Alemayehu Eshete live in Berlin

Der Äthiopische Elvis

Der äthiopische Jazz- und Soulsänger Alemayehu Eshete, genannt "der äthiopische Elvis"
Der äthiopische Jazz- und Soulsänger Alemayehu Eshete, genannt "der äthiopische Elvis" © Shawn Brackbill
Von Thorsten Bednarz · 11.08.2017
Das Berliner Wassermusikfestival versammelt hochkarätige Weltmusik. Zum Abschluss gibt es nun nochmal ein ganz besonderes Bonbon für Kenner: Der äthiopische Jazz- und Soulsänger Alemayehu Eshete gibt sein wahrscheinlich letztes Europakonzert.
"Der äthiopische Elvis" - eigentlich führt sein Spitzname ja ziemlich in die Irre. Denn rein musikalisch hat Alemayehu Eshete mit dem echten Elvis kaum etwas gemein. Nur den lang anhaltenden Erfolg, auf den der Sänger verweist. Und die Frisur, ganz am Anfang seiner Karriere:
"Ich habe mich genauso gestylt wie Elvis in seinen Filmen damals und alle nannten mich Alemayehu Elvis. Heute sind meine Haare zu kurz für diese Tolle, aber alle nennen mich noch so."

Musikalischer Umbruch im Äthiopien der 60er

Und diese Auftritte fielen in eine Zeit des musikalischen Umbruchs in Äthiopien am Ende der 60er Jahre. Mulatu Astatke brachte den von ihm in den USA entwickelten Ethio Jazz zurück in seine Heimat und aus dem Radio dröhnten die Beatles und James Brown. Wurde Musik zuvor hauptsächlich instrumental und zu offiziellen Anlässen gespielt, so suchten selbst die großen Orchester wie das berühmte Polizeiorchester von Addis Abeba nach neuen jungen Musikern und so wurde Alemayehu Eshete "angeworben".
Er wurde zu einer Bandprobe eingeladen, hat mit den anderen Musikern gejammt und wurde euphorisch von ihnen in der Band begrüßt. Angeblich, so erzählt er heute, wusste er noch nicht einmal, um welches Orchester es sich handeln sollte:
"Mein Vater zog damals aus Addis Abeba weg in den Süden des Landes und ich lebte bei meinem Onkel. Ich hatte also die Freiheit, ganz anders zu leben als unter meinem sehr sehr strengen Vater. Und als dann meine ersten Erfolge bis zu ihm drangen, da hat er sich eine Waffe besorgt, kam nach Addis Abeba und wollte mir wieder Manieren beibringen. Ich sollte etwas Vernünftiges lernen und nicht Sänger oder Musiker werden, denn diese waren damals nur als Diener der Reichen angesehen. Zu dieser Zeit hatte ich auch den ersten richtigen Hit. Es war ein Liebeslied, aber die große Liebe lebte weit entfernt im Süden des Landes und konnte nicht zu mir kommen. Es war ein Liebeslied, aber eigentlich ging es um die Einsamkeit und um die Liebe zu meinem Vater."

Der erste Popsong Äthiopiens

Der Song "Ya Tara" ist der erste Hit von Alemayehu Eshete. Gleichzeitig gilt er als erster Popsong Äthiopiens und war wohl auch eine der ersten Schallplatten, die in dem Land damals gepresst wurden. Das Land stand am Anfang der kulturellen moderne und lebte doch noch mit den alten Wertvorstellungen, die der Vater Alemayehu Eshetes so sehr verkörperte. Denn der zog immer noch mit seiner Waffe durch Addis Abeba, um den Sohn zurück auf den rechten Weg zu bringen.

"Ich lebte im Polizei-Camp in Addis Abeba und mein Vater konnte mich nicht finden. Aber nach dem Erfolg des ersten Songs hat sich der Colonel, der Leiter des Polizeiorchesters, gerne mit mir gezeigt. Wir sind oft gemeinsam durch die Bars gezogen und in einer der Bars sah ich plötzlich meinen Vater sitzen und mit einem Freund ein Bier trinken. Ich bin fürchterlich erschrocken und sagte meinem Chef, mein Vater ist hier! Also ging der Colonel zu meinem Vater (normalerweise hätte er sich in seiner Stellung nie mit normalen Menschen abgegeben!) und sagte zu ihm: begrüßt du mich gar nicht? Bekomme ich keinen Kuss? Damit war der Streit dann beigelegt..."

Mit dem Militär hat er nie gekungelt

Und nicht nur das: Ein Jahr später etwa ging es in einem anderen Lied von Alemayehu Eshete wieder um die Liebe zu seinem Vater und dieses Mal war er so gerührt, dass er ihm sein erstes Auto schenkte – einen VW Käfer. Da hatte er dann schon seine eigene Band gegründet. Selbst in Zeiten des äthiopischen Militärregimes, das viele Künstler und Intellektuelle ins Exil trieb, blieb er Äthiopien treu. Und er ist stolz darauf, nicht mit dem Militär gekungelt zu haben, auch wenn dadurch Plattenaufnahmen fast unmöglich und auch Auftritte ständig überwacht wurden.
"Ich war niemals im Exil. Es gab natürlich viele Einschränkungen im öffentlichen und künstlerischen Leben. Aber das Militärregime konnte auch nicht alle Künstler ins Exil drängen und so ergaben sich dann doch immer wieder überraschende Freiräume für die verbliebenen. Sie mußten diese Künstler auch respektieren, wenn sie diese für sich instrumentalisieren wollten. Für mich etwa war meine Familie immer sehr wichtig. Natürlich bin ich auch damals schon viel im Ausland aufgetreten – in England, Deutschland oder den USA – aber ich kam immer wieder zu meiner Familie zurück. Andere kamen nicht zurück, die nicht mehr so gut arbeiten konnten wie ich."

Später internationaler Durchbruch

Die internationale Karriere Eshetes begann erst vor relativ kurzer Zeit. Es dauerte Jahre, bis man nach dem Comeback von Mulatu Astatke oder Hailu Mergia auch deren frühere Kollegen entdeckte, die bis dahin nur durch die weltweite äthiopische Community überleben konnten.
Erst 2008 gab es eine erste offizielle USA-Tournee von Alemayehu Eshete, bis heute hat er kein internationales Management und entscheidet alles selbst. Und so hat er schon sein Karriereende für das kommende Jahr angekündigt. Ob es vielleicht wirklich sein letztes Konzert in Europa werden könnte, werden wir wohl kaum von ihm erfahren. Vielleicht kann ihn das Berliner Publikum ja auch noch umstimmen?
"Ich schätze meine Arbeit sehr und weiß genau, was sie wert ist. Ich renne nicht rum und bitte überall, dass ich auf Festivals eingeladen werde. Aber wenn Anfragen kommen, dann prüfe ich diese und entscheide. Ich bin immer noch alle 2 bis 3 Monate im Ausland, trete dort auf. Aber ich biete mich nicht an. Da bin ich stolz darauf. Ich weiß, was ich wert bin. Und ich weiß, dass viele Menschen meine Musik schätzen."

Am 11. August tritt Alemayehu Eshete beim Festival Wassermusik im Berliner Haus der Kulturen der Welt auf. Begleitet wird er von den Musikern der Polyversal Souls aus Berlin. Gemeinsam mit denen hat er kürzlich auch eine neue Single veröffentlicht:

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