Am Tropf des Schwarzen Goldes

14.09.2010
Jeff Rubin gehört zu den gefragtesten Wirtschaftsexperten weltweit. In seinem Buch stellt er komplexe ökonomische Zusammenhänge als verständliche Grundprinzipien dar und rechnet detailgenau vor, warum die Weltwirtschaft so sehr von der Ölgewinnung abhängig ist.
Heiß brennt die Sonne auf die Wüstenstadt Dubai. In einer Freizeitanlage geben sich Sportfans einem besonderen Vergnügen hin: Ski fahren. Fünf Pisten in allen Schwierigkeitsgraden stehen zur Verfügung, bis hin zum "Black Run". Hier stürzen sich nur die besten Fahrer in die Tiefe, mit dicken Handschuhen und Thermoanzügen.

In seinem Buch "Warum die Welt immer kleiner wird" erklärt der kanadische Ökonom und Wirtschaftsjournalist Jeff Rubin, was unsere Gewohnheiten mit dem Snobismus in Dubai gemeinsam haben. Kaffee und Kiwi zum Frühstück, mit dem Auto die Kinder zur Schule bringen, an einem Computer arbeiten, dessen Innenleben in ganz Asien zusammengekauft wurde, ein beheiztes Eigenheim genießen – nur preiswertes Öl macht das möglich.

Natürlich wissen wir es alle. Unser Wohlleben ist abhängig vom Schwarzen Gold und das ist eine endliche Ressource. Geht sie zur Neige, kann es nicht weitergehen wie bisher. Jeff Rubin bleibt nicht bei Allgemeinplätzen stehen. Mit dem brutalen Charme eines Mathematiklehrers, der seinen Taschenrechner zückt, rechnet der Autor nach, auf Punkt und Komma, Barrel und Prozent. Schon jetzt treibt die Abhängigkeit vom Öl die Weltwirtschaft in einen Kreislauf zyklischer Rezessionen. Obwohl die Nachfrage steigt, vermehrt sich das Angebot nicht, wie konservative Ökonomen noch immer behaupten. Jeff Rubin klopft die Erdöl-Regionen der Erde akribisch ab. Wohin er auch schaut: Es quillt immer weniger aus Erde, von immer schlechterer Qualität.

Auch die Nachfrage verhält sich paradox. Obwohl der fossile Brennstoff kostbarer wird, wird er an manchen Orten der Welt auch preiswerter. Zum Beispiel an Benzin-Zapfsäulen in Venezuela oder dem Iran. Damit die Wirtschaft weiter wächst, pumpen ölexportierende Schwellenländer gigantische Subventionen in billige Energie. Das können sie auch, denn je teurer das Öl auf dem Weltmarkt wird, umso mehr Geld nehmen sie ein. Umso billiger können sie das Öl zu Hause machen - und umso schneller wird der letzte Rest verbraucht.

Was Jeff Rubin darlegt, ist nicht in allen Punkten neu. Größere Teile des Buches befassen sich mit der ökonomischen Situation in Nordamerika. Was die Lektüre so stark macht, ist Rubins Überblick, sind seine schnellen Cuts vom Bohrturm zur Immobilienblase, von "Ski Dubai" zum Kohlebergbau in China. Eindringlich und exakt schreibt der Autor, bricht komplexe ökonomische Zusammenhänge auf klar verständliche Grundprinzipien runter.

Und die Zukunft? Jeff Rubin ist sich sicher: Unsere Welt wird kleiner werden. Flugreisen kann sich niemand mehr leisten. Das Auto schaffen wir ab. Hosen und Hemden näht wieder die Textilfabrik um die Ecke. Ärmer werden wir sein. Und regionaler. Bauern, Handwerker, Industriezweige vor Ort steigen wie Phönix aus der Asche. Die Länder des globalen Südens wird der Rückbau der Globalisierung allerdings hart treffen. Was sollen Menschen essen, wo bis zum Horizont nur langstielige Rosen wachsen? Jeff Rubins Szenario fällt beängstigend aus. Und befreiend. Es ist brilliant geschrieben, zwingend argumentiert. Ein großartiges Buch über die Welt am Ende des Wachstums.

Besprochen von Susanne Billig

Jeff Rubin: Warum die Welt immer kleiner wird - Öl und das Ende der Globalisierung
Aus dem Englischen übersetzt von Karsten Petersen
Hanser Verlag, München 2010
282 Seiten, 19,90 Euro
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