Antijudaismus

Film ab gegen Antisemitismus!

Rabbiner gedenken am 12.11.2013 mit einem Marsch vom Brandenburger Tor zum Holocaust Mahnmal in Berlin dem 75. Jahrestag der Pogromnacht. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Europäischen Rabbinerkonferenz statt, bei der 200 Rabbiner aus ganz Europa anlässlich des 75. Jahrestages der Novemberpogrome über Minderheitenrechte in Europa diskutieren.
Rabbiner gedenken 2013 mit einem Marsch vom Brandenburger Tor zum Holocaust Mahnmal dem 75. Jahrestag der Pogromnacht © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Von Alice Lanzke · 11.04.2014
"Du Jude!" ist noch immer ein Schimpfwort auf Schulhöfen. Deshalb wandte sich ein Berliner Pädagoge an eine verdi-Jugendbildungsstätte in Berlin, um ein Seminar gegen Antisemitismus zu entwickeln. Herausgekommen ist ein Medienseminar, das es in sich hat.
Filmausschnitt "Graue Facetten": "Allmählich kalt geworden" ... "Ja natürlich, es wird immer kälter, wenn der Sommer vorbei ist und der Herbst eintritt" ...
Zwei junge Männer sitzen auf einer Bank an einem See. Die beiden kommen ins Gespräch - harmloser Small Talk. Dann bietet der eine dem anderen einen Bonbon an:
Filmausschnitt "Graue Facetten":
"Oh, und nehmen sie sich doch was." "Danke schön ... Koscher?!" "Was war das jetzt?" "Das ... war Antisemitismus."
Diskriminierung einen Namen geben
Die drastische Szene ist Teil von "Graue Facetten - Diskriminierung einen Namen geben". Das Video ist im Rahmen von "Film ab! Clips gegen Antisemitismus" entstanden, einer Projektkooperation der verdi-Jugendbildungsstätte Konradshöhe und der BildungsBausteine gegen Antisemitismus.
In den Seminaren wurden junge Menschen zwischen 13 und 22 Jahren geschult, um dann einen Videoclip zum Thema Antisemitismus zu drehen - so wie der 20-jährige Jenk, der in "Graue Facetten" so heftig auf das koschere Fruchtgummi reagiert:
"Ich wollte, weil das auch so meine Persönlichkeit ist, einen Witz in der Sache haben - deswegen auch die übermäßige Reaktion mit dem Spucken dieses Kaubonbons. Vorher alles friedlich, schön und gut, quatschen und dann, nur weil da koscher steht ... Aber natürlich ist es alles andere als witzig. Die sollen die Message da mitnehmen, die sollen sehen, wie lächerlich ich mich dort gemacht habe."
Jenk hat sich bereits vor dem Seminar mit dem Thema Antisemitismus auseinandergesetzt - nicht nur, weil sein Onkel im Jüdischen Museum arbeitet, sondern auch, weil er Teil von "JUMA - jung muslimisch aktiv" ist. Bei JUMA sollen junge Muslime stark gegen Extremismus und Intoleranz gemacht werden - das "Film ab!"-Projekt passt da perfekt ins Konzept, wie auch die Reaktion von Faiz, einem weiteren Darsteller aus "Graue Facetten" zeigt.
Faiz: "Ich bin ja selber Muslim und man wächst mit den Vorurteilen auf. Und es war halt interessant einfach mal sich mit diesem Thema zu beschäftigen, um mal zu sehen, ob das auch wirklich stimmt. Und wenn man sich wirklich damit beschäftigt, dann sieht man wirklich, dass da andere Bilder entstehen."
Insgesamt wurden in den vergangenen drei Jahren 20 fünftägige Seminare mit insgesamt 400 Jugendlichen durchgeführt: Schüler, Jugendclub-Mitglieder und Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres gehörten zu den Teilnehmern. Aber auch ihre pädagogischen Begleiter wurden parallel geschult, denn gerade diese sind mit dem Thema Antisemitismus oft überfordert, wie Projektleiterin Tatjana Volpert weiß:
"Eine Grundidee war tatsächlich, dass Leute auf uns zugekommen sind, Lehrkräfte, die gesagt haben, sie haben Probleme mit Antisemitismus an ihrer Schule und sie wissen nicht, was sie machen sollen, also dass sie eben gerade bei Formen von aktuellen Antisemitismus nicht wissen, wie sie dem begegnen sollen."
"Juden?! Die wollen nur Geld!"
Das Besondere an "Film ab!" ist der Freiraum, der den jungen Menschen bei der Produktion ihrer Clips gelassen wurde - eine Tatsache, die auch Elke Weißer, Leiterin der Jugendbildungsstätte, betont:
"Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir durch die Konzeption und durch die Rahmenbedingungen einen Raum schaffen konnten, dass sie ihre eigenen Ideen entwickeln konnten, weil das doch noch ein Thema ist, wo sie auch wissen, dass es von den Erwachsenen, von den Lehrern immer eine bestimmte Erwartungshaltung an sie herangetragen wird. Und dass sie doch wirklich sich frei entwickelt haben. Und da bin ich wirklich total glücklich, dass das gelungen ist bzw. dass es unseren Teamern und Teamerinnen gelungen ist, sich so weit zurückzunehmen, dass sie ihren Raum einnehmen konnten. Und ich finde diese Filme großartig, ich finde es toll, dass man bei dem Thema lachen muss."
Lachen muss man bei manchen der Beiträge tatsächlich - so etwa bei "Unser deutscher Zoo", der von Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres erstellt wurde:
Filmausschnitt "Unser deutscher Zoo":
"Herzlich Willkommen im Berliner Zoo. Ich freue mich, dass sie diese besondere Führung mit mir machen. Wir haben ganz besondere Exemplare, von denen viele denken, dass sie ausgestorben sind - sind sie nicht. Aus ihrem Lebensraum hierher zu uns in den Zoo geholt. So dann beginnen wir mal mit der Führung." ... "Juden?! Die wollen nur Geld! Geld, Geld, Macht und Geld - geht gar nicht." "Hier sehen wir die traditionelle Art des Antisemiten."
Im weiteren Verlauf sehen die "Zoobesucher" noch eine Philosemitin und begegnen dem Phänomen des sekundären Antisemitismus.
Unser deutscher Zoo
Den jungen Filmemachern war eines ganz besonders wichtig, wie die 22-jährige Inge erklärt:
"Wir wollten ja auch, dass es interessant für den Zuschauer wird, weil ja auch häufig junge Leute denken: 'Ach, das Thema haben wir schon tausend Mal gehört, das langweilt uns.' Und ich denke, Humor ist das beste Mittel, um das Thema irgendwie am Laufen zu halten."
Warum das "Film ab!"-Projekt dafür so wichtig ist, ergänzt Oliver:
"Na ich hoffe, dass viele junge Menschen mal anfangen, ein bisschen nachzudenken und nicht nur das Vorgelebte, was ihnen von Eltern, Staat, Medien oder sonstigem vorgegeben wird, einfach hinzunehmen, sondern auch eben durch dieses Hintergrundwissen, was sie erlangen, mal zu hinterfragen und dann einfach auf dieser Erfahrung selbstständig aufbauen und durch Selbstreflexion erkennen, vielleicht wo ihre Fehler liegen und was sie selber verbessern können."
So viel Reflektion, Engagement und Originalität ist ausgezeichnet: "Unser deutscher Zoo" erhält bei der Abschlussveranstaltung des Projekts, die als Filmfestival gestaltet ist, den ersten Platz:
"Filmfestival" -Preisverleihung:
"Wir kommen jetzt wirklich zum Höhepunkt, wir kommen zum ersten Preis - und der geht an "Unser Deutscher Zoo"!"
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