Amerikanische Flusskrebse in Berlin

Von der Plage zur Delikatesse

Klaus Hidde, Fischer, zeigt einen Amerikanischen Flusskrebs im Tiergarten. Um den Bestand der Krebse in den Gewässern im Tiergarten und im Britzer Garten zu verringern, hat nun ein Fischereibetrieb die Erlaubnis zum Fang der Tiere bekommen
Klaus Hidde, gelernter Banker, ist Fischer im Tiergarten und der einzige, der die Flusskrebse fangen darf. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Von Anna Seibt · 15.05.2018
Erst galten die Amerikanischen Flusskrebse, die sich im Berliner Tiergarten breit machten, als Plage. Mittlerweile ist klar: Sie können gefahrlos verspeist werden. Und zwei Geschäftsmänner wollen die Krebse nun im großen Stil auf die Teller bringen.
"Du nimmst den Krebs in die Hand und drehst seitlich den Kopf weg. Auf den Rücken legen, grade machen. Die Rückenplatten aufbrechen und ziehst den letzten Rest aus dem Schwanzstück raus und dann hast du ihn fertig."
Matthias Engels sitzt vor seinem Fischstand in einer Berliner Markthalle. In der Hand hält er einen leuchtend roten, gekochten Krebs. Der ist etwa zehn Zenitmeter lang und erinnert an einen kleinen Hummer. Fachmännisch befreit Engels das Tier von seiner Schale. Betupft das rötlich-weiße Fleisch mit ein bisschen selbstgemachter Wasserkresse-Majonaise und hält es mir hin.
Anna: "Schmeckt ganz anders als ich dachte."
Engels: "Schmeckt wie Krebs"
Das feste Fleisch riecht leicht nach Fisch und schmeckt angenehm mild. Als Laie könnte man den Geschmack mit dem einer Garnele verwechseln. Matthias Engels aber ist Profi und will den Krebs aus Berlin ganz groß rausbringen.

Bisher eine eher unbekannte Delikatesse

"Wir haben inzwischen mehrere Anfragen von Berliner Köchen. Wir arbeiten mit dem Philipp Liebisch zusammen, der als Sternekoch in Bautzen arbeitet."
Noch ist die Delikatesse eher unbekannt. Am Fischstand von Matthias Engels ziehen die knallroten Krabbeltiere auf Eis zwar die Blicke auf sich. Passanten machen Fotos, wollen aber lieber erstmal nur gucken statt kaufen. Zwei mutige Kunden schlagen dann doch noch zu.
Engels: "Dann sind wir bei 23,60."
Kunde: "Ja, und dann wollen wir einfach noch vier Stück von den Krebsen da. Einfach mal zum Ausprobieren. Wir knacken die jetzt. In Frankreich gibt es die Crevetten. Und so esse ich die jetzt auch. Einfach kalt und so wie sie sind."
Was viele wissen, die Tiere kommen nicht etwa aus dem Meer, sondern aus einem Teich im Berliner Tiergarten. Der Amerikanische Sumpfkrebs galt erst als eine mit Schwermetallen belastete Plage, bevor es Entwarnung gab und erst jetzt klar ist: Die Tiere können gefahrlos verspeist werden. Als ich das alles erzähle, stört es niemanden. Im Gegenteil:
"Kauf dir Scampis, da hast du sie aus chinesischen Flüssen. Ich glaube, das ist deutlich ekliger."
Zumindest sind die Krebse ganz frisch. Erst vor drei Tagen wurden sie aus dem Berliner Tiergarten geholt. Fischer Klaus Hidde hat sich eine Anglerhose angezogen und steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Seit Tagen liegen seine Reusen hier im Teich.
Hidde: "Gerade eben waren die doch noch nebeneinander."
Etwa 200 Amerikanische Sumpfkrebse hat Hidde heute schon aus den Reusen geschüttelt. Im letzten Netz, das er kontrolliert, haben sich etwa 30 Tiere verfangen. Er kippt sie in einen Plastikeimer, der neben ihm auf dem Wasser schwimmt. Und dann passiert's.

Noch rechnet sich das Fischerei-Monopol nicht

Hidde: "Na, warum willst du nicht?"
Der letzte Krebs im Netz hat Fischer Hidde in den Finger gezwickt. Etwas verwundert schaut der auf seinen blutenden Daumen. Das ist ihm noch nie passiert. Dabei kennt er sich eigentlich mit Krebsen aus.
"Ich hatte mal vor 40 Jahren damit zu tun gehabt. Da gab es ja noch die heimischen Krebse. Und da hat man damals schon für einen Krebs 50 Cent bekommen. Äh, nicht Cent, sondern Pfennig. Da hat man teilweise sogar 500 Krebse in der Havel gefangen, in der Woche."
Klaus Hidde ist der einzige Fischer in Berlin, der die Amerikanischen Sumpfkrebse fangen darf. Ein Monopol, das sich für den gelernten Banker noch nicht rechnet. Auch, weil Matthias Engels von der Markthalle bisher sein einziger Abnehmer ist.
Aber wer weiß? Vielleicht sind Hidde und Engels ja Pioniere eines neuen, hyperregionalen Food-Trends aus der Hauptstadt. Mathias Engles zumindest sieht seinen neuen Klassiker im Fischregal schon vor sich: eine Dose mit der Aufschrift "Berlin Lobster".
"Wir sind noch am überlegen, ob wir da tatsächlich eine Konserve von machen. Dass du das auch mit nach Hause nehmen kannst, als Berlin-Besucher."
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