Anekdoten aus China

27.08.2008
In seinem Roman "Angestellte" erzählt Rainer Kloubert, was deutsche Geschäftsleute nach China verschlägt, wie sie sich durchsetzen oder scheitern - und auch, wie ihr Karriereentwurf durch die Begegnung mit dem fremden Land (und seinen Frauen) neue Wege nimmt. Der Autor war selbst als Geschäftsmann viele Jahre im Land unterwegs.
"China ist nicht das Land der Mitte, es ist das Land der Extreme" - das sagt Kohn, der Protagonist des neuen Romans "Angestellte" von Rainer Kloubert. Kohn weiß, wovon er spricht: Er ist ein exzellenter Chinakenner, spricht die Sprache perfekt und fließend, ist mit einer Chinesin verheiratet, hat einige Jahrzehnte in China zunächst als Repräsentant einer Kölner, später einer schwäbischen Firma gearbeitet und viele seiner deutschen Kollegen durch das Land navigiert.

Mit all diesen Eigenschaften ausgestattet ist Kohn unschwer als Alter Ego seines Verfassers zu erkennen. Rainer Kloubert, 1944 in Aachen geboren, hat schon in den 70er Jahren in Hongkong und Taiwan Rechtswissenschaften studiert und lebt heute in Peking (und London). Er hat Jahrzehnte sowohl als Dolmetscher als auch als Repräsentant großer deutscher Firmen in China verbracht - Interna aus seiner Zeit als Repräsentant der Bosch-Stiftung sind zum Beispiel in seinem Roman "Der Quereinsteiger" (2004) offenbart .

Das Leben deutscher Geschäftsleute in China ist ein wiederkehrendes, zentrales Thema in den Romanen von Rainer Kloubert. Mit zahllosen, fast schon überbordend vielen Anekdoten erzählt er jetzt auch in seinem neuen Roman "Angestellte", was deutsche Geschäftsleute nach China verschlagen hat, wie sie ihren chinesischen Kollegen dort begegnen und mit diesen Verträge abschließen, wie sie sich gegen Konkurrenten durchsetzen oder aber scheitern - und auch, wie ihr Karriereentwurf durch die Begegnung mit dem fremden Land, seinen Sitten (und seinen Frauen) neue Wege nimmt.

Einer der Manager zum Beispiel verlässt seine Familie, um eine mongolische Dolmetscherin zu heiraten, ein anderer gibt die Rolle des Kronprinzen eines großen Konzerns zugunsten eines Neuanfangs als Unternehmer von Fitness-Studios in China auf. Ein dritter kündigt, kehrt zurück nach Deutschland und studiert Theologie.

Zwölf Kapitel hat das Buch, jedes ist einem anderen Geschäftsmann und seinem speziellen Umgang mit China gewidmet. Hinter Kapiteln mit poetisch-bildreichen Titeln wie "Der Bademeister und die schönen Geschichten" und "Der Ballspieler oder eine Möhre im Kopf" verbergen sich die Lebensgeschichten von deutschen Angestellten aus der Stahl-, Maschinenbau- oder Kohlebranche, mit denen Kohn in China zu tun bekommt.

Mit der Wiedergabe ihrer Verhaltensweisen, ihrer Vorlieben und Eigenarten wirkt der versierte Erzähler Kohn bisweilen wie der Verfasser psychologischer Studien, der Kurztypologien des "Deutschen in China" entwirft. Dann wieder erinnert Klouberts leicht ironischer, manchmal boshafter Stil an Satire. Auch reportagehafte Elemente - viele Dialoge, unter anderem im Kölner Dialekt, und kurze Ortsbeschreibungen - zeichnen seine Sprache aus.

Inhaltlich kann Kloubert ohne Zweifel aus einem immens großen Material schöpfen - das lassen die weitverzweigten Geschichten und vielen Personen rund um die einzelnen "Helden" der Kapitel schnell erkennen. Kein noch so fantasievoller Geist könnte sich all das ausdenken.

Doch leider datiert der Großteil der Erlebnisse aus den 80er Jahren. Lichtjahre, möchte man meinen, in einem Land wie China, in dem sich die Verhältnisse, gerade im Wirtschaftsleben, so rasend schnell verändern.

Etwas verwundert liest man eine Anekdote über einen bundesdeutschen Geschäftsmann, der in die DDR-Botschaft flieht oder Kohns Augenzeugenbericht über die blutigen Ereignisse am Platz des Himmlischen Friedens - ganz ohne Reflexion eines Menschen, der dies im Jahr 2008 veröffentlicht.

Aber auch als Zeitdokument über China funktioniert dieser Roman nur bedingt. Denn selbst die Einblicke ins China der 80er Jahre bleiben sehr eindimensional. Der Leser bewegt sich gemeinsam mit Kohn durch viele Werkhallen, durch Geschäftsverhandlungen, er erlebt Banketts und Abendessen zwischen Vertragspartnern, er erfährt, wie wichtig persönliche Kontakte und Bestechung sind. Aber wie Chinesen leben, die nicht Kader und Parteifunktionäre sind, was diese Menschen denken und wie sie handeln - das erfährt man nicht in diesem Buch.

Denn zentrales Thema Klouberts, das sagt schon der Titel des Romans, sind ja die Angestellten - und an denen lässt Kloubert, mit einigen Ausnahmen, kaum ein gutes Haar. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem Homme de lettre, dem großen Chinakenner, und dem gewöhnlichen, oftmals peinlichen deutschen Geschäftsmann.

Rezensiert von Olga Hochweis

Rainer Kloubert: Angestellte. Roman
Elfenbein Verlag, Berlin 2008
334 Seiten, 22,00 Euro