Alternative Energien

Biogas droht das Aus

Eine Herde Kühe steht vor einer Biogasanlage in Hermerode (Mansfeld-Südharz).
Bei den Betreibern von Biogasanlagen herrscht Unsicherheit. © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Annegret Faber · 21.11.2017
In einigen Jahren laufen die Förderungen für Biogasanlagen aus. Eine neue Regelung gibt es noch nicht. Die Biogasbauern sind nervös und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Hat Biogas überhaupt noch eine Zukunft?
Maslaton: "Wir machen jetzt mal eine kleine Kutschrundfahrt. Ich sag mal 120 Jahre zuvor in Bayern und da würden sie sich beschweren …'das ist ja die totale Monokultur hier! Hier ist ja überall nur Hopfen, das kann ja nicht wahr sein! Überall nur Weizen, das kann ja wohl nicht wahr sein. Was ist denn das für eine Monostruktur!' Das ist historisch, landwirtschaftlich was völlig Normales. Das hat mit erneuerbaren Energie nichts zu tun. Das ist eine Monopoldiskussion, die wir führen!"

Peter: "Also klar ist, wir dürfen nicht über eine Verlängerung des Atomausstieges reden und müssen gleichzeitig den Kohleausstieg voranbringen. Wir beobachten aber auch, dass gerade im Bereich der Solar und Windenergie ein erheblicher Zuwachs war. Und da gehört die Bioenergie sicher dazu, wenn sie umweltverträgliche Rohstoffe einsetzt, wenn das nachhaltigen Anbau mit sich bringt - und wir gleichzeitig die Wärmeproduktion mit koppeln."

Niederlöhner: "Wir haben doch ein Klimaziel für 2025, '30 oder '35 - oder vielleicht schieben wir es noch auf 50 hinaus, oder 2100? Aber das betrifft uns dann nicht mehr … so ungefähr."
28. Februar 2017: Mehrere dutzend Landwirte sind zum "Branchenfachgespräch Biogas2020+" in den sächsischen Ort Nossen gekommen. Es geht um die Zukunft ihrer Biogasanlagen. Das neue EEG ist raus. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017.
"Dürfte ich sie fragen warum sie hier sind?"
"Weil es um die Zukunft von Biogas geht."
"Haben sie selber eine Biogasanlage?"
"Jawohl im Erzgebirge bei, Olbernau."
"Wann haben sie die gebaut?"
"2006."
"War das eine gute Entscheidung, dass sie die vor elf Jahren gebaut haben?"
"Wir haben Kühe, Milchvieh und haben zusätzlich Biogas und der Verfall vom Milchpreis wäre der Ruin gewesen des Betriebes. Das Biogas hat uns gerettet, ist eine feine Sache. Biogas gibt es immer. Tag und Nacht. Man braucht kein Wind dafür. Man kann es immer produzieren, ist eine gute Einnahmequelle für den Landwirt und wenn das jetzt einfach so bei Seite gelegt wird, finde ich nicht in Ordnung."

Das EEG und der freie Markt

Ein Landwirt, der nicht genannt werden möchte. 250 Kühe stehen in seinem Stall und daneben hat er eine Biogasanlage bauen lassen. Mist und Gülle aus seinem Stall wandelt er darin in Strom um. Auch Mais und andere Feldpflanzen vergärt seine Anlage. 20 Jahre lang wird sein Strom zu den immer gleichen Konditionen gefördert. Wer jetzt baut, hat diesen Luxus nicht mehr. Denn nach dem EEG 2017 soll Strom aus Biogas nicht mehr automatisch unterstützt werden. Die Anlagen seien nun bereit für den freien Markt, heißt es im EEG und weiter:
"Der Anteil der erneuerbaren Energien lag im Jahr 2016 bei über 30 Prozent und soll in den nächsten zehn Jahren auf 40 bis 45 Prozent steigen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 wurden die Weichen gestellt, um die erneuerbaren Energien planbar und verlässlich auszubauen und sie fit für den Markt zu machen. Das EEG 2017 läutet nun die nächste Phase der Energiewende ein."

Betreiber von Biogasanlagen sind empört. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Das Bundesministerium für Wirtschaft spricht von einem Paradigmenwechsel.
"Seit Januar 2017 wird die Höhe der Vergütung für Strom aus erneuerbaren Energien nicht wie bisher staatlich festgelegt, sondern durch Ausschreibungen ermittelt. Denn die erneuerbaren Energien sind erwachsen geworden. Dabei gilt: Wer am wenigsten für den wirtschaftlichen Betrieb einer neuen Erneuerbare-Energien-Anlage fordert, wird gefördert."
Strom aus Biogas wird nur gefördert, wenn der Betreiber an einer Ausschreibung teilnimmt. Die meisten Chancen hat der, der am wenigsten verlangt. Die Argumente für die Kürzungen sind sowohl wirtschaftlicher Natur, als auch von Umweltaspekten geprägt. Bei letzterem ist ein Argument entscheidend: Energiepflanzen würden Monokulturen vorantreiben. Das bedeutet, Verschlechterung der Böden, Artensterben und das Grundwasser wird durch den Einsatz von Pestiziden verunreinigt. Doch liegt das tatsächlich an Mais und Raps?
Eine Methan - Biogasanlage
Aus dem in der Biogasanlage erzeugten Methan wird Strom produziert.© imago

Die praktischen Probleme der Energiewende

Der Landwirt aus dem Erzgebirge schaut zu Professor Martin Maslaton. Der kommt gerade von der Bühne, wo er eine flammende Rede für den Klimaschutz gehalten hat.
"Politisch wird kolportiert: 'Wir wollen alle erneuerbare Energien'. Und dann müssen Sie es selber mal machen und dann machen Sie mal eine Windenergieanlage, machen sie selber mal eine PV-Anlage, machen sie mal eine Biogasanlage. Da werden sie aber ihr blaues Wunder erleben. Was sie alles hören, wer dagegen ist, warum er dagegen ist, und so weiter und so weiter. Das ist etwas, das beobachte ich seit 1999, '98, wie schwierig es ist, Projekte der erneuerbaren Energie zu realisieren, also die Energiewende wirklich mal zu machen."
Martin Maslaton ist Rechtanwalt und befasst sich vor allem mit erneuerbaren Energien. Er kennt die Probleme der Anlagenbauer sehr gut. Ob es noch Sinn macht unter den momentanen Rahmenbedingungen eine Anlage zu bauen, beantwortet er dennoch mit ja! Allerdings sollte der Bauer dann mehr auf Gülle und Reststoffe setzen, als auf Feldpflanzen.
"Man muss zwei Dinge sich anschauen. Das eine ist, was produziere ich? Strom und Wärme. Und das andere ist, welche Mittel muss ich denn einsetzen, um Strom und Wärme zu produzieren, … ob die Inputstoffe, die ich einsetze, um die Energie zu erzeugen, welche Kosten ich für diese Inputstoffe habe, ob ich die reduzieren kann und ob ich da Vorteile generieren kann, die Frage muss man sich stellen. Bei einer großen Viehhaltung kann das auf jeden Fall noch Sinn machen."

Energie aus Biomüll

Eine Biogasanlage in Weißenfels. Eine von geschätzten 8000, die in den letzten 20 Jahren in Deutschland gebaut wurden.
Kahnt: "So dann mal ganz kurz, also Biomaterial ist klar, wird hier zwischengelagert, maximal zwei Tage liegt das hier, ansonsten können wir das ständig verarbeiten."
Der Geschäftsführer Holger Kahnt schiebt ein Dutzend Landwirte, Biogasanlagenbauer und Wissenschaftler in eine riesige, dunkle Halle, in der es nach vergorenem Müll riecht. Beißend und unangenehm macht er sich in der Nase breit. In dieser Anlage wird weder Mais noch Gülle vergoren, sondern Biomüll. 30.000 Tonnen jedes Jahr. Die Gäste stehen und schauen auf einen Müllberg aus altem Brot, Tomaten, Äpfeln, Kartoffelschalen, Garten- und Parkabfällen, Grünschnitt. Ein Berg so hoch wie zwei ausgewachsene Männer.

Ein Müllauto fährt rückwärts in die Halle und bringt Nachschub. Alles aus der näheren Umgebung des Burgenlandkreises in Sachsen-Anhalt. Die Biogasanlage gehört zur kommunalen Abfallwirtschaft Sachsen-Anhalt Süd. Sie entstand wie alle Anlagen ohne Fördergelder. Seit 2004 ist sie am Netz und seitdem bekommen die Betreiber Geld für den Strom. Sechs Millionen Kilowattstunden Elektroenergie speist sie im Jahr ein. Damit können 1500 Einfamilienhäuser mit je vier Personen versorgt werden, und zwar ohne Energiepflanzen. Ein höchst sinnvolles Konzept, loben Klimaschützer, denn der Müll entwickelt Unmengen klimaschädlicher Gase, die sonst in die Atmosphäre abgegeben würden.
Eine Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern
Der Boom bei Biogasanlagen ist vorbei.© picture alliance / dpa

Im Bauch des Fermenters

Die kleine Gruppe ist inzwischen am Fermenter angekommen. Er ist 32 Meter lang, sieben Meter breit und ebenso hoch und voller Biomüll. Ein Metallpodest führt auf etwa vier Meter Höhe. Durch ein kleines Fenster kann man ins Innere des riesen Bottichs schauen.
Kahnt: "Da sieht man das Gärprodukt, das Inputmaterial, was vergoren wird, kann man erkennen und vor allem kann man die Welle erkennen, das ist interessant, die Paddel, die das Material umwälzen. Müssen sie reinschauen, ist ein kleiner Lichtschalter dran, müssen sie aber genau rein schauen. Da oben dieser kleine schwarze Knopf."
Die Nase an die Scheibe gedrückt, um etwas zu erkennen, schaut einer nach dem anderen in das Fensterchen. Drinnen ist mehrere Meter hoch eine dicke, braune Masse, die von einem riesengroßen Paddel in Bewegung gehalten wird. Ganz langsam bewegt sich das Paddel durch den Brei im Bauch des Fermenters.
Der dicke Brei wird durch Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff abgebaut. Dabei produzieren die Bakterien Methan, Kohlendioxid, Sauerstoff, Stickstoff und eine geringe Menge weitere Gase. Je höher der Methananteil, desto energiereicher das Biogas. Mais ist besonders energiereich. Es eignen sich aber auch andere sogenannt Gärprodukte: Gras, Roggen, Futterrüben, Hühnermist, Schweine- und Rindermist, ebenso Schweine- und Rindergülle und Bioabfälle.

Landschaften werden vermaist und verrapst

Der Anteil der dezentral gewonnenen, erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. 2016 lag er am gesamten Bruttostromverbrauch bei über 30 Prozent. Die Hälfe davon ist Strom aus Biogas. Biogas ist somit ein entscheidender Stromlieferant. Entsprechend sind die Anbauflächen gewachsen. In den letzten zehn Jahren von 1500 Hektar auf knapp 2500. Ein Blick auf die gesamte Ackerfläche relativiert diese Zahl allerdings.
Weltweit wachsen auf dem Acker vor allem Futtermittel. 70 Prozent. In Deutschland sind es über 60 Prozent. Auf der restlichen Anbaufläche wachsen ungefähr zu halben Teilen Lebensmittel- und Energiepflanzen: Also etwa 20 Prozent Ackerfläche für Energiemais und Raps. Der Raps für die Beimengung als Biodiesel braucht elf Prozent der Ackerfläche. Energiemais reichen acht Prozent.
Verantwortlich für Monokulturen sind vor allem Futterpflanzen für das Vieh. Trotzdem werden insbesondere Energiepflanzen kritisiert, denn sie sind nun noch hinzugekommen und vereinnahmen die letzten, begehrten Flächen, womöglich noch natürliche Wiesen.

Energiepflanzen sind also der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Professor Bernd Hansjürgens leitet am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig das Departement Ökonomie.
Hansjürgens: "Wir haben das erneuerbare Energiegesetz eingeführt und das hat zu einem massiven Bau von Biogasanlagen geführt und dann hat man festgestellt, unsere ganze Landschaft wird vermaist und verrapst. Das war ja der Punkt. Wir haben 20 Prozent der ackerbaulichen Fläche, die für Energiepflanzen genutzt wird, und jetzt sehen wir, dass es Nebeneffekt hat. Raps ist ganz schön, wenn er in der Blüte steht. Aber Mais ist sehr kritisch, sehr starke Belastung für Böden und Grundwasser und jetzt hat man in den Novellierungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes Riegel vorgeschoben."
Mähdrescher in Illinois (USA) auf Maisfeld
Fördert Biogas Monokulturen?© picture alliance / dpa / Brian Kersey

Holz ist wichtiger als Mais

Zum Beispiel wurde der Maisanteil in Biogasanlagen durch den sogenannten Maisdeckel begrenzt und von Jahr zu Jahr sinkt dieser Deckel. Biogas werde trotzdem auch in Zukunft gebraucht, wendet der Ökonom ein, aber nicht in den Mengen, die heute zur Verfügung stehen.
Hansjürgens: "Aber eins dürfen Sie auch nicht vergessen, wenn wir die deutsche Energiewende anschauen, jetzt von der Energieseite das ganze betrachten, dann ist der wichtigste Faktor Holz. Das ist ja nicht das Biogas, sondern der wichtigste Faktor ist Holz. Etwa die Hälfte unserer gesamten Energiewende wird über das Holz getragen, wird Holz verfeuert. 50 Prozent des Holzeinschlags gehen direkt in die energetische Nutzung."
Kurzsichtigkeit der Politik? Heute der Mais, morgen das Holz? Fakt ist: Der Staat regelt und lenkt die Produktion von umweltfreundlichem Strom und Wärme. Nicht erst seit dem ersten Erneuerbaren-Energien-Gesetz Anfang 2000.
Von Weizsäcker: "Ein großartiger Ansatz war unter der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder, die ökologische Steuerreform, die in fünf kleinen Schritten, Benzin, Strom, Heizgas, etwas verteuert hat um das Äquivalent von drei Cent pro Einheit, pro Liter Benzin zum Beispiel und damit gleichzeitig den Faktor Arbeit verbilligt hat, also die Lohnnebenkosten, sodass Deutschland insgesamt Größenordnungsmäßig 200.000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen hat und Deutschland weniger Öl aus Saudi-Arabien importieren musste und weniger Kohle aus Australien und Gas aus Russland."
Die Ökologische Steuerreform war eine Vorstufe vom EEG, erläutert Ernst Ulrich von Weizsäcker. Der Naturwissenschaftler und SPD Politiker ist seit 2012 Ko-Präsident des Club of Rome.

Weizsäcker: "Wir sind reicher geworden durch die Ökosteuer-Reform."
Ende der 1990er-Jahre brachte die Reform über vier Millionen Euro Steuereinnahmen. Ein Jahr später schon verdoppelte sich diese Summe. Dieses Geld konnte nun auch genutzt werden, um Biogasanlagen zu fördern. Dass der Staat sich einmischt, ist für europäische Bauern eine vertraute Situation.

Zu viel Strom aus Kohlekraftwerken

Weizsäcker: "Ich habe sechs Jahre meines Lebens in Amerika gelebt und weiß, dass man in Amerika auf diese Frage immer nein als Antwort kriegt, der Staat soll sich da überhaupt nicht einmischen. Die Mehrheit der Amerikaner glaubt das, sie sagt, das soll alles der Markt regeln. Wir in Europa sind da, glaube ich, klüger und wissen ganz genau, dass die Wirtschaft sich nur nach den Tagessignalen richtet, und nicht nach möglichen Gefahren für später und finden es legitim, dass der Staat etwas, was unseren Enkeln bitter leid tun würde, teurer macht oder sogar verbietet."
Sogar Misswirtschaft auf Kosten der Umwelt wurde belohnt, zu Gunsten der Kohlekraftwerke. Denn die haben Vorrang, wenn es eng wird im Stromnetz. Dann muss mancher Biogasanlagenbetreiber das Methan in die Atmosphäre entlassen. Abfackeln heißt das. Weil Kohlkraftwerke zu viel Strom produzieren, wird das klimafreundliche Biogas einfach über eine Fackel verbrannt. Das gesamte CO2 entweicht in die Atmosphäre.
Das Kraftwerk Niederaußem von der RWE Power. C. Hardt 
Kohlekraft wurde über Jahrzehnte hinweg von der Politik gefördert.© imago / C. Hardt
Nach der Erfahrung von Biogasbauer Andreas Niederlöhner seien das aber Ausnahmen. Seine Kritik setzt woanders an.

Niederlöhner: "Die Kohlekraftwerke laufen, laufen, laufen, die sind abgeschrieben und erzeugen einen absolut, zum Spotpreis günstigen Strom und müssen nicht ihre CO2-Zertifikate erfüllen. Darum ist ja der ganze Strommarkt nicht offen und nicht ehrlich. Der Strommarkt wird durch so viele Nebensubventionen verfälscht! Das ist einfach nicht reell."

Hohe Subventionen für Atom- und Kohlestrom

Die konventionellen Energieträger seien mit viel höheren Folgekosten für Steuerzahler und Gesellschaft verbunden als die Erneuerbaren, ergab eine Studie von Greenpeace Energy und dem Bundesverband Windenergie aus dem Jahr 2012. Sie kommt zu dem Schluss:
"Die Steinkohle wurde bis 2012 mit 311 Milliarden Euro am stärksten gefördert. Die Atomkraft kommt auf 213 Milliarden Euro an staatlicher Förderung, Braunkohle auf 87 Milliarden. Mit 67 Milliarden Euro haben die Erneuerbaren bislang die geringste Förderung erhalten, was aber auch mit dem bisher kurzen Förderzeitraum zu tun hat."
Angaben vom Bundeswirtschaftsministerium fallen für die Kohle dagegen deutlich geringer aus. Außerdem sind sie sehr unkonkret, im Gegensatz zu den Erneuerbaren. Da sind alle Ausgaben ab dem Jahr 2000 bis in kleinste Detail aufgelistet. Daten für die Kosten von Atomstrom blieb das Ministerium komplett schuldig.
Niederlöhner: "Da bei uns in der Ortschaft, da wo ich wohne in Wolfsbronn, da wohnen ungefähr 100 Einwohner."
In dem kleinen Ort Wolfsbronn in Bayern hat Andreas Niederlöhner eine Biogasanlage gebaut - mit dem Ziel, Strom und Wärme zu verkaufen.
Niederlöhner: "Da haben wir ein Nahwärmenetz errichtet und es ist eine Genossenschaft gegründet worden mit den Bürgern und fast alle Bürger sind Mitglieder in der Genossenschaft und haben das Nahwärmenetz in fast Eigenregie auf die Beine gestellt. Und wir beliefern das Nahwärmenetz mit Wärme."
Neben dem Strom erzeugen Biogasanlagen viel Wärme. Die entsteht im Blockheizkraftwerk, also da, wo das Gas verbrannt und in Strom umgewandelt wird. Diese Wärme sei mittlerweile der Schlüssel, um am Biogas noch etwas zu verdienen. Nur wer auch seine Wärme an den Mann bringt, habe noch eine Chance. Andreas Niederlöhner vergärt keinen Biomüll, sondern je zur Hälfte Gülle und nachwachsende Rohstoffe. Das sind Gras, Mais, Ganzpflanzensilage. Die Gülle bekommt er von Bauern aus der Nachbarschaft. Die nachwachsenden Rohstoffe baut er auf seinen eigenen Feldern an und kauft im Umkreis von einem Kilometer noch zu.
Niederlöhner: "Das Thema Mais würde ich einfach gar nicht mehr ansprechen wollen, weil hier nicht mehr auf Augenhöhe diskutiert wird. Seit 2012 werden eigentlich nur noch Biogasanlagen gebaut, die zu 80 Prozent Gülle und Mist einsetzen. Also seit 2012. Seit fünf Jahren wird in Biogasanlagen, werden mit Gülle und Mist betrieben. Drum kann ich die Diskussion gar nicht verstehen."

Die großen Energiekonzerne mischen sich ein

Im Gespräch mit Investoren, Umweltaktivisten oder Landwirten wird immer wieder eine Behauptung laut: Das EEG 2017 sei das Ende eines langes Weges, der seit Jahren eingeleitet wurde. Die großen Energiekonzerne sollen das Geschäft mit den erneuerbaren Energien übernehmen. Dezentrale Anlagen sind nicht mehr gewollt.
Niederlöhner: "Vielleicht sollte man bei den Politikern nachfragen, die in den Aufsichtsräten sitzen der großen Energieversorger. Ich sehe das einfach so, dass die herkömmliche Energiewirtschaft einfach Zeit gewinnen will, um ihre Energieerzeugung umstellen zu können. Die sind einfach nicht so schnell, nicht so flexibel, wie der Landwirt, der Privatmann. Um dieses ganze Energieerzeugungssystem umstellen zu können, und dass dann die Wertschöpfung auch bei den großen Energieunternehmern bleibt, dass dauert einfach länger."
Die Entwicklung beim Biogas erinnert so manchen Bauern an die Zeit, als Rapsöl als Treibstoff aufkam. Nachdem Hunderte freie, kleine Tankstellen entstanden, bemerkten die Mineralölkonzerne, dass da eine ernstzunehmende Konkurrenz entsteht. Daraufhin wurde das Pflanzenöl besteuert, das Teller-Tank-Argument war geboren und schließlich die Behauptung, Pflanzenöl im Motor verbrannt, entwickelt stark krebserregende Partikel. Das überzeugte dann auch den Letzten. Autofahrer, die noch reines Pflanzenöl tankten, mussten sich regelrecht dafür entschuldigen. Später stellte sich heraus. Die Tests waren manipuliert. Das war aber nur noch eine winzig kleine Meldung, die kaum jemand beachtete. Heute wächst Raps auf derselben Fläche wie zu beginnt der Teller-Tank-Diskussion, nur dass niemand mehr darüber spricht. Pflanzenöl wird immer noch gefahren, aber nicht mehr an freien Tankstellen verkauft, sondern dem Diesel beigemischt und ist so wieder in der Hand der Mineralölkonzerne. Mit dem Biogas vermutet der Rechtsanwalt Martin Maslaton, wird genauso verfahren.

Maslaton: "Ich sorge erstmal dafür, dass Biogas einen negativen Stempel kriegt, sei es Teller statt Tank, sei es Vermaisung der Landschaften und damit nehme ich dem Biogas erstmal so etwas wie eine gesellschaftliche Akzeptanz, politische Akzeptanz. Dann blende ich aus, dass ich damit eine positive Energie, mit einer positiven Energiebilanz im Regelenergiebereich hab, und dann hab ich die Möglichkeit vor dieser Plattform zu sagen, aber ihr kriegt ein kleines Almosen, ihr dürft in die Ausschreibung. Und das führt dazu, dass man Biogas eigentlich fertig gemacht hat, regelrecht fertig gemacht hat."
Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen des Deutschen Biomasseforschungszentrums. Deren statistische Erhebungen ergaben: Eine Vermaisungen der Landschaften gibt es nicht! Professor Michael Nelles, Wissenschaftlicher Geschäftsführer.
Nelles: "In manchen aufgeheizten Diskussionen hat man das Gefühl, dass jeder Maiskolben, der in Deutschland angebaut wird, in eine Biogasanlage geht. Das ist aber nicht so. Mais ist eine gute Pflanze für die Biogasproduktion und es gibt keinen wirklich nachvollziehbaren Grund zu sagen, wir wollen keinen Mais in der Biogasanlage."
Lebensmittel zu verstromen sei sicher nicht die eleganteste Lösung, sagt er, aber auch nicht unser größtes Problem. Grundsätzlich müsse neu über Landwirtschaft nachgedacht werden.
Ein Mopedfahrer fährt über einen Feldweg zwischen einem gelbem Rapsfeld und einer grünen Wiese bei Karsdorf (Sachsen) unter einem dunklen Himmel.
Raps - Nachschub für Biogasanlagen© dpa-Bildfunk / Arno Burgi

Die Politik hat überreagiert

Nelles: "Es war sicher der richtige Weg 2012 einen Maisdeckel einzuführen, dass bei 60 Prozent Schluss ist und der Rest muss dann mit landwirtschaftlichen Reststoffen oder auch anderen alternativen Energiepflanzen aufgefüllt werden. Es ist sicher ein Grundproblem, dass es keine stringente Linie gibt. Bisher war der Ausbau von Biogasanlagen im Wesentlichen getrieben durch das EEG und das wird alle zwei Jahre novelliert und mal sollen Energiepflanzen ohne Gülle eingesetzt werden, was fachlich einfach unsinnig ist, wird dann gefördert und immer werden bestimmte Bausteine gefördert. Der Markt stellt sich darauf ein und da kam es eben auch zu Fehlentwicklungen und da hat die Politik reagiert, aus meiner Sicht auch richtig mit dem EEG 2012, und dann mit dem 2014er überreagiert und dann die Ausschreibungsrunde hat ja auch gezeigt, dass unter den Rahmenbedingungen nur sehr wenig Biogasanlagen gebaut werden."
Die erste Ausschreibungsrunde für Biogasanlagen ist durch. 33 Betreiber haben teilgenommen. Reichlich 20 bekamen den Zuschlag, auch Andreas Niederlöhner. Er erhält ab 2024 16,9 Cent für die Kilowattstunde Strom.
Niederlöhner: "Das ist nur eine Spitze, die es angeboten haben. Da hätten sicherlich 200 anbieten können. Die haben es aber nicht gemacht, weil die ganz klar sagen, das ist für uns nicht wirtschaftlich!"
Daniel Hölder arbeitet bei einem Energieunternehmen, das ausschließlich grünen Strom verkauft. Die Clean Energy Sourcing AG. Dort ist er verantwortlich für den Bereich Energiepolitik und Kommunikation.
Hölder: "Biogas hat vor allem die Bedeutung, dass die Stromerzeugung aus Biogas sehr gut steuerbar und sehr flexibel ist und dass sich Biogas sehr gut eignet für die schwankende Stromerzeugung, um Wind und Sonne auszugleichen."
Daniel Hölder spricht von einem virtuellen Kraftwerk, aus dem er schöpfen kann. Ein Pool mit verschiedensten Energieerzeugern. Erdgas Blockheizkraftwerke sind Bestandteil des virtuellen Kraftwerks, Fotovoltaik oder auch Windenergieanlagen.
Hölder: "Aber das Arbeitspferd in unserem virtuellen Kraftwerk ist Biogas - und wir glauben auch, dass die Biogasanlagen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen sollen."
Regelenergie ist der Teil des Strommarkts, der das Stromnetz stabil hält. Also Energie, die im Gegensatz zu Wind und Sonne, zuverlässig abgerufen werden kann. Bisher kommt diese Energie vor allem aus Atom- und Kohlekraftwerken. Aber auch die Erneuerbaren legen in diesem Bereich immer weiter zu. Biogasanlagen zu forderst. Daniel Hölder sieht das, was im EEG 2017 steht, daher mit gemischten Gefühlen.
Hölder: "Wenn wir mit dem heutigen Regime weitermachen, dann würde es sich nicht lohnen, die Anlagen nach Auslaufen der Förderung weiter zu betreiben. Dann würden wir aus heutiger Perspektive schon erhebliche Anteile der erneuerbaren Stromerzeugung verlieren, die wir dann anders ausgleichen müssen."

In der Biogasanlage in Weißenfels sind Holger Kahnt und seine Gäste mittlerweile am Blockheizkraftwerk angekommen. Das steht in einer Art Garage hinter dem Fermenter und wird über eine Leitung mit Biogas versorgt. 2004 ging die Anlage ans Netz. Von dem Zeitpunkt an wird sein Strom 20 Jahre gefördert und dann ...
Kahnt: "… dann fallen wir aus dieser Förderung nach EEG raus beziehungsweise können an den Ausschreibungsmodalitäten teilnehmen und kriegen dann einen Zuschlag oder nicht und das ist mit Risiko verbunden und da müssen wir überlegen, was machen wir zu diesem Zeitpunkt 2024. Das ist in der Vorbereitung."
Holger Kahnt weiß noch nicht, wie es nach 2024 weiter geht. Doch die Zeit drängt. Wer an der bürokratischen Ausschreibung teilnimmt, braucht rund drei Jahre Vorlauf.
Aktivisten protestieren am 31.05.2016 in Berlin am Kanzleramt gegen die EEG-Reform. 
Protest gegen die EEG-Reform im Jahr 2016© dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini

Der niedrige Ölpreis und die Folgen

Noch einmal zurück ins sächsische Nossen. Die Stimmung auf der Biogasfachtagung ist aufgeladen. Der Ölpreis, hört man hier auf der Tagung, der habe alles verdorben. Wenn er nicht so in den Keller gerutscht wäre, hätte das Biogas mehr gebracht.
Doch welche Rolle spielt bei all dem noch das Klimaziel? Geht es bei der Energiewende vor allem um Macht und Geld? Und wie wird sich die neue Regierung für den Biogasanlagenbetreiber einsetzen? Martin Maslaton sagt, wir müssen Landwirtschaft neu definieren.
Maslaton: "Der Konflikt, um den es letztlich geht, ist eine Diskussion, die die Landwirtschaft betrifft, und ich glaube nicht, dass die landwirtschaftliche Diskussion dazu geeignet ist, auch was die Position der Grünen angeht, Biogas wirklich zu fördern. Ich glaube, dass die Grünen ergebnisoffener und inhaltsoffener über Landwirtschaft reden müssen!"
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