Alles koscher im Restaurant

Von Thomas Wulf · 10.02.2012
In einer ehemaligen jüdischen Mädchenschule im Zentrum Berlins können Gäste am Schabbat ein koscheres Dinner bestellen. Mit ihrem Konzept wollen die Restaurantgründer auch Nichtjuden ansprechen, die sich für die Hintergründe des Brauchs interessieren.
"Vor Beginn überhaupt gibt es ein Grußwort. Begrüßen wir die Leute und dann gibt es interessant ein Gruß an die Engel Shalom Aleichem - so beginnt immer dieses Schabbatessen. Mit den Worten, Gruß, alle singen das. Und die Worte sind 'Shalom Aleichem', 'Willkommen Engel'."

… erklärt der Berliner Gemeinderabbiner Yitzhak Ehrenberg den Beginn des Schabbat am Freitagabend. Schabbat, das feiert man zu Hause im Kreis der Familie. Vielleicht, wenn man verreist ist, in der Synagoge. Jetzt aber, meint Rabbiner Ehrenberg, gebe es in Berlin eine ganz neue Möglichkeit: Schabbat im Restaurant.

"Ich vermute, das soll eine neue Sache sein. In New York gibt es alles, aber ob so gibt, weiß ich gar nicht. Die Idee ist richtig neu."

Das gestern in Berlin eröffnete Koschere Restaurant "Kosher Classroom" bietet ab sofort jeweils Freitags ein Schabatessen, mit dem man besonders auch Nichtjuden ansprechen möchte.

"Die Idee hier ist, dass kommen Leute, die vielleicht erstes Mal im Leben mit so einer Situation begegnen. Die wollen probieren, fühlen die Geschmack vom Schabbat, dieses besondere traditionelle Essen, was wird am Schabbat gegessen und zu verstehen auch, warum wird das so gegessen und wie wird das so - weil dass ist natürlich dieses Schabbatessen, es geht nicht nur um essen, geht es um Kultur."

Der "Kosher Classroom", das neue Restaurant, liegt mitten im Zentrum Berlins, wo bereits im 19. Jahrhundert das jüdische Leben pulsierte. Hier entstand 1928 die von Alexander Beer entworfene jüdische Mädchenschule, erklärt André Lossin, der Geschäftsführer der Berliner jüdischen Gemeinde:

"Alexander Beer war Architekt der Gemeinde, hat unter anderem auch die Synagoge Fränkelufer geplant und realisiert. Er hat das Gebäude in der neuen Sachlichkeit, in Ziegelstein passend, in der Ambiente, sehr klare Strukturen, quadratische Strukturen, nicht mehr schnörkelig, eine Schule geplant für die Gemeinde."

1943 wurde die Schule von den Nationalsozialisten geschlossen. Der Architekt Alexander Beer und die meisten der Schülerinnen wurden deportiert und ermordet. Nach dem Krieg diente das Gebäude in der DDR wieder als Schule, bis nach der Wende 1993. Dann stand es wegen juristischer Streitigkeiten fast 20 Jahre lang leer, meint André Lossin.

"Es gab immer einen langen Streit: Ist denn die jüdische Gemeinde berechtigter Antragsteller, ist denn ein berechtigter Antrag gestellt worden? Die Claims hatte ihn gestellt und da ging dieser Streit fast 15, 16, 17 Jahre lang."

2009 ging das Gebäude dann endgültig wieder in das Eigentum der jüdischen Gemeinde über. Nach so vielen Jahren Leerstand aber hatte die Bausubstanz erheblich gelitten. Trotzdem war der Berliner Galerist Michael Fuchs, der das ganze Areal für 30 Jahre gemietet hat, geradezu begeistert.

"Berlin-Mitte, ist klar, die Auguststraße ist unglaublich zentral. Es ist eine wunderschöne Gegend. Es ist ein Traumgebäude. Ich würde sagen, einzigartig in der Großzügigkeit, so wie es Alexander Behr geplant und gebaut hat."

Michael Fuchs und andere Galeristen beziehen die oberen Stockwerke, im Erdgeschoss eröffnet ein Delikatessenladen und zwei Restaurants. Bei der aufwändigen Renovierung habe man besonders auf die Geschichte des Ortes geachtet, betont Michael Fuchs.

"Ich denke, wir haben sehr sensibel auf die Architektur und auch die Geschichte des Hauses aufgepasst, als wir anfingen, das Haus zu renovieren. Ob das Details, die mit der Architektur zusammenhängen, ob das Geschichten sind, dass wir im Erdgeschoss eine Dokumentation geben über die Geschichte des Hauses, angefangen mit den Schulkindern, die hier zur Schule gingen."

Und dann gibt es eben die kulinarische Erinnerung an die jüdische Geschichte dieses Ortes. Den "Kosher Classroom", das koschere Restaurant in einem der früheren Klassenzimmer der jüdischen Mädchenschule. Montags bis Mittwochs wird es koschere Kochkurse geben, Donnerstags, Samstags und Sonntags Koscher à la carte. Freitags aber wird man keinen Tisch bestellen können. Dann sitzen alle an einer langen Tafel, erklärt der Koch Roman Albrecht und beschreibt das Menü:

"Da wird es eine Suppe geben, die ganz klassische Hühnersuppe mit Keplach und auch eine vegane als Alternative. Als Hauptgang wird es einen Braten geben, das wird mal ein Kalbsbraten sein, das wird auch mal eine Kalbsschulter sein, das wird mal ein Lammbraten sein, das wird mal eine gefüllte Putenbrust sein - das wechselt alle acht Wochen. Und als Dessert gibt es Kuchen mit eingemachten Früchten, was wirklich traditionell osteuropäische Küche betrifft halt."

Endlich gebe es ein koscheres Restaurant, das man Gästen aus Israel empfehlen könne, meint André Lossin. Aber besonders am Schabbat, hofft Rabbiner Ehrenberg, werden auch viele Nichtjuden kommen:

"Es wird nicht einfach Essen sein, sondern ein kulturelles Essen, mit Schabbat, und man sagt, mit Schabbat ist eine besonderer Geschmack. Nur wenn es geht mit dieser Melodie, mit diesem Gesang nur, kann er einen Genuss haben für dieses Essen."

Nach dem Kidusch, dem traditionellen Segen über Wein und Brot, werden alle gebeten, mit einzustimmen in die Gesänge des Schabbat.


Service:

Das Restaurant "Kosher Classroom" bietet Donnerstags und Samstags koscheres Essen à la carte und Sonntags ab 11 Uhr einen Brunch an. Freitags beginnt das Schabbatessen um 19.30 Uhr.