Analoges Arbeiten: Hufschmied

Rösser, Rauch und Rechnungen

Hufschmied Jochen Hermann bereitet ein Hufeisen vor.
Hufschmied Jochen Hermann bereitet ein Hufeisen vor. © Deutschlandradio - Uschi Götz
Von Uschi Götz · 24.05.2017
Etwa 5000 Hufschmiede gibt es in Deutschland, und die sind schwer gefragt. Ihr Wissen und Können gilt im internationalen Vergleich als hervorragend. Die traditionelle Arbeit mit Amboss und Hammer ist anstrengend, aber Hufschmied Jochen Herrmann liebt seinen Beruf.
"Als erstes habe ich das Pferd angeguckt, habe das beurteilt, was gewachsen ist, wie viel gewachsen ist. Wie das Pferd auffußt, wie es die Gliedmaßen führt, und jetzt wird das erste Eisen abgenommen, dann der Rest."
Unaufgeregt steht Kathi, ein Isländer-Pferd, in der Stallgasse und schaut zu, wie sich Jochen Hermann einen Lederschurz um den Leib bindet. Über den großen Pferdeweiden am Fuße der Schwäbischen Alb geht die Sonne auf.
Hermann packt seine Utensilien aus: Amboss, Bock und eine Kiste mit Werkzeugen. "Mit Nostalgie hat das alles nichts zu tun", sagt er ungefragt in die Stille und nimmt das erste Bein von Kathi hoch. Ein langer Arbeitstag beginnt.
"Jetzt öffne ich die Nieten, beim Eisen abnehmen, mit einer Nietklinge und einem Schlegel, ein Klopfholz, das wird noch ganz traditionell gemacht."
Tierarzt wollte Hermann werden, doch für ein Studium reichte sein Abiturschnitt nicht. So wurde er Hufschmied, wie einige seiner Vorfahren.

Durchhaltevermögen ist gefragt

Früher war er Leistungssportler, im Team ist er Rad gefahren. Sein Durchhaltevermögen kommt dem athletisch aussehenden 50-Jährigen bis heute im Job zugute: Von morgens bis spät am Abend kommt er ohne Essen und Trinken aus. Das beweist er auch an diesem Tag.
Hufschmied Jochen Hermann setzt ein Hufeisen auf.
Hufschmied Jochen Hermann setzt ein Hufeisen auf.© Deutschlandradio - Uschi Götz
In leicht gebückter Haltung klemmt Hermann ein Pferdebein zwischen seine Beine, und er macht das erste alte Eisen weg. Ein Eisen nach dem anderen entfernt er so, danach werden die Hufen mit einem Hufmesser ausgeschnitten:
"Das Sohlenhorn ist ein amorphes Horn, das trägt nicht das Gewicht des Pferdes, die äußere Kapsel, die trägt das Gewicht vom Pferd, da hängt das Pferd drin. Das wird alles zurückgenommen, bis ich eine plane Fläche habe, um das Eisen dann aufzubrennen."
Von der Schwäbischen Alb bis weit ins Neckartal reicht Hermanns Kundschaft. Etwa 5000 Hufschmiede gibt es deutschlandweit. Viel zu wenig, Anfragen muss Hermann deshalb oft ablehnen.

Deutsche Hufschmiede haben einen guten Ruf

Deutschland zählt international zu den wichtigsten Pferdesport- und Zuchtnationen. Über eine Million Gäule gibt es hierzulande. Weit über die Grenzen hinaus begehrt sind auch deutsche Hufschmiede. Ihr Wissen und Können gilt im internationalen Vergleich als hervorragend.
Hufschmiede haben eine fünfjährige Ausbildung hinter sich, in fast keinem anderen Land gelten so hohe Voraussetzungen für ein Handwerk. Doch in vielen Bundesländern fehlt es an Nachwuchs. Die lange Ausbildungszeit und unregelmäßige Arbeitszeiten schrecken viele ab.
Dabei ist der Beruf sehr angesehen. Tierärzte arbeiten gerne mit den Experten für Pferdebeine zusammen, umgekehrt gilt das auch:
"Es gibt Fortbildungen für Hufschmiede und Tierärzte, das sind die Fortbildungen, auf die ich am Gernsten gehe."
Hermann glättet reihum die Hufunterseiten von Kathi. Ein paar Meter vom Pferd entfernt steht schon der Ofen bereit, eine Gas-Esse, darin werden die Eisen auf 900 Grad erhitzt:
"Damit werden sie teigweich und ich kann die nachher prima bearbeiten. Und ich habe noch genug Hitze übrig, um das Eisen auf den Huf zu drücken, zu überprüfen, ob die Größe und die Form meines Eisens auch passt."
Mit einer Zange holt Hermann das glühende Eisen aus dem Ofen, bearbeitet es auf dem Amboss und geht dann damit zum Pferd:
"Das Pferd spürt von dieser ganzen Sache nichts, das Horn schmilzt jetzt, deswegen raucht das auch. Und ich kann jetzt die Position meiner Nadellöcher, meiner seitlichen Stoßkappen, so genannte Aufzüge, den Sitz vom Eisen kann ich jetzt ganz genau kontrollieren, auch wie genau ich gearbeitet habe."

Es riecht nach Schwefel

Über Kathi steigt dichter Rauch auf, der sich gleich in der ganzen Stallgasse ausbreitet. Es riecht nach Schwefel, ein Geruch der bei verbrennendem Horn entsteht. Kathi schaut entspannt der Katze hinterher.
Beim Aufschmelzen des Eisens auf den Huf steigt dichter Rauch auf. Islandpferd Kathi bleibt ganz gelassen.
Beim Aufschmelzen des Eisens auf den Huf steigt dichter Rauch auf. Islandpferd Kathi bleibt ganz gelassen.© Deutschlandradio - Uschi Götz
Im nächsten Schritt wird das Eisen in einem Eimer abgekühlt. Und so geht das jetzt viermal.
"Das Eisen wird plan geschmiedet, auf Form gebracht und auch jetzt wieder aufgebrannt."
Mit einem Beschlaghammer werden die abgekühlten Eisen anschließend mit Hufnägeln befestigt. Knapp eine Stunde hat der Beschlag gedauert, Hermann bringt Kathi zur Herde zurück und schaut, wie sie auf den neuen Eisen läuft. Passt! In acht Wochen kommt er wieder.
Hermann ist fertig, schreibt die Rechnung und fährt zum nächsten Hof. Der Job mache nicht reich, erzählt er unterwegs, aber mit einem Plan und Disziplin verdiene man so viel wie ein Facharbeiter in der Metallbranche:
"Man muss einfach eine gewisse Anzahl Pferde am Tag machen, um einen gewissen Betrag zu erwirtschaften, und man kann davon gut leben."

Langer Arbeitstag

Im Vergleich zum Facharbeiter müssen sich Hufschmiede allerdings selbst versichern und auch alleine fürs Alter vorsorgen. Ohne seine Frau geht nichts, erzählt Hermann ungeniert. Sie managt die ganze Bürokratie, die ständig zunimmt.
Kommt er spätabends nach Hause, hat er für den Schriftkram keinen Nerv mehr. Doch bis heute ist er gerne Hufschmied:
"Der Beruf an sich hat sich nicht verändert. Es ist alles gleich geblieben, bis auf dass die Besitzer sich immer mehr emanzipieren und auch mitsprechen und auch genau ausdrücken, was sie eigentlich gerne möchten. Das ist auch gut so."
Auf zwei Höfen warten noch Pferde, Hufschmied Hermann wird heute nicht vor 23 Uhr zu Hause sein. Doch einen anderen Beruf kann und will er sich nicht vorstellen.
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