Anwalt: Kauf der Daten macht Sinn

Wieslaw Jurczenko im Gespräch mit Dieter Kassel · 02.02.2010
Es gebe für den Staat oft keinen anderen Weg, um an Informationen über Steuerhinterziehung in diesem Ausmaß heranzukommen, sagt der Fachanwalt für Wertpapierrecht Wieslaw Jurczenko.
Dieter Kassel: Zweieinhalb Millionen Euro soll die Bundesregierung zahlen für die Daten von 1500 deutschen Staatsbürgern, die in der Schweiz ein Depot besitzen und die es genutzt haben, um Steuern zu hinterziehen. Man geht davon aus, dass auf diese Art und Weise rund 100 Millionen Steuern nachträglich doch noch eingenommen werden könnten. Das Geschäft lohnt sich also definitiv, und das dürfte auch der Grund sein, warum Bundeskanzlerin Angela Merkel schon gesagt hat, dass sie diese Daten haben möchte. Gestern Abend im ZDF-"heute-journal" hat auch der zuständige Minister Schäuble gesagt, dass er sie haben will und dass er eigentlich auch keine großen rechtlichen Probleme sieht, aber da stimmen nicht alle mit ihm überein, auch nicht alle in der Regierungskoalition. Der Partner der CDU/CSU, die FDP nämlich, warnt. Guido Westerwelle hat gesagt, der Staat darf sich nicht zum Mittäter von Dieben oder von Straftätern machen, und er fordert deshalb eine rechtsstaatliche Prüfung. Nun zahlt Guido Westerwelle Rundfunkgebühren, und deshalb kommen wir seinem Wunsch gerne nach. Am Telefon begrüße ich deshalb Wieslaw Jurczenko, er ist Anwalt für Wertpapierrecht und war früher selbst bei einer großen Bank beschäftigt. Schönen guten Morgen!

Wieslaw Jurczenko: Schönen guten Morgen, Herr Kassel!

Kassel: Fangen wir doch mal mit diesen möglichen strafrechtlichen Vorwürfen an, die seit Langem im Raum stehen, Hehlerei. Wenn die deutschen Behörden diese Daten aufkaufen, machen sie sich dann der Hehlerei schuldig?

Jurczenko: Der Hehlerei machen sie sich nicht schuldig, da die Hehlerei eigentlich nur möglich ist an einer Sache. Die Daten, die hier in Rede stehen, sind keine Sache, das ist eigentlich herrschende Meinung. Allenfalls wäre Hehlerei möglich am Datenträger selber, sofern er entwendet worden wäre. Wenn der Täter aber zum Beispiel einen eigenen Datenträger verwendet hat, um die Daten draufzukopieren, sei es ein CD-Rohling, ein USB-Stick oder was man da immer sich vorstellen mag, dann ist auch hieran keine Hehlerei möglich. Und selbst wenn dieser Datenträger entwendet worden wäre, ist das eine geringwertige Sache, also insoweit würde das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung wohl fehlen.

Kassel: Dennoch hat aber doch der Mann, der diese Daten anbietet, man weiß ja fast nichts über ihn, es gibt auch bisher nur Gerüchte darüber, von welcher Bank oder welchen Banken die Daten sind, aber Bankgeheimnis gibt es ja bei allen Banken. Dennoch hat doch der Mann, der die verkauft, gegen irgendwelche Gesetze verstoßen - oder nicht?

Jurczenko: In der Schweiz ganz sicher, in der Schweiz ist im Gegensatz zu Deutschland das Bankgeheimnis strafbewehrt, das ist niedergelegt im schweizerischen Bankengesetz. Im Unterschied dazu übrigens, ist in Deutschland das Bankgeheimnis nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen verankert, also da haben wir keine strafbewehrte Geschichte, allenfalls im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb, da ist der Verrat von Geschäftsgeheimnissen natürlich unter Strafe gestellt. Aber in der Schweiz hat der Mann definitiv ein Problem, weil er dort bis zu drei Jahren Haftstrafe erwarten darf.

Kassel: Aber ist es dann nicht doch so, auch wenn es nicht um Hehlerei geht, dass jemand, der diese Daten nun kauft, egal ob es ein Privatmann ist oder eben die ganze Bundesrepublik oder das Finanzministerium, dann indirekt an dieser Straftat, die der Mann in der Schweiz begangen hat, beteiligt ist?

Jurczenko: Direkt beteiligt sind wir nicht an dieser Straftat, jedenfalls in keiner, also an der Tat selbst nicht, weil die Tat in der Schweiz bereits abgeschlossen ist. Wir haben also in Form der Mittäterschaft kommen wir nicht infrage, denn wir waren ja bei der Tat nicht dabei. Die Beihilfe kommt auch nicht infrage, weil wir dazu keine aktiven Schritte unternommen haben, damit er das tut. Insoweit fehlt letzten Endes hier, in Form der bisher greifbaren strafrechtlichen Rechtsfiguren, irgendein Tatbestand, nachdem wir das fassen könnten.

Kassel: Nun drehen wir es mal um, es gibt ja auch noch eine andere Theorie. Nämlich, dass sich die Bundesregierung selbst diese zweieinhalb Millionen, die ja voraussichtlich ein angemessener Preis sind, wenn man bedenkt, wie viel Geld eingenommen werden könnte, dass sich die Regierung selbst diese zweieinhalb Millionen sparen könnte, weil man den Mann doch zwingen kann, die Daten kostenlos herauszurücken, da er sich anderenfalls der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig macht.

Jurczenko: Das ist ein Gedanke, der auch hier und da aufgegriffen wurde, es ist aber so, dass die Beihilfe zur Steuerhinterziehung hier schon deshalb nicht vorliegt, weil es dem Mann, also jetzt rechtlich gesprochen, am sogenannten doppelten Gehilfenvorsatz fehlt, wie man unter Juristen sagt. Also es fehlt ihm der Vorsatz im Bezug auf die Förderung der Steuerhinterziehung selbst, der Haupttat und zum anderen letzten Endes ist die Tat auch, die Steuerhinterziehung, die hier praktisch als Haupttat notwendig wäre, bereits abgeschlossen, es sind ja Steuerhinterzieher letzten Endes. Und bei abgeschlossener Haupttat ist auch keine Beihilfe möglich, insoweit kommt er als Gehilfe nicht infrage, er will ja auch gar nicht helfen diesen Steuerhinterziehern, im Gegenteil, das einzige Interesse, das dieser Täter hat, ist letzten Endes die Erlangung der zweieinhalb Millionen.

Kassel: Ist also aus Ihrer Sicht juristisch die Sache, wie ja auch Schäuble gestern behauptet hat, eigentlich nicht sehr strittig, würden Sie also als Jurist der Bundesregierung raten, die Daten zu kaufen oder auszuwerten?

Jurczenko: Ich denke, dass der Kauf dieser Daten in jedem Fall Sinn macht. Es ist auch übliche Rechtspraxis, letzten Endes haben wir das im Falle Liechtenstein gesehen, wir sehen immer wieder bei der Bezahlung von V-Leuten, es gibt oft für den Staat keinen anderen Weg an Informationen heranzukommen. In diesem Fall ist es ja auch so, die Schweiz leistet eigentlich nur Amtshilfe in Fällen von sogenanntem Steuerbetrug, ein Straftatbestand, den wir so gar nicht kennen. Im Fall der einfachen Steuerhinterziehung, wie die Schweiz es nennt, leistet sie keine Amtshilfe, und da kommt der Staat in keinem Fall anders an Informationen heran. Es gibt natürlich, man könnte noch daran denken, dass der Bundesfinanzminister, sagen wir in mittelbarer Täterschaft, denn die ausführenden Organe wären ja die Länder, letzten Endes die Finanzbehörden, wegen Begünstigung belangt werden könnte, durch die Betroffenen, weil er dem Täter die Vorteile der Vortat sichern würde, das müsste man mal genauer prüfen, ob dann tatsächlich einer der Betroffenen Strafanzeige gegen die Behörden erstatten würde und das Interesse hätte, hier vielleicht monate-, wenn nicht gar jahrelang sich der Öffentlichkeit weiterhin zu stellen, wäre dann noch die Frage.

Kassel: Wir reden im Deutschlandradio Kultur mit Wieslaw Jurczenko, Fachanwalt für Wertpapierrecht, über die Frage, ob die Bundesregierung, die ja angebotenen Steuerdaten für 2,5 Millionen Euro kaufen soll. Die Frage haben wir juristisch ja schon so gut wie geklärt. Aber Herr Jurczenko, Sie haben auch schon erwähnt, dass die Schweiz da nicht helfen wird voraussichtlich und dass die das natürlich auch nicht gut finden, wenn es jetzt passiert. Und da fragt man sich doch, weil es ja einen, ja modern würde man sagen in der Geschäftssprache Unique Selling Point der Schweiz immer war, dass das Bankgeheimnis da so heilig ist und dass einem scheinbar nichts passieren kann, wenn man da Geld anlegt. Da fragt man sich doch, warum ist es denn offenbar doch möglich, dass Leute in solchen Mengen an Daten herankommen, sie sogar unbemerkt kopieren und speichern können. Gibt es denn zumindest unter Mitarbeitern bei den Banken gar kein Bankgeheimnis mehr?

Jurczenko: Den Eindruck könnte man gewinnen. Es ist natürlich nicht so, dass das Bankgeheimnis in der Schweiz die einzige Selling Proposition ist, wie Sie es nennen oder wie Marketingleute dazu sagen, war natürlich ein wichtiges Argument für sehr viele Kunden. Es ist natürlich, man muss sehen, die technische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat ja doch gewaltige Fortschritte gemacht. Früher wurden Akten handgeführt, es war natürlich ganz, ganz schwierig, teilweise gab es gar keine Kopierer in diesem Umfang, es war ganz schwierig, diese Daten überhaupt rauszubekommen. Heute sprechen wir natürlich von technischen Infrastrukturen in Banken, gerade bei den Global Players, die alles ermöglichen, die natürlich eine unglaubliche Offenheit haben. Man will ja auch Daten auswerten, man will heute natürlich auch zu Verkaufszwecken, Datenaufbereitungsmöglichkeiten haben. Das führt dazu, dass selbstverständlich die Möglichkeit, Daten en masse zu kopieren, ebenfalls gegeben ist und der Aufwand, diese Daten zu schützen, ganz erheblich steigt. Und ich glaube, diese Diskussion wird in der Schweiz sicher jetzt auch beginnen, wie man solche Daten überhaupt noch schützen kann.

Kassel: Aber könnte dadurch dieses Problem mit den Steueroasen, wir erinnern uns an auch die harten Worte, die zwischen dem damaligen Finanzminister Steinbrück und der Schweiz gefallen sind, das Problem der Steueroasen sich mittelfristig erledigen, denn ich meine, irgendeinen frustrierten Mitarbeiter, der bei den Bonuszahlungen nicht gut weggekommen ist, wird irgendwann jede Bank haben.

Jurczenko: Sicher, ich denke, seit Fälle von Bezahlungen größerer Summen durch Behörden bekannt geworden sind, könnte das viele Mitarbeiter auf den Plan rufen. Es könnte sein, dass der Aufwand über die Zeit einfach unverhältnismäßig groß wird, dass das mit Kosten verbunden ist, die das bislang bestehende Bankgeheimnis eigentlich in dieser Form kaum noch durchsetzbar machen, das wird ganz sicher ein Teil der Diskussion in der Schweiz sein in der nächsten Zeit, oder sollte es sein. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Banken wieder auf Handaktenführung zurückgreifen wollen, das wollten sicher auch die Kunden nicht, die ja auch eine gewisse Verfügbarkeit ihrer Daten erwarten, wenn sie zu der einen oder anderen Filiale mal gehen und man dort auch weiß, dass das Konto dort besteht. Sonst kommen wir wieder genau dahin, wo wir schon mal waren, nämlich bei den nachrichtenlosen Vermögen, die sich über die Zeit ergeben, und daran kann die Schweiz auch kein Interesse haben.

Kassel: Sie haben vorhin schon erzählt, dass die meisten Steuerhinterzieher, wenn sie nun durch diese Aktion, so sie stattfindet, ganz sicher ist es noch nicht, erwischt werden, wahrscheinlich doch nicht klagen, auch nicht in Fällen, wo sie die eine oder andere Chance hätten. Aber nehmen wir an, ich hätte ein Konto bei der betroffenen Bank in der Schweiz, die könnte ich aber dann doch verklagen, wenn meine Daten veröffentlicht werden, oder?

Jurczenko: Das sollten Sie sogar tun,. Ich denke, das wird auch in vielen Fällen geschehen, wir sehen es auch im Falle der Herausgabe amerikanischer Daten, dass dort bereits Klagen in Vorbereitung sind, wenn nicht gar schon eingereicht. Es trifft die Bank auf jeden Fall oder wollen wir mal so sagen, es ist da in jedem Fall mal wert, es zu prüfen, ob die Bank da nicht eine Mithaftung trifft, je nachdem, wie sorgfältig sie die Daten geschützt hat. Und dass der Kunde da einen Schaden erleidet, ist klar, ich meine die Schweiz kann ja nicht auf der einen Seite das Bankgeheimnis hervorheben und sagen, hier strafbewehrt, es ist eben sehr, sehr sicher und auch zu sichern von den Banken eben per Bankengesetz, auf der anderen Seite zusehen, wie Banken sich Daten entwenden lassen.

Kassel: Wenn der Deal zustande kommt, dann bekommt ja dieser Mann zweieinhalb Millionen Euro von den Finanzbehörden in Deutschland, komplizierte Sache, weil da Länder zuständig sind, aber er wird sein Geld am Ende kriegen. Muss er das dann eigentlich versteuern?

Jurczenko: Das muss er versteuern und zwar zehn Prozent, insoweit wird man im Grunde genommen hier auch rechtsstaatlich vorgehen, indem man einfach diese Prämie auszahlt und dann zur Versteuerung bringt.

Kassel: Und wenn er ein bisschen Geschmack hat, wird er sein Geld dann nicht in der Schweiz anlegen, aber es gibt ja Alternativen. Ich danke Ihnen, das war Wieslaw Jurczenko, er ist Fachanwalt für Wertpapierrecht und wir haben mit ihm darüber geredet, welche Möglichkeiten und vielleicht auch Hindernisse es auf juristischer Seite gibt, wenn die Bundesrepublik tatsächlich für zweieinhalb Millionen Euro die ihr angebotenen Daten von 1500 deutschen Steuersündern in der Schweiz kaufen will.
Mehr zum Thema