Am Rande der Sperrzone in Fukushima

Von Peter Kujath · 11.10.2012
Nach der Katastrophe von Fukushima vor gut eineinhalb Jahren mussten rund 80.000 Menschen aus elf Gemeinden das Gebiet rund um das havarierte Atomkraftwerk verlassen. Seit April 2012 kehren die ersten Evakuierten in ihre Heimat zurück.
"Ob sich meine Entscheidung später als richtig herausstellen wird, weiß ich nicht. Vielleicht können meine Enkel oder Urenkel das beurteilen, aber ich kann jetzt nur mein Bestes geben. Ich will niemanden zwingen, nach Kawauchi zurückzukommen. Aber ich glaube, jeder braucht einen speziellen Ort, seine Heimat. Ich bin hier in Kawauchi geboren und aufgewachsen. Ich finde es deshalb wichtig, alles zu tun, damit die Menschen zurückkommen können."

Yuko Endo ist der Bürgermeister von Kawauchi, einem Ort oder besser Landkreis 20 bis 30 Kilometer südwestlich des havarierten AKWs Fukushima 1. Damals am 16. März 2011 ordnete er die Evakuierung der rund 3500 Bewohner an. Denn die radioaktive Belastung in Kawauchi war auf bis zu zehn Mikro-Sievert pro Stunde angestiegen.

"Am 31. Januar hatte ich angekündigt, dass ich gemeinsam mit einem Teil der Verwaltung hierher zurückkommen werde.

Und am 1. April, als die Zentralregierung die Sperrzone lockerte, setzte Endo sein Vorhaben in die Tat um. Gefolgt sind dem Bürgermeister bisher einige Hundert Einwohner."

"Wir sind im April zurückgekommen. Wir wollten unseren Laden wieder aufmachen. Dafür mussten wir natürlich alles in Ordnung bringen."

Tamae Aoyama ist 62 Jahre alt und gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Kawauchi zurückgekehrt. Seit Jahrzehnten betreibt sie hier einen Ramen- einen Nudelladen.

"Natürlich wussten wir nicht, ob die Kunden auch zurückkommen werden. Zum Glück haben wir jetzt mehr Besucher als früher. Denn die Menschen, die hier bei den Aufbauarbeiten oder der Dekontaminierung helfen, kommen zu uns zum Essen."

An den verschiedenen Messstellen im Landkreis Kawauchi ist abzulesen, wie hoch die Belastung in der Luft ist. Mit Werten zwischen 0,2 und 0,5 Mikrosievert pro Stunde ist sie geringer als im 50 Kilometer entfernten Koriyama, wo viele der ehemaligen Bewohner jetzt leben. Das gilt zumindest für die Bereiche, die bereits dekontaminiert wurden.

"Um den Sorgen der Menschen entgegen zu wirken, legen wir sehr großen Wert auf die Dekontaminierung. 100 Prozent der öffentlichen Anlagen wurden bereits gereinigt. 60 Prozent der privaten Häuser und der dazugehörenden Felder haben wir ebenfalls dekontaminiert. Bis zum Ende des Jahres werden wir 100 Prozent erreichen."

In den umliegenden Wäldern sieht es anders aus. Darüber ist sich Bürgermeister Yuko Endo im Klaren. Deshalb erhält jeder Heimkehrer einen Geigerzähler, um selbst messen zu können. Strom, Gas, Wasser und auch die Müllabfuhr funktionieren. Ein Ärztezentrum hat ebenfalls wieder geöffnet. Dort wird auch psychologische Betreuung angeboten.

"Für die Menschen ist die Frage des Arbeitsplatzes natürlich entscheidend. Nur wer eine Arbeit hat, wird auch zurückkommen. Wir haben es geschafft, drei Firmen zur Gründung eines kleinen Betriebs hier zu bewegen. Das ist schon entschieden und die Bauarbeiten laufen gerade an. Solche Dinge machen mir Mut."
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