Alice Schwarzer: "Meine algerische Familie"

Wenn sich plötzlich die Kleiderfrage stellt

Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer.
Die Feministin ist seit mehr als 25 Jahren eng mit einer algerischen Großfamilie befreundet. © picture alliance / Henning Kaiser/dpa
Moderation: Frank Meyer · 23.02.2018
Wer hätte gedacht, dass Deutschlands bekannteste Feministin einmal jammert, dass sie zu wenig zum Anziehen hat? Nicht die einzige Herausforderung, vor der Alice Schwarzer steht, wenn sie zu ihren Freunden nach Algerien fährt, gesteht sie in ihrem Buch "Meine algerische Familie" - und bei uns im Interview.
Man kennt sie als streitbare Frauenrechtlerin - in ihrem neuen Buch erzählt Alice Schwarzer jedoch einmal aus einer ganz anderen Lebenswelt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist die "Emma"-Herausgeberin eng mit einer Großfamilie in Algerien befreundet, die sie regelmäßig besucht. Die Rolle der Frauen ist dort eine ganz andere - was ihr die eine oder andere Umstellung abverlange, erzählt sie im Interview.

Die Braut wechselt sieben Mal das Kleid

Zum Beispiel bei der Einladung zu einer Hochzeit, bei der Frauen aller Altersstufen mit zig Koffern und Taschen angereist seien: "Und ich dachte, sie suchen ihr Kleid noch aus für den Abend. Aber nein - die Braut wechselt sieben Mal das Kleid, also ungefähr jede Viertelstunde. Und die Frauen eigentlich auch fünf sechs Mal." Sie selbst habe jedoch nur ein Kleid dabei gehabt - und sich laut jammernd aufs Bett geworfen.

Tradierte Rollenbilder aushalten

Dass algerische Frauen Männer meist auch bedienen müssten, ist für die Feministin allerdings kein Grund, auf die Barrikaden zu gehen. "Das wäre ja arrogant." In Deutschland sei die generelle Bevorzugung von Männern auch noch nicht so lange her. "Jede Kultur, jede Gesellschaft braucht ihre Zeit und ihren Weg." Auf jeden Fall sei die Konfrontation mit tradierten Rollenbildern eine eindringliche Erfahrung: "Das muss man dann aushalten, das ist interessant für mich."

Zu wenig Wissen über das Land

Insgesamt sei ihr durch die Freundschaft mit der algerischen Familie bewusst geworden wie unzureichend das Bild sei, das man hierzulande von Algerien habe: "Meistens wissen wir gar nichts mehr - im Gegensatz zu den 60er-, 70er-Jahren. Da war Algerien sehr präsent, da war Algerien ja so etwas wie Vietnam." Heute hingegen wisse man kaum etwas über das Land: "Wir haben Wahnsinnsklischees im Kopf. Da dachte ich, es lohnt sich, mal zu erzählen, wie so eine muslimische Familie wirklich ist."
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