Andrej E. Skubic: "Spiele ohne Grenzen"

Bissiger Kommentar zur Flüchtlingskrise

In der Novelle "Spiele ohne Grenzen" des slowenischen Schriftstellers Andrej E. Skubic ist das Einsammeln der Flüchtlinge im Mittelmeer zum Geschäft geworden.
In der Novelle "Spiele ohne Grenzen" des slowenischen Schriftstellers Andrej E. Skubic ist das Einsammeln der Flüchtlinge im Mittelmeer zum Geschäft geworden. © imago/Joker; Voland & Quist
Von Marten Hahn  · 01.11.2017
In der Novelle "Spiele ohne Grenzen" haben die EU und Italien das Einsammeln von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer privatisiert. Unterschiedliche Akteure zanken um die Habseligkeiten der Toten. Der preisgekrönte slowenische Schriftsteller Andrej E. Skubic erzählt schnoddrig, derb und äußert lebendig.
Primoz Kastelic und sein Freund Tadej folgen einem Funkruf: Auf dem Mittelmeer ist wieder ein Boot gekentert. Am Wrack wartet jedoch schon ein chinesisches Boot. Ein Streit entbrennt. Und es dauert ein paar Seiten bis man merkt, dass die Slowenen und die Chinesen sich hier um die Toten im Wasser zanken. Kastelic ist ein Leichensammler im Auftrag der EU.
In Andrej E. Skubics Novelle "Spiele ohne Grenzen" haben die EU und Italien das Einsammeln von Bootsflüchtlingen im Mittelmeer privatisiert. Die Sizilianer kümmern sich um die "lebende Ware", vermitteln sie als billige Arbeitskräfte. Konzessionäre wie Kastelic sammeln die Toten aus dem Meer und machen deren Habseligkeiten zu Geld. "Jetzt läuft alles geschäftsmäßig ab, selbst die schlechten Boote gehen professionell in den Tod wie die Kühe ins Schlachthaus, ohne zu wissen, was sie erwartet."

Skubic schrieb Romane, Theaterstücke und TV-Drehbücher

Skubic, geboren 1967 Ljubljana, ist in seiner Heimat mehrfach preisgekrönt. Er hat zahlreiche Romane, Theaterstücke und TV-Drehbücher geschrieben. Dass wir Skubics bissigen Kommentar zur Flüchtlingskrise im Mittelmeerraum nun auf Deutsch lesen können, ist Voland & Quist zu verdanken. In der Reihe "Sonar" stellt der Verlag regelmäßig literarische Talente aus Osteuropa vor.
Dass wir Skubic auch genießen können, liegt an Erwin Köstler. Der Übersetzer hat die Prosa des Slowenen ins Deutsche übertragen. Die schnoddrige Leichtigkeit Skubics und der derbe Ton wirken so lebendig, dass man ihnen die Übersetzung nicht anmerkt.
Der Titel "Spiele ohne Grenzen" verweist auf eine TV-Show der 1960er und 70er. Teams verschiedener Länder traten darin in Geschicklichkeitswettkämpfen gegeneinander an. So wie hier nun Slowenen, Chinesen und Italiener um die Wette "fischen".

Der Flüchtlig als Rohstoff

Skubic zeigt Menschenschmuggel als zunehmend legalisierten, globalen Industriezweig, dessen Spieler zwischen Afrika und Europa ihre Dienste anbieten und miteinander konkurrieren. Der Flüchtling – ob tot oder lebendig – ist da nur noch Rohstoff. Und den Kampf gegen Fluchtursachen scheint die EU in Kastelics Welt schon längst aufgegeben.
"Spiele ohne Grenzen" ist nur 160 Seiten kurz. Das gibt Skubic gerade genug Raum, seine Idee auszurollen und uns mit Kastelic als Hauptcharakter und Erzähler vertraut zu machen. Auf Nebendarsteller verschwendet der Autor nicht mehr narrative Energie als nötig. Diese Kurzgeschichtenhaftigkeit nimmt man Skubic nicht übel, bis man das Ende des Texts erreicht. Alles bleibt sperrangelweitoffen. Man fühlt sich hängengelassen. Und wünscht sich, Skubic würde aus der Ideen-Skizze noch einen Roman machen.
Wer "Spiele ohne Grenzen" liest, merkt, was uns leider noch zu oft entgeht: Auch "kleine" Sprachen haben brilliante Erzähler. Gut 70 Prozent der belletristischen Übersetzungen in Deutschland wurden 2016 aus dem Englischen übertragen. Diese Obsession der großen Verlage mit anglo-amerikanischen Autoren verstellt den Blick auf Talente wie Skubic. Talente, die etwas zu sagen haben, über das Europa von heute und morgen.

Andrej E. Skubic: Spiele ohne Grenzen
Aus dem Slowenischen: Erwin Köstler
Voland & Quist, 2017
160 Seiten, 18 Euro; eBook 9,99 Euro

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