Als Sammler und Jäger sesshaft wurden

26.10.2013
Hansjörg Küster stützt sich bei seiner Geschichte der Landwirtschaft auf archäologische Funde. Und er stellt fest, dass die Menschen fast überall auf der Welt zur gleichen Zeit sesshaft wurden und Kulturpflanzen aufzogen - in Asien Reis und Hülsenfürchte, in Südamerika Mais und Kartoffeln, in Afrika Hirse.
Üblicherweise unterteilen Historiker die Frühgeschichte der Menschheit in Werkzeugetappen wie Stein-, Bronze- oder Eisenzeit. Ganz nebenbei wird dabei eine Veränderung erwähnt, die der Pflanzenökologe Hansjörg Küster für viel entscheidender hält, der Übergang von der Sammler- und Jägergesellschaft zur sesshaften Bauerngemeinschaft, denn ohne diesen Übergang gäbe es keine moderne Gesellschaft.

Die Beweislange ist schwierig, die ersten Bauern hinterließen keine Aufzeichnungen und so weiß niemand, wer als erstes Wildpflanzen aussäte und züchtete. Dennoch konnte man bei Grabungen Überreste von Pflanzen finden, die zeigen, dass zuerst Getreidesorten wie Emmer und Einkorn gezüchtet wurden (bei diesen Pflanzen sind die Körner in den Ähren gleichzeitig reif und lange lagerfähig).

Die Funde zeigen auch, dass die ersten Sammler und Jäger wohl im Na-hen Osten sesshaft wurden. Frühzeitig fing man dort mit der Bewässerung der Felder an. Was wiederum eine öffentliche Verwaltung erforderte. Um Konflikte zu vermeiden, musste genau festgelegt werden, wer wann wo wie viel Wasser entnehmen durfte und dazu brauchte man die Schrift. Tontäfelchen mit genauen Anweisungen gehören, so Küster, zu den ältesten Geschichtsquellen der Welt.

Hansjörg Küster schreibt nüchtern-sachlich, er erwähnt Pflanzengenetik, nennt die Herkunft neuer Züchtungen. Zahlreiche Abbildungen zeigen Pflanzen, Landschaften und Anbau. Er gibt an, wann wo das erste Mal welche Kulturpflanze von Archäologen gefunden, in welchen Geschichtsquellen sie erwähnt werden.

Erstaunlich dabei ist, dass fast überall auf der Welt zur gleichen Zeit Menschen sesshaft wurden und Kulturpflanzen aufzogen: In Asien Reis und Hülsenfürchte, in Südamerika Mais und Kartoffeln, in Afrika Hirse. Ein deutlicher Zusammenhang lässt sich, so Küster, allerorten zwischen Bevölkerungswachstum, Stadtentstehung und Landwirtschaftsausbreitung aufzeigen.

Der Schwerpunkt des Buches liegt allerdings auf Europa. Spätestens seit Kolumbus begann ein weltweiter Austausch an Kulturpflanzen, u.a. Tomaten, Mais und Kartoffeln gelangten nach Europa. Hier waren es vor allem Klosterbewohner, die in ihren Gärten eine große Vielfalt an Kultur- und Heilpflanzen sowie Kräutern pflegten, neue Sorten züchteten, während die Bauern fast ausschließlich Grundnahrungsmittel wie Getreide und Kartoffeln anbauten. Doch nur die Wohlhabenden konnten sich neue Nahrungsmittel und Importe aus der Neuen Welt wie Kaffee oder Kakao leisten.

Das änderte sich im 20.Jahrhundert durch die extremen Effizienzsteigerungen der Landwirtschaft durch den Einsatz von Agrartechnik, Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger. Agrarprodukte wurden erheblich billiger. Neue Verkehrsmittel wie Eisenbahn und Lkw, Flugzeuge oder Containerschiffe sorgten zudem für eine rasante Steigerung erst des kontinentalen, dann des globalen Austausches.

All das hat Hansjörg Küster detailliert recherchiert und legt so eine bisweilen verblüffende Geschichte der Agrikultur vor – ein bislang fehlendes Kapitel im Buch der Menschheitsentwicklung.

Besprochen von Johannes Kaiser

Hansjörg Küster: Am Anfang war das Korn. Eine andere Geschichte der Menschheit
C.H. Beck Verlag, München 2013
289 Seiten, 24,95 Euro
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