Angst vor Luxussanierung in München

Kampfplatz Viktualienmarkt

Der Viktualienmarkt in München
Eine Luxussanierung soll es nicht werden, sagt die Stadtverwaltung über ihre Pläne zum Viktualienmarkt. © imago/SKATA
Von Tobias Krone · 06.06.2018
In München ist der Viktualienmarkt eine Institution. Nun will die Stadt den Platz sanieren. Bei den Händlern sind die Pläne umstritten. Viele fürchten, dass die Renovierung die Pachten für ihre Stände in die Höhe treibt.
"Grüß Gott! Bitteschön?"
Wenn Obsthändlerin Petra Hahn eine Ananas verkauft, dann ist es ganz etwas anderes als bei der Ananas im Supermarkt. Denn bei Petra Hahn interessieren sich die Kunden für die Ananas. Und so erlebt man bei Petra Hahn Ananas-Verkaufsgespräche.
"Ja, das ist die Sweet ohne Fruchtsäure aus Costa Rica."
Wenn Kunden, zumal Münchner, auf den Viktualienmarkt gehen, mögen sie es gerne ein bisschen exklusiver.
"Ist das somit die Beste, die es so mehr oder weniger gibt?"
"Ja, sagen wir mal so, die ist sehr, sehr gut, das ist die Sweet ohne Fruchtsäure, es gibt dann noch die Flugware aus Ghana, aber die kommt zurzeit sehr, sehr selten."
So ist das auf dem Viktualienmarkt. Die 54-Jährige kennt es nicht anders und sie will es nicht anders. Für sie ist der Markt im Herzen von München vor allem eines.

Bummeln, aber nichts kaufen

"Die Seele. Das Erlebnis und die Seele, würde ich sagen. Viele laufen drüber, viele reden drüber. Einkaufen tun sie weniger leider, weil sie immer meinen, wir sind zu teuer."
Dabei sei es an ihrem Stand auch nicht anders als im Supermarkt – günstig ist halt nur die Saisonware.
"Wir dürfen uns immer die tollsten Beschimpfungen anhören, wenn das Kilo Steinpilze 125 Euro an Heiligabend kostet. Ich glaube nicht, dass Steinpilze an Weihnachten Saison haben. Esst’s sie doch bitte im Sommer! Und dann gibt es viele und dann sind sie günstig. Und dann kann man sich auch den Viktualienmarkt leisten."

Den Viktualienmarkt gibt es seit über 200 Jahren. Petra Hahns Obststand ist über halb so alt wie der Markt selbst.
"Unseren Stand gibt es seit 1885. Unsere Familie ist auch im Markt – in der fünften Generation. Wir sind also schon etwas länger hier. Wenn man weiß, dass seine Großeltern oder Urgroßeltern schon am Markt waren, macht einen das schon stolz, dass man das noch weiterführen kann. Weil das ist nicht mehr normal in der heutigen Zeit."
In Petra Hahns Familie helfen sie zusammen. Stehen am Stand – täglich – außer sonntags. Winters wie Sommers. Eine Besonderheit in Nordeuropa.
"Man kann uns nicht mit irgendwelchen Märkten vergleichen – das ist Halle. Wir sind Freiluft. Und das macht das Besondere des Viktualienmarkts aus."
Urgestein vom Viktualienmarkt: Michael "Watschi" Watschinger
Urgestein vom Viktualienmarkt: Michael "Watschi" Watschinger© Tobias Krone

Letzte Sanierung nach dem Zweiten Weltkrieg

Immerhin hat sie hinter ihrem Stand ein kleines Häuschen – mit einem Kellerlager und einem Kontor, wie viele andere Händler auch. Doch das steht seit 1949 – und ist ganz schön in die Jahre gekommen.
"Bei mir gehört eigentlich nur der Keller saniert. Das nächste ist: Wir würden ganz gern einmal Toiletten haben. Das sind so unsere Hauptschwerpunkte."
Axel Markward, Kommunalreferent der Stadt München, sitzt nicht weit vom Viktualienmarkt entfernt in seinem Amtszimmer. Die Renovierung des Markts plant er seit Jahren.
"Man muss einfach wissen, der Viktualienmarkt ist das letzte Mal so richtig in Gänsefüßchen ‚saniert‘ worden nach dem Zweiten Weltkrieg. Und alles, was danach saniert worden ist, waren immer punktuelle, kleinere Sanierungen."
Mehr Hygiene, Toiletten für Händler und Besucher, einen besseren Brandschutz, energieeffiziente Wände. Das wollen Stadt und Händler. Doch manche Händler, wie Petra Hahn, fürchten, während der Bauarbeiten ihren Platz und ihre Kundschaft zu verlieren.
"Mal ganz ehrlich. Ich habe hier 120 Quadratmeter Verkaufsfläche. Wo wollen Sie die hinbringen? Und da braucht man schon eine gewisse Planungssicherheit."

Bloß keine Luxustempel!

Petra Hahn ist Vizevorsitzende der Interessensgemeinschaft Viktualienmarkt, nach eigenen Angaben versammelt sie 88 von 105 Händlern – nach Angaben der Stadt sind es nur eine Handvoll. Die IGV fürchtet um ihre Pachtverträge, die sogenannten Zuweisungen, die mit der Stadt München in der Regel auf Lebenszeit geschlossen werden. Die Zuweisungen werden erneuert, sagt die Stadt. Doch Petra Hahn hätte es gern schriftlich.
"Wir bräuchten schon eine gewisse Bestätigung von der Stadt München, wie es während des Umbaus und nach dem Umbau weitergeht."
In München kann das Wort Sanierung Mieter schon mal in eine Lebenskrise stürzen. Denn oft erwartet sie mit der Sanierung ein saftiger Mietaufschlag und damit die Verdrängung aus dem angestammten Stadtviertel. Auch der Watschi betrachtet das mit Sorge. Der füllige Senior mit dem Bayerntrikot und dem Filzhut, der mit seinen Freunden Abend für Abend am Lisl-Karlstadt-Brunnen sein Bier trinkt, heißt bürgerlich Michael Watschinger. Er hat eine Bitte an die Stadt.
"Keine Luxustempel! Keine Luxustempel, wo man für 0,2 Liter Wein 6 Euro 50 bezahlt. Es sollte so bleiben wie es ist."

Doch von Luxussanierung, sagt die Stadt, sei gar keine Rede. Sagt Kommunalreferent Axel Markward.
"Wir wollen ganz, ganz genau darauf achten, dass das Motto der Stadt behutsam, sanft, liebevoll mit der Sanierung umzugehen auch tatsächlich erhalten wird."
Die Stände sollen erhalten bleiben und auch die Händler sollen an ihren Ständen bleiben dürfen, so Markward. Ein Verkauf der Stände an Luxus-Ketten sei ausgeschlossen.
"Wir wollen ja hier nicht so eine Einheitssoße haben, oder irgendwie so eine Kaufhausatmosphäre, wo man im Erdgeschoß wie im Obergeschoß immer das Gefühl hat, man ist im gleichen Laden. Das kommt überhaupt nicht infrage, sondern die Individualität der Stände und der Verkaufsmöglichkeiten muss natürlich gewahrt bleiben, so gut es irgendwie geht unter den Rahmenbedingungen."
Hat keine Angst vor Luxusmieten: Oresta Schuster vor ihrem Gewürzstandl
Hat keine Angst vor Luxusmieten: Oresta Schuster vor ihrem Gewürzstandl© Tobias Krone

Die Pacht wird steigen, aber um wie viel?

Die Stadt will während des laufenden Betriebs sanieren. Daher könnten die Bauarbeiten bis 2024 dauern. Die Preise für die Pacht danach könne man jetzt noch nicht festlegen, Markward verspricht aber:
"Die Pachthöhe wird natürlich so gestaltet sein müssen, dass sie die Händler auch erbringen können, das ist selbstverständlich."
Petra Hahn und die Interessensgemeinschaft sind noch skeptisch. Andere Händler wie die Betreiberin des Gewürzstandes Oresta Schuster haben keine Angst.
"Ein bisschen mehr Kosten wird es wahrscheinlich auch geben, weil es ja alles verschönert wird und wir es dann auch leichter haben werden. Ich bin da positiv eingestellt und ich habe da ehrlich gesagt überhaupt keine Angst, dass da was passiert, was nicht gut ist."
Eine Sanierung ohne Luxus – abgesichert durch die Stadt. In zwei Wochen entscheidet der Stadtrat über die Renovierung des Viktualienmarktes, so das Kommunalreferat. Dann sollen sie es alle schriftlich haben.