Anti-Islam-Demos in Dresden

Mit Weihnachtsliedern gegen Flüchtlinge? Bitte verbieten!

Rund 5500 Teilnehmer bei einer Demonstration unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) - am 24.11.2014 auf dem Theaterplatz vor der Semperoper in Dresden
Rund 5500 Teilnehmer bei einer Demonstration unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) - am 24.11.2014 auf dem Theaterplatz vor der Semperoper in Dresden © picture alliance / dpa
Von Philipp Gessler · 22.12.2014
Kaum geboren, flohen Maria und Josef mit ihrem kleinen Jesus nach Ägypten. Das sollte man wissen, wenn man Weihnachtslieder singt, um gegen Muslime und Flüchtlinge zu demonstrieren, findet unser Kirchenredakteur Philipp Gessler. Pegida habe von der christlichen Botschaft leider nichts verstanden.
Leider kann man den Leuten nicht verbieten, Weihnachtslieder zu singen. Wer sich aus grauen Kindestagen noch in Erinnerung rufen kann, wie schief damals so mancher Opa „Stille Nacht, Heilige Nacht!“ vor dem Christbaum gesungen hat, wird das Fehlen eines Weihnachtslied-Singverbotes noch heute schmerzlich vermissen.
Nun gibt es andere, unsympathischere Leute, die wieder Weihnachtslieder singen wollen – die Fans des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union Berlin etwa tun dies jedes Jahr zur Weihnachtszeit in ihrem Stadion An der Alten Försterei – aber die sind hier nicht gemeint. Obwohl auch dieses Event stimmlich gut gemeint ist, aber … - Sie wissen schon.
Nein, wofür ein Weihnachtslied-Singverbot wirklich ausgesprochen werden sollte, das ist die geplante Pegida-Demonstration heute Abend vor der Semper-Oper in Dresden. Dort nämlich wollen die Veranstalter der islamfeindlichen Demonstration ein "gemeinsames Weihnachtsliedersingen" veranstalten – und es geht hier nicht um die absehbare gesangliche Qualität der Tausende, die sich dort wohl wieder versammeln werden.
Matthäus-Evangelium: "Ich war fremd – und ihr habt mich aufgenommen"
Nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich kann und sollte man niemanden das Singen von Weihnachtsliedern verbieten – und der Vorschlag einiger Politiker in der medialen vorweihnachtlichen Saure-Gurken-Zeit, in der Moschee sollten doch, als Friedenszeichen, Weihnachtslieder und in den Kirchen muslimische Lieder gesungen werden, ist tatsächlich so originell wie charmant, sieht man davon ab, dass diese Idee wohl nicht wirklich irgendwo befolgt wird. Außerdem: Wer wird in einer Kirche zu Weihnachten schon das muslimische Lied "Tala'a al-badru alayna" ("Heller Mondschein leuchtet") von Yusuf Islam - früher: Cat Stevens - richtig hinkriegen? Der Musik-Vorschlag kam übrigens vom Zentralrat der Muslime.
Aber, ganz ehrlich, man würde ja so gern den Pegida-Leuten das Weihnachtslieder-Singen verbieten. Wenn es nur ginge! Warum? Weil Weihnachtslieder vor allem und zuerst von der christlichen Botschaft etwas erzählen – nämlich von der Geburt eines Wanderrabbiners in Palästina vor 2000 Jahren, der gesagt hat: "Ich war fremd – und ihr habt mich aufgenommen." Nachzulesen im 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums.
Maria, Josef und Jesus flohen nach Ägypten
Dieser Jesus von Nazareth, dessen Geburt zu Weihnachten gefeiert wird, war, so schreibt es dieser Evangelist im zweiten Kapitel seiner Frohen Botschaft, ebenfalls ein Flüchtling – und zwar mit seiner Familie, die nach Ägypten fliehen musste. Maria, Josef und Jesus wurden dort aufgenommen, obwohl sie eben arme Flüchtlinge waren und einer anderen Religion angehörten.
Nun treffen sich also im weitgehend säkularisierten Dresden Tausende Menschen, um christliche Lieder zu singen, die sie offensichtlich gar nicht verstehen. Denn wer Weihnachtslieder singt, um vor Flüchtlingen und Menschen anderer Religionen zu warnen, hat weder den Sinn der Weihnachtslieder noch die christliche Botschaft verstanden.
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