architekturzentrum unterzubringen. Und das finden alle Architekten hier in Berlin erst mal eine hervorragende Idee, auch sehr passende Idee. Aber nun ist natürlich die Frage, wie kann so ein Architekturzentrum aussehen und wie kann es sozusagen so fortschrittlich sein – um zurückzukommen auf Schinkel – von seinem Ansatz, von seinem ganzen Atem sozusagen, wie dieses Gebäude mal war, wie es errichtet wurde.
Roelcke: Also, wenn ich Sie richtig verstehe, müsste man erst sich klar werden über die Nutzung und dann überlegen, welches Gebäude leiten wir daraus ab. Also von innen nach außen, diese berühmte Forderung?
Sauerbruch: Ja, also, ich glaube, das kann schon in gewisser Hinsicht parallel passieren. Ich meine, wir haben das ja jetzt beim Schloss erlebt, wo es von Anfang an klar war, welche Form dieses Gebäude nehmen sollte, und dann kam die Idee dieses Humboldt-Forums und der Museen oder teilweisen Nutzung als auch ein Museum außereuropäischer Kulturen und so weiter. Und wir erleben im Augenblick alle, wie diese Geburtswehen jetzt wirklich sich hinziehen und keiner so richtig weiß… Also, es ist ein großes Gebäude, man kann es nicht so richtig voll kriegen und die Räume müssen halt den historischen Proportionen angepasst werden und so weiter und so fort, es ist alles ein bisschen verkrampft. Und man würde sich schon wünschen, dass jetzt sozusagen, wo sich diese großartige Chance ergibt, so eine Art von Synergie aus inhaltlichen Ideen und dann auch einer Form eben entwickelt und entstehen kann.

Zeit nehmen für ein durchdachtes Konzept

Roelcke: Jetzt hat der Bund plötzlich, relativ plötzlich 62 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und das Bundesbauministerium übernimmt diese Planung dieses ganzen Projektes. Ist denn dort genügend Expertise überhaupt vorhanden, um dieses doch historisch und architekturtheoretisch ja so komplizierte Thema irgendwie zu bewältigen?
Sauerbruch: Also, glücklicherweise ist mein Eindruck zumindest, dass auch die Stiftung Baukultur da aktiv beteiligt werden soll. Die hat natürlich Zugriff, und das Bauministerium natürlich grundsätzlich auch, auf alle möglichen Experten und Fachleute. Aber man würde sich eben wünschen – und das ist Teil dieser zehn Thesen –, dass man sich die Zeit nimmt, wirklich ein Konzept zu durchdenken, unter Umständen vielleicht sogar schon eben ein Gründungspersonal sozusagen zu nominieren, damit inhaltliche Ideen gleichzeitig wachsen können mit den Ideen der Rekonstruktion.
Denn das ist ja auch ein Thema für sich, Rekonstruktion muss ja jetzt nicht bedeuten, dass man ein Gebäude buchstäblich Stein für Stein wiedererrichtet. Wenn das Gebäude lebendig bleiben soll, wenn es genutzt werden soll, wenn es ein Ort sein soll, der in der Stadt nützlich und interessant ist, dann muss er auch in der Lage sein, das zu leisten, was notwendig ist, zum Beispiel Veranstaltungssäle zu haben oder Ähnliches.
Der Rohbau des Berliner Schlosses (M), das den Namen Humboldt-Forum trägt, ist am 09.06.2015 in Berlin am Schinkelplatz zwischen dem eingerüsteten Neubau von Nobelappartements (l-r), der Humboldt-Box, dem Hotel Park Inn, dem Fernsehturm und der Schaufassade der Schinkelschen Bauakademie (r) zu sehen. Das Humboldt-Forum soll ab 2019 als Museum und für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden.
Der Rohbau des Berliner Schlosses. Kritiker des Projekts sehen darin ein "Debakel" und befürchten Ähnliches für Schinkels Bauakademie.© picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Roelcke: Höre ich daraus auch einen gewissen Wunsch einer offenen Nutzung?
Sauerbruch: Also, interessanterweise ist die Bauakademie eigentlich ein Gebäude, was sozusagen offen gedacht wurde. Das wurde auch vielfach unterschiedlich genutzt. Also, Schinkel selbst hat sogar in dem Gebäude gewohnt eine Weile lang, hatte sein eigenes Büro da, dann war er aber Ausbildungsort, es gab auch Läden im Erdgeschoss und so weiter.
Es war eigentlich schon als eine Art von offener Struktur gedacht, aber man müsste das natürlich jetzt … Zum Beispiel die Spannweiten sind relativ gering, das heißt, die Räume sind nicht besonders groß im Vergleich. Und das müsste man jetzt versuchen oder sehen, inwieweit das angepasst werden kann und muss. Und daraus könnte sich ein spannender Dialog ergeben zwischen neuen architektonischen Interventionen und diesem Bestand, der ja auch rekonstruiert werden muss.

Vorbild Cité de l‘architecture in Paris?

Roelcke: Herr Sauerbruch, Sie haben von der Idee gesprochen, dort ein Architekturzentrum, haben Sie es glaube ich genannt, zu installieren. Wäre das ein Zentrum, das auch internationale Ausstrahlung hat? Gibt es da irgendwelche Vorbilder?
Sauerbruch: Also, definitiv wäre das natürlich der Maßstab, an dem man sich messen muss. Berlin hat ja so eine gewisse Tendenz zu Introversion und es wäre eine große Bereicherung, wenn das ein Institut wäre, was sein Gegenüber nicht nur in Deutschland, sondern international sucht. Und es gibt in der Tat große Vorbilder dafür, zum Beispiel die Cité de l‘architecture in Paris, die also nicht nur das nationale Architekturerbe verwaltet und ausstellt und den Menschen nahebringt, so eine hervorragende Ausstellung selber kuratiert und veranstaltet, alle möglichen Diskussionsveranstaltungen und so weiter und so fort hat. Das Architektur in Wien ganz ähnlich, es gibt eine ganze Reihe von Instituten. Und eigentlich auch in Berlin selber, in kleinerem Maßstab schon Initiativen und auch Institute wie dieses Ei, dass sie seit 30 Jahren ihre Galerie hier betreiben in Berlin, die immer wieder versuchen, die Architektur in die Öffentlichkeit zu bringen, die Architektur zum Thema zu machen, zum Ausstellungsthema zu machen und so weiter und so fort. Und aus diesen Ressourcen sollte man natürlich dieses neue Zentrum speisen.
Roelcke: Wie sollte es aus Ihrer Sicht jetzt methodisch sozusagen weitergehen?
Sauerbruch: Also, ich fände es sehr interessant, wenn die inhaltliche Seite zusammen mit der baulichen Seite im Wettbewerb oder im Diskurs, wie auch immer, workshopartig ventiliert würde, sagen wir mal. Es müssen ja vielleicht keine Entscheidungen, aber es müssen doch irgendwie Konzepte erscheinen am Horizont.
Roelcke: Thesen zu einer neuen Bauakademie in Berlin, der Architekt Matthias Sauerbruch war das, Herr Sauerbruch, danke schön!
Sauerbruch: Ich danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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