Allegorie auf das alte Amerika

24.02.2013
Der US-Autor Dave Eggers wurde stilistisch schon mit großen Schriftstellern wie Ernest Hemingway und Arthur Miller verglichen. Auch in seinem neuen Roman über den Niedergang der Wirtschaftsmacht USA glänzt er mit einer nüchternen Sprache und atmosphärischer Dichte.
Wenige amerikanische Autoren werden so gefeiert wie der 42-jährige Dave Eggers. Sein Debüt "Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität" machte ihn im Jahr 2000 mit einem Schlag bekannt. Danach hat er dokumentarische Bücher vorgelegt, "Weit gegangen" und "Zeitoun", er hat einen unabhängigen Verlag gegründet, Schreibwerkstätten für sozial benachteiligte Kinder und Stipendienprogramme angeschoben. Dave Eggers ist die moderne Variante eines engagierten Autors. Nach zehn Jahren Pause hat er jetzt erstmals wieder einen Roman veröffentlicht.

"Ein Hologramm für den König" führt nach Saudi-Arabien. King Abdullah Economic City ist eine Stadt der Zukunft, die der saudische König am Roten Meer bauen lässt. Diese Stadt braucht selbstverständlich das avancierteste Kommunikationssystem, und das soll Alan Clay, der Protagonist in Eggers' Roman, dem König verkaufen. Die Mission in Saudi-Arabien ist die letzte Chance für den 54-jährigen Alan Clay. Er hat Jahre des Abstiegs hinter sich, vom angesehenen Manager ist er zu einem Ein-Mann-Unternehmen mit dürftigstem Einkommen geworden. Er ist verschuldet und kann das College für seine Tochter nicht mehr bezahlen. Wenn er den Auftrag in Saudi-Arabien vermasselt, dann ist er erledigt.

Eggers lässt seinen Helden immer wieder scheitern
Dave Eggers hat einen Roman über den Niedergang der USA geschrieben. Den typisch amerikanischen Handlungsreisenden Alan Clay kann man als Allegorie auf das alte Amerika verstehen, auf das optimistische, an sich und seine Überlegenheit glaubende Land. Jetzt schnappen chinesische Firmen den Amerikanern die Aufträge weg, auch in der hypermodernen König-Abdullah-Stadt lauert schon die chinesische Konkurrenz. Dass dieser Roman mehr ist als eine Allegorie liegt auch an seiner dichten Atmosphäre von beckettscher Vergeblichkeit. Eggers beschwört diese Atmosphäre schon mit dem Motto des Romans herauf: "Uns braucht man nicht alle Tage" aus Samuel Becketts "Warten auf Godot". Alan Clay und sein Team warten in einem Wüstenzelt auf König Abdullah, der an diesem Tag kommen könnte oder erst in 18 Monaten. Das Warten stürzt sie in eine Zwischenzeit, in der ihnen ihr Auftrag und das Gerüst ihres Lebens immer weiter entgleiten.

Auch die Hauptfigur des Romans ist mehr als nur ein Demonstrationsobjekt für einen amerikanischen Abstieg. Dave Eggers lässt seinen überflüssigen Helden zwar immer wieder scheitern, geschäftlich, bei seinen Freundschaften, sexuell. Dennoch ist Alan Clay eine vielschichtige Figur, ein leidender, tragikomischer Mensch, der eine Geschichte voller Irrtümer und Verluste zu tragen hat. In knappen, scharf konturierten Szenen treibt Eggers diesen Mann durch den Roman. "Hemingway!" haben einige amerikanische Kritiker gerufen angesichts des erfreulich nüchternen, schlanken Stils. In den USA wurden auch andere ganz große Referenzen aufgerufen zu Eggers' neuem Roman: Norman Mailer, Arthur Miller oder Don DeLillo. Dave Eggers gehört in diese Tradition von Autoren, die ihre Gegenwart empathisch und mit ästhetischem Risiko zu ergründen versuchen.

Besprochen von Frank Meyer

Dave Eggers: Ein Hologramm für den König
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2013
352 Seiten, 19,99 Euro


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