Alles nur Fassade

Moderation: Marie Sagenschneider · 29.03.2007
Von Anfang an stieß der Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses, das 1960 gesprengt wurde, auf ein geteiltes Echo. Etwa die Hälfte der Braunschweiger war dagegen. Architekturkritiker Nikolaus Bernau hält den Wiederaufbau der Fassade von vorn betrachtet für eine "hervorragende Rekonstruktion" – der nackte Glaskasten von hinten sei allerdings "ein Skandal".
Am Donnerstagmorgen fiel der Startschuss für die Eröffnung der Shoppingmall, die gut 155 Läden auf 30.000 Quadratmetern Fläche beherbergt. Das Gebäude bietet in Zukunft auch Platz für Bibliothek, Museum und Stadtarchiv. Die Investoren rechnen mit einer Million potenzieller Kunden aus Stadt und Umland. Das Projekt hat 200 Millionen Euro gekostet.

Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch mit Nikolaus Bernau:

Sagenschneider: Was kommt raus, wenn, wie die "Süddeutsche Zeitung" schrieb, Kaufleute zu Schlossherren und Schaufenster zur Herrschaftsarchitektur geadelt werden?

Bernau: Wenn wir von Schloss reden in Braunschweig, müssen wir immer bedenken: Es dreht sich nur um die Fassade!

Sagenschneider: Man hat es ja zum Teil aus Originalteilen wieder aufgebaut. Macht das die Sache ein bisschen besser, weil ein Bruchteil von Authentizität da ist?

Bernau: Es ist eine wirklich hervorragende Rekonstruktion! Diese Fassade ist technisch brillant gemacht worden! Es ist faszinierend, wie gut die Steine bearbeitet und wie gut die wenigen Originalteile eingebaut und die neuen Steine bearbeitet wurden. (…) Und das macht gleichzeitig die große Enttäuschung bei der Sache aus. Wenn man jetzt auf diese großartige Fassade zukommt – der Neubau ist übrigens etwa vier Mal größer als das alte Schloss und hat so eine Glasfassade, die grün schillert – hat man das Gefühl: Großartige Fassade mit Säulen und Monumentalität und Repräsentation. Und dann kommt man durch die Toreinfahrt und steht in einer ganz vulgären Shoppingmall. (…) Das ist die große Enttäuschung bei dieser Art Fassadenkonstruktion. (…) Und das Fatale ist, dass das Schloss auch eine Rückseite hat. Und die Architektur von Grazioli und Muthesius, zwei Berliner Architekten, für den Neubau ist schlechtweg ein Skandal zu nennen. Die Glaskiste von ihrer Rückseite ist vollkommen anti-urban, da will kein Mensch entlanglaufen, da gibt es auch keine Öffnung, und das finde ich richtig ärgerlich. Dass man so eine schöne Vorderfront hat, die Spaß macht, und dann so eine indiskutable Rückseite.

Sie können das vollständige Gespräch für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Alt und neu: die Schloss-Arkaden in Braunschweig
Alt und neu: die Schloss-Arkaden in Braunschweig© ECE Projektmanagement G.m.b.H. & Co. KG
Mehr zum Thema