"Alef, Bet, Gimel, Dalet"

Von Georg Magirius · 08.09.2012
Hebräisch ist die Ursprache des Alten Testamentes. Die Sprache, die von rechts nach links gelesen wird, fasziniert nicht nur angehende Wissenschaftler oder Geistliche. Auch in Volkshochschulen oder Kirchengemeinden werden Kurse im Hebräischen angeboten.
"Und wie ist das, wenn zwei Mal das Jod steht?"
"Wenn zwei Mal das Jod steht?"
"Ja."
"Dann sind es zwei Konsonanten, aber keine Doppelkonsonanz ..."

Im evangelischen Gemeindehaus der Magnuskirche in Worms führt der Gemeindepfarrer Achim Müller in die Ursprache der Bibel ein, weil er glaubt: Eine Ahnung von Fremdartigkeit und Tiefe der heiligen Schrift kann man am besten durch die Originalsprache bekommen. Seit 2009 bietet er Hebräisch für Jedermann an. In diesem Jahr haben fast ein Dutzend Schüler den Kurs belegt, darunter Klaus Harthausen.

"Ich war schon zwei Mal in Israel. Und Worms hat auch eine lange jüdische Tradition. Man muss nur hier auf den jüdischen Friedhof gehen, den ältesten von Europa. Und überall stehen lauter Dinge, die man nicht verstehen kann. Und das ist insofern für Wormser noch mal extraspannend. Aber für mich persönlich ist halt auch die Motivation, in der Bibel etwas mehr zu verstehen."

Nicht nur in Worms, auch in München, Hamburg, Berlin, Köln – Kurse für biblisches Hebräisch gibt es in so gut wie jeder größeren Stadt in Deutschland. Es wird an Universitäten und Hochschulen angeboten, künftige Pfarrerinnen oder Priester sollen hebräische Texte aus der Bibel übersetzen können. Aber auch an Gymnasien wird die Sprache der Tora gelernt.

Das Besondere in der Magnusgemeinde in Worms: Hebräisch wird ohne Abschluss, Noten oder berufstaktische Erwägungen angeboten. Die Sprache selbst ist der Grund, sich in die fremden Buchstaben zu vertiefen.

Die ersten Texte der Bibel wurden vermutlich vor 2700 Jahren niedergeschrieben. Im 2. Jahrhundert nach Christus stand der Umfang der hebräischen Bibel fest. Besser als Jahreszahlen aber kann der Klang der Sprache einen grundlegenden Eindruck von der Bibel vermitteln, sagt Pfarrer Achim Müller.

"Sie wird sehr viel anschaulicher natürlich, wenn man hört, wie sie klingt. Vielleicht sind deswegen in der Grundschule bei den Lehrern auch das eine oder andere hebräische Lied ganz beliebt. Ich mach’s auch in der Grundschule: Singen, aber vor allen Dingen auch, wenn wir Bibel machen, dass wir die Buchstaben machen, das Schreiben machen. Und dann merkt man ja: Aha! Ich will meinen Namen schreiben, wie schreibt man jetzt: Jessica auf Hebräisch? Da gibt es ja gar kein J. Oder wie macht man das Doppel-C? Da gibt es ja gar kein C! Und da merkt man schon auf einer ganz einfachen Ebene: Die Sprache ist anders als unsere. Und dann kann man paar Worte ansehen. Und Gucken. Und zumindest ein bisschen das Verständnis dafür haben: Andere Sprachen funktionieren ein bisschen anders, gehen ein bisschen anders, klingen auch ganz anders."

Die Synagoge im Terminal des Flughafens Rhein-Main: Rabbiner Menachem Klein von der Frankfurter Jüdischen Gemeinde singt ein Gebet zur Eröffnung des Chanukka-Festes. Auch wenn ab dem Jahr 200 Hebräisch kaum noch als Alltagssprache verwendet wurde, blieb die Sprache im Gottesdienst lebendig und entwickelte sich in der rabbinischen Tradition fort.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann in Jerusalem der "Rat der hebräischen Sprache" gegründet – mit dem Ziel: Die über viele hundert Jahre kaum gesprochene Sprache der Bibel sollte wiederbelebt und zur Alltagssprache in Israel werden.

Im Jugendzentrum Amichai der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt unterrichtet Ricki Zaltzmann modernes Hebräisch, Ivrit, die Nationalsprache Israels. Allerdings ist diese nicht deckungsgleich mit dem biblischen Hebräisch.

"In der normalen Sprache und der Umgangssprache spricht man nicht die biblische Sprache, obwohl in Israel jedes Kind Bibelunterricht bekommt. Aber um die Bibel zu lesen, hat man sogar ein Wörterbuch für Althebräisch."

Die Ivrit-Kurse in Frankfurt besuchen Juden und Nichtjuden, die Schüler haben unterschiedliche Nationalitäten, sagt die Lehrerin. Einige wollen nach Israel, andere interessieren sich für die jüdische Kultur, manche haben entdeckt: In der Familie gab es jüdische Vorfahren. "Mit dieser Sprache könne man Grenzen überschreiten", sagt die langjährige Schülerin Gerda Eckhardt. Man schere aus gewohnten Denkbahnen aus, nicht nur dank des modernen, sondern auch des biblischen Hebräisch.

"Das impliziert ja auch immer ganz philosophische Fragestellungen. Beispiel: Der Beginn der Bibel fängt an: Bereschit. Also mit Bet. Jetzt gibt es lange Abhandlungen darüber, wieso der Anfang der Bibel nicht mit Alef, also mit dem ersten Buchstaben anfängt. Da kommt man auf Gedanken, die würde man alleine vermutlich nicht so ohne Weiteres haben. Und das ist also auch etwas, was bei dem biblischen Hebräisch einen sehr fasziniert. Und das Wunder, dass das dann die Sprache eines Volkes geworden ist und die Kinder das so schön fließend können, wie wir das nie werden können. Das ist einfach ganz toll, ja."

"Jischmor, Tischmor, Tischmor Tischmeri, Äschtemor"
"Hmhm. Plural!"
"Jischmeru"

Als spätberufener Schüler wird man Hebräisch womöglich niemals spielend leicht verstehen können. Dennoch widmen sich viele Woche für Woche dieser Sprache – wie etwa Andreas Enke, der in Worms den Anfängerkurs für Biblisches Hebräisch besucht. Wer sich in die Sprache des Alten Testaments vertiefe, sagt er, bewege sich damit automatisch auf der Grundlage des christlichen Glaubens.

"Wenn man jetzt aus dem Neuen Testament alle alttestamentlichen Stellen, die aus dem Hebräischen zunächst einmal übernommen sind, streichen würde, dann bliebe vom Neuen Testament nicht mehr viel übrig."