Alternative Rollenbilder in der Popmusik

Mann, Musiker und Feminist

Musik-Legende John Lennon in Cannes am 17.5.1971
John Lennon - einer der ersten Männer, die auch als Popmusiker für Frauenrechte eintraten. © AFP
Von Jutta Petermann  · 28.11.2017
John Lennon, Kurt Cobain oder Chuck D - Schon lange vor der #meetoo-Debatte haben Popmusiker feministische Positionen bezogen und dem Sexismus den Kampf angesagt - aber nicht immer ohne jegliche Hintergedanken.
Als Gloria Gaynor vor bald 40 Jahre den Disco Hit "I will survive" (1978) sang, interessierte nur wenige, dass der Song ein Werk von zwei Männern war: Freddie Perren and Dino Fekaris schrieben der Disco Queen die feministische Pophymne über eine Emanzipation auf den Leib. Und Otis Redding war es, der schon 1965 mit "Respect" Aretha Franklins Hymne auf die starke Frau textete und komponierte.
Dass John Lennon seine Gedanken zur Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen sogar selbst am Mikrofon sang, war in den 1970ern noch ein Unikum und wurde erst in den 1990ern die Regel.
Cobain: "Vergewaltigung ist eines der schlimmsten Verbrechen auf der Welt. Und es geschieht alle paar Minuten. Das Problem mit Gruppen, die sich mit Vergewaltigung beschäftigen, ist, dass sie Frauen darüber aufklären wollen, wie sie sich verteidigen können. Was wirklich geschehen muss: Männer müssen darin geschult werden, niemanden zu vergewaltigen. Man muss bei der Quelle anfangen."

Kurt Cobain will Frauen nicht einfach nur den Rücken stärken, er will, wie die Feministinnen an die Wurzel des Problems. Grunge Kollege Eddie Vedder von Pearl Jam propagiert zur gleichen Zeit auf Konzerten das Recht der Frauen auf Abtreibung. Sonic Youth fragen zusammen mit LL Kool J im Song "Kool Thing":
"Wirst Du uns Frauen von der vereinten männlichen weißen Unterdrückung befreien? Hast Du Angst vor einem weiblichen Planeten?"
Nirvana-Sänger Kurt Cobain
Kurt Cobain sagte: "Vergewaltigung ist eines der schlimmsten Verbrechen auf der Welt."© imago/Future Image

Rappen gegen Sexismus

In den 90ern wird es also wirklich ungemütlich für die Männer, denn jetzt stellen auch Männer ihren Geschlechtsgenossen unbequeme Fragen von der Bühne herunter. HipHopper Chuck D rapt nicht nur gegen Sexismus im HipHop, er fördert gezielt RapperInnen. Selbst die Rüpel von den Beasty Boys rappen im Song "Sure Shot" gegen das Herabsetzen von Frauen. Dennoch: Susanne Binas-Preisendörfer, Professorin für Musik und Medien mit Schwerpunkt Popmusik an der Uni Oldenburg bleibt dem feministischen Impetus der Pop-Männer gegenüber skeptisch:
"Der Wunsch ein alternatives Rollenbild zu haben, dafür steht Pop ja schon immer. Pop spielt mit Ironie, Pop spielt mit dem Anderen, dem Begehren am Anderen, Pop spielt mit Normen, die gebrochen werden, da kann man schon anfangen mit Elvis Presley, der mit seinen Körperbewegungen das Männerbild des weißen US-Amerikaners extrem unterlaufen hat und gestört hat."
Preisendörfer spricht einzelnen Popmusikern nicht ab, dass ihnen ihre feministischen Positionen ein echtes Anliegen sind. Die Tradition von männlichen Feministen im Pop sieht sie jedoch vor allem darin begründet, dass Feminismus immer mal wieder Konjunktur hat in den Medien. So wie aktuell im Zusammenhang mit der‚ #meetoo Debatte.

Zielgruppe Frau

Countryrocker Keith Urban hängt ein wenig der Ruch eines Trittbrettfahrers an mit seiner jüngst erschienenen gefälligen Ode darüber, was Frauen als Menschen einbringen in die Welt und gleichzeitig ist der Song ein Abgesang auf sexuelle Übergriffe. Für Susanne Binas-Preisendörfer bewegt sich Urban damit nur in den Gesetzmäßigkeiten seines Musikmarktes.
"Nicht wenige der ZuhörerInnen des Indie, was mittlerweile fließende Übergänge hat zu Country, sind Frauen. Frauen sind die größte Zielgruppe des Independent-Pop. Und wenn ich mir das Liedchen angehört habe von dem Keith Urban, ich vermute, dass es hauptsächlich darum geht, innerhalb der Hauptzielgruppe zu reüssieren, also gut anzukommen."
Das Ringen um neue Männerbilder wird im Sehnsuchts- und Fluchtort Popmusik vollzogen und nicht an den Werkbänken oder in den Büros. So gilt auch weiterhin: Popmusik kann die Welt zwar nicht verändern, aber sie ermöglicht anderes, neues Denken. Und der feministische Pop hat dem Geschlechterkampf immer mal wieder auch eine ebenso lust- wie humorvolle Seite abgewonnen. 1979 etwa schrieb der Texter Paul Jabara die Zeile "Gott segne Mutter Natur, denn auch sie ist eine alleinstehende Frau" für einen Disco-Song, der zum Inbegriff weiblichen Selbstbewusstseins wurde.
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