Am Grill der King

Die letzte Männerbastion

Teilnehmer der Deutschen Grill- und BBQ-Meisterschaft 2014 grillen in Schweinfurt.
Deutsche Grill- und BBQ-Meisterschaft 2014 © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Markus Schreckhaas im Gespräch mit Ute Welty · 06.08.2016
Grillen ohne Bratwurst – geht das? Es geht, zumindest bei der 21. Deutschen Grill- und BBQ-Meisterschaft: Dort steht zum ersten Mal kein Bratwurstgericht auf dem Programm. Aber immerhin grillt noch der Mann, sagt der Kulturwissenschaftler Markus Schreckhaas.
Tausende Zuschauer werden erwartet, wenn am Wochenende in Fulda wieder 50 Teams aus ganz Deutschland um den Titel des Deutschen Grillkönigs 2016 grillen. Erstmals steht dabei kein Bratwurstgericht auf dem Programm - Zeichen für einen Paradigmenwechsel am Grill?
Nein, meint der Kulturwissenschaftler und Ernährungsforscher Markus Schreckhaas von der Universität Regensburg. "Jedes Jahr aufs Neue irgendwie die beste Bratwurst irgendwie zu braten, das ist dann auch irgendwann langweilig." Zwar gebe es viele Bratwurstvariationen: "Aber der reine Garprozess einer Bratwurst, der ist dann auch irgendwann erzählt."

Ernährer und Entertainer am Grill - das gefällt Männern

Andererseits gehe die Tatsache, dass es zehn Prozent Vegetarier in der Bevölkerung gebe und eine wachsende Anzahl an Veganern, am Grill nicht spurlos vorbei, sagt Schreckhaas. Heute werde niemand mehr schief angeguckt, der zu einem Grillabend Gemüse mitbringe: "Das war vielleicht vor fünf, sechs, sieben Jahren noch anders."
Ein anderes Grill-Paradigma hingegen ist ungebrochen, nämlich, dass Grillen Männersache ist. Eine jüngeren Umfrage zufolge stünden etwa 80 Prozent der Männer gern am Grill. Frauen dagegen machen lieber die Beilagen.
"Beim Grillen hat man noch eine Domäne, wo der Mann genau das sein kann. Er kann den Ernährer spielen, er kann auch am Grill ein bisschen den Entertainer spielen und steht dann ein bisschen im Mittelpunkt."

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Spareribs, Fisch, Rindfleisch und Dessert, mindestens diese vier Gänge müssen alle Teilnehmer der Deutschen Grill- und Barbecue-Meisterschaften zubereiten, die an diesem Wochenende in Fulda stattfindet. Das sind plus/minus 500 Menschen, für die Grillen eine äußerst ernste Angelegenheit ist. Die anderen gefühlten 50 Millionen in Deutschland grillen heute, morgen oder übermorgen vor allem aus Spaß an der Freud', aber auch der unterliegt einer gewissen Systematik, mit der sich Markus Schreckhaas intensiv auseinandergesetzt hat, Kulturwissenschaftler an der Uni Regensburg. Guten Morgen!
Markus Schreckhaas: Schönen guten Morgen nach Berlin!
Welty: Die Deutschen Grillmeisterschaften verzichten erstmals auf das Grillen von Bratwurst. Das klingt ja nach einem Paradigmenwechsel in der Geschichte des Grillens!
Schreckhaas: Ja, das klingt nach einem Paradigmenwechsel, ganz klar. Aber wir müssen auch schauen: Dieses Grill-Event ist eine ganz besondere Veranstaltung und richtet sich an eine ganz besondere Szene, die dort aktiv ist. Das breite Publikum, der Großteil der Bevölkerung ist hier doch eher Zuschauer und möchte mal reinschmecken und reinprobieren, und man muss dann ganz klar schauen vonseiten der Veranstalter: Jedes Jahr aufs Neue irgendwie die beste Bratwurst zu braten, das ist dann auch irgendwann langweilig.
Welty: Gibt da nicht so viele Variationsmöglichkeiten.
Schreckhaas: Da gibt es dann irgendwie nicht so viel Variation, es gibt viele Bratwurstvariationen, das hat aber dann was mit vielleicht dem Metzger zu tun oder wo das Fleisch herkommt et cetera, et cetera. Aber der reine Garprozess von einer Bratwurst, der ist dann irgendwann auch erzählt.

Grillgemüse ist inzwischen akzeptiert

Welty: Apropos Variation, wir sehen ja insgesamt einen starken Trend zu vegetarisch und vegan, das geht wahrscheinlich am Grillen auch nicht vorbei, oder?
Schreckhaas: Zum Teil ja, zum Teil nein. Ich meine, immerhin haben wir in der Bevölkerung circa zehn Prozent Vegetarier und auch eine wachsende Anzahl an Veganern. Und das geht natürlich nicht am Grill vorbei. Man muss aber hier ganz genau hingucken, wo wird denn gegrillt? Im privaten Bereich, wenn ich mich mit Freunden verabrede, ganz klassisch im Park grille und unter meinen Freunden befinden sich ein paar Vegetarier oder Veganer und bringen dann Grillgemüse mit, da wird heute ja keiner mehr schief angeschaut.
Das war vielleicht vor, ja, fünf, sechs, sieben Jahren noch etwas anders, da musste man darüber vielleicht ein bisschen diskutieren, warum, was soll das Ganze. Aber mittlerweile ist das total akzeptiert im privaten Bereich. Vegetarier hat jeder in seinem Freundeskreis, es ist eine akzeptierte und bekannte Sache.
Welty: Fleisch kann, muss aber nicht. Aber wer nicht grillt oder grillen generell nicht mag, der gilt ja schon fast als Outlaw. Was tut denn grillen für die Gemeinschaft, auch im Unterschied zu anderen Gelegenheiten, bei denen man zusammen isst?
Schreckhaas: Grillen ist ein egalitärer Akt. Wenn wir uns verabreden zum Grillen, dann ist es ein gemeinschaftlicher Moment. Grillen schließt niemanden aus, ist also eine hohe soziale Komponente, die wir alle so sehr mögen. Vergleichen wir das mal direkt mit der Situation im Restaurant: Wir treffen uns mit Freunden zum Abendessen im Restaurant.
Dann ist der Akt gepflastert mit Reglements, mit Verhaltenskodizes, an die ich mich halten muss, trete ich ins Fettnäpfchen, angefangen bei der Platzwahl bis hin zu wer zahlt denn die Rechnung und mein Nachbar hatte das viel größere Schnitzel auf dem Teller und so weiter und so fort. Laufen ganz viele Programme mehr oder weniger ausgeprägt bei jedem von uns ab, immer unbewusst natürlich. Und das haben wir beim Grillen natürlich nicht. Da bringt jeder was mit, man kann sich total satt essen und wenn man Hunger hat, gibt es halt noch ein Würstchen hinten drauf. Es ist eine wunderbare Sache.

Frauen stehen nicht gern am Grill

Welty: Sie sagen, vor dem Grill ist jeder gleich. Aber ich sehe einen ganz großen Unterschied, denn vor dem Grill steht auf jeden Fall der Mann. Das gilt auch für Männer, die bei ihnen zu Hause gar nicht wissen, wo sich die Küche befindet, sie tragen dann ein Bier in der Hand und eine lustige Schürze um den Bauch.
Schreckhaas: Ja, genau.
Welty: Sieht so das letzte Refugium des Mannes aus?
Schreckhaas: Ja, das könnte man echt glauben. Also, eine jüngere Umfrage legt nahe, dass circa 80 Prozent der Männer gerne am Grill stehen und dann die Grillzange auch nicht aus der Hand geben. Und interessanterweise sagt die Mehrzahl der Frauen auch, dass sie nicht unbedingt so gerne am Grill stehen, sondern eher irgendwie die Beilagen herrichten und so weiter.
Welty: Ich mach dann mal 'nen Salat!
Schreckhaas: Genau, ich bringe dann den Salat mit und du wirfst das große Steak auf den Grill. Das ist eine ganz interessante Sache, das hat aber was zu tun mit erlernten Rollenmustern, ganz klar, ja.
Welty: Hat das auch was damit zu tun, dass es sozusagen das alte Bild noch mal von dem Mann als Bewacher, der Jäger und Sammler, während die Frau zu Hause die Kinder hütet?
Schreckhaas: Ja, das ist … Genau, genau, Sie sprechen alle wichtigen Stichpunkte an, das ist ein zweites Erklärungsmuster. Wir leben natürlich jetzt in einer Zeit, zum Glück, sage ich als Privatmensch, in der die alten Rollenmuster natürlich aufbrechen. Beim Grillen hat man aber noch eine Domäne, wo der Mann genau das sein kann. Er kann den Ernährer spielen. Er kann auch am Grill ein bisschen den Entertainer spielen und, ja, steht dann ein bisschen im Mittelpunkt. Denn wenn man mal vom Grillen absieht, im Alltag sind die Rollenverhältnisse aufgebrochen und das führt zu einer Verunsicherung bei vielen Männern.

Der Super-Grill als Statussymbol

Welty: Nicht nur für das Grillgut, sondern auch für das Grillgerät kann man jede Menge Kohle ausgeben. Andere Leute kaufen dafür einen Kleinwagen. Ersetzt der Grill das Auto als Statussymbol?
Schreckhaas: Ja, der Grill … Also, es gibt Grillgeräte, die kosten weit über 1.000 Euro, 2.000 Euro, die Sie mit Ihrem Smartphone ansteuern können et cetera. Da ist dann natürlich völlig klar, dass sich so Geräte als Statussymbol eignen. Ich würde fast sagen, so ein Gerät, wenn es dann schön auf der Terrasse im Garten steht, das ist eher ein Möbelstück. Das ist eher ein Möbelstück und dient gar nicht mehr primär dazu, irgendwie Fleisch zu garen. Und wenn Sie dann Freunde eingeladen haben, dann können Sie das natürlich ganz schön vorführen, Ihren Smoker, den Sie seit 20 Stunden am Laufen haben und der vollautomatisch hier irgendwie zehn Kilogramm Schweineschulter smokt. Das dient also sehr, sehr gut als Statussymbol, keine Frage!
Welty: Grillen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, heiße Perspektiven vom Kulturwissenschaftler Marks Schreckhaas. Ich danke fürs Gespräch und ich wünsche allzeit eine Handbreit Glut unterm Steak!
Schreckhaas: Ich bedanke mich, Frau Welty, Grüße nach Berlin!
Welty: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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