Am Hindukusch oder anderswo

Von Martin Burkert · 24.02.2010
Eine Auftragsproduktion des Bonner Theaters befasst sich mit dem Einsatz deutscher Soldaten im Ausland. Das ist ein Thema, vor dem die Bühnen eher zurückschrecken, weil es täglich durchs Fernsehen flimmert. Der in Bonn lebende Autor Lothar Kittstein, Jahrgang 1970, erfindet eine brennglasartige Situation, in der Standpunkte und Emotionen theatral wirksam aufeinander stoßen.
Afghanistan wird nicht genannt, aber alles deutet hin auf den legendären Hindukusch. Die Geschichte spielt in wilden, menschenleeren Bergen. Drei deutsche Soldaten in Friedensmission, zwei Männer, eine Frau, haben eine Autopanne. Sie liegen mit ihrem kaputten Fahrzeug an einer ehemaligen Impfstation. Dieses Haus gibt auch den Titel des Stückes. Hier starteten einst die Alliierten ihre Mission für den Frieden, gegen Mikroorganismen und für die Gesundheit der Menschen. Die Bevölkerung hat die Impfstation jedoch nicht angenommen, einerseits weil sie die umkämpfte Gegend verlassen hat, andererseits, weil sie allen Maßnahmen der Ausländer misstraut. "Haus des Friedens" verweist gleichzeitig auf das mit Stacheldraht abgeschottete Lager der Bundeswehr, in einer alles andere als friedlicher werdenden Gegend.

Die Ausnahmesituation in den Bergen lässt grundsätzliche Probleme der "kriegsähnlichen" Situation aufscheinen, von Langeweile über Angst bis zur Wut über die Undankbarkeit der Einheimischen und der Deutschen. Der jüngere Soldat Lorenz soll den Wagen flott machen und braucht sehr lange dafür. Vermutlich ist er froh über die Auszeit im Gebirge. Unten in der Stadt droht ständig die selbst gebastelte Bombe. Mit so einer ist sein Kamerad kürzlich in die Luft geflogen. Jost, der alt gedienten Chef der Patrouille trinkt deswegen zu viel, weil er sich halb schuldig fühlt. Die beiden Männer verbindet eine Art Vater-Sohn-Beziehung, die von der jungen Marie gestört wird. Erstens ist sie eine Frau, zweitens zu idealistisch.

"Die wollen uns hier nicht!" sagt der zum Zyniker gewordene Jost. "Für die sind wir der letzte Dreck. Abschaum!" "Das werden wir ändern!" entgegnet Marie, die gerade ins Land gekommene Soldatin. "Ich kämpfe für etwas Gutes, die Demokratie. Ich will, dass Mädchen in Schulen gehen dürfen und dass Wahlen stattfinden." Dazu zitiert sie Obama: "Wir ändern die Welt!" Das findet der Kommandeur wenig amüsant: "Oh, nein. Die haben mir eine verdammte Jungfrau von Orleans geschickt."

Das Stück entwickelt modellhaft den Konflikt zwischen Realismus und Idealismus. Beide Männer sind irritiert über und gleichzeitig fasziniert von Marie, die sich mit Überzeugung und Gottesglaube zu diesem Einsatz gemeldet hat. Einen Sinn sehen die beiden Soldaten im Einsatz schon lange nicht mehr. Dann eskaliert die Geschichte. Alkohol, die Stille der Berge und der Geruch einer Frau führen zu Aggressionen und sexuellen Begehrlichkeiten. Marie wehrt die beiden ab. Zu spektakulären Übergriffen, Körperverletzung, Totschlag oder Vergewaltigung kommt es nicht.

Regisseur Stefan Heiseke inszeniert kein vereinfachendes Antikriegsstück und doch ein Statement gegen diesen vermeintlichen Friedenseinsatz. Sein Konzept setzt weniger auf ein psychologisches Spiel. Er will Ideen und Haltungen ausstellen. Das Geschehen ist in einen leeren, dunklen Raum gesetzt mit wenigen Requisiten. Spots beleuchten die Figuren, die sich meist in Duo-Szenen begegnen. Dabei stehen oder sitzen sie fast immer eng beieinander. So wird emotionale Spannung aufgebaut, die trotzdem das Neudenken der Situation, abseits der eher brutalen Fernsehbilder, erlaubt und fördert. Konstantin Lindhorst als jüngerer Soldat und Bernd Braun als alter Haudegen mit Glatze spielen sehr dicht und konzentriert. Eine ganz großartige Partie zeigt Maria Munkert als Marie. Sie spannt einen eindringlichen Bogen von der taffen, disziplinierten Soldatin zur selbstbewussten Idealistin.

Mit "Haus des Friedens" präsentiert das Theater Bonn eine Uraufführung am Puls der Zeit, die das Zeug hat von anderen Theatern nachgespielt und ins Repertoire der zeitgenössischen Dramatik eingereiht zu werden.

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