Alben der Woche

Radiohead werden alt - und das ist gut so

Thom Yorke bei einem Konzert mit seiner Band Radiohead in Paris am 23. Mai 2016 .
Thom Yorke bei einem Konzert mit seiner Band Radiohead in Paris am 23. Mai 2016. © imago/PanoramiC
Von Martin Böttcher · 17.06.2016
Zuletzt klangen die Veröffentlichungen der britischen Band Radiohead betont verschwurbelt und elektronisch. Ihr neues Album "A Moon Shaped Pool" überrascht mit klaren Strukturen und einem echten Orchester.

Radiohead: "A Moon Shaped Pool"

Radiohead ist eine Band, die die Klaviatur der Vermarktung aufs Beste beherrscht. Die so loyalen Fans mit rätselhaften Hinweisen ein bisschen aus dem Häuschen bringen, dann die Medien in den Strudel hineinziehen, das neue Album nur digital veröffentlichen – und schließlich für die nun auch ein bisschen verrückt gewordenen Nichtfans die CD nachliefern. Völlig okay, das gibt Gesprächsstoff und Aufregung im oft nicht sonderlich aufregenden Musikalltag. Das wichtigste aber: die Musik auf "A Moon Shaped Pool" kann mithalten – und ist sogar noch besser als die Kampagne.
Woran liegt's? Seit über 30 Jahren machen die Musiker um Sänger Thom Yorke zusammen Musik, in den letzten Jahren ging es oft verschwurbelt elektronisch zur Sache. Aber das ist Vergangenheit: Für "A Moon Shaped Pool" haben Radiohead richtig gute Songs richtig gut eingespielt, zum Teil mit Hilfe eines echten Orchesters.
Songs, die sie schon lange auf Konzerten performen, aber noch nie im Studio. Ein Alterswerk, im besten Sinne des Wortes.

Jake Bugg: "On My One"

Apropos Alterswerk: Mit 22 Jahren ist Jake Bugg auch nicht mehr das Wunderkind, als das er vor vier Jahren mit seiner ersten Platte antrat. Jetzt ist er bei Album Nummer drei, das heißt "On My One" und der Engländer hat fast alle Songs darauf ganz alleine geschrieben, die meisten Instrumente gespielt und mit wenig Hilfe selbst produziert.
Die Plattenfirma wolle das eigentlich nicht, aber Jake Bugg ist nicht nur ein ziemlich charismatischer Sänger, sondern auch ein Dickkopf. Das Ergebnis? Elf Songs, die deutlich düsterer klingen als die früheren. Und die auch nicht ganz so schnell ins Ohr dringen. Die aber immer noch weit über Durchschnitt liegen.

Let's Eat Grandma: "I, Gemini"

Noch ein Alterswerk gefällig? Hier ist eins, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn: I, Gemini vom englischen Freundinnen-Duo Let's Eat Grandma:
Let's Eat Grandma – wer sich so einen Namen gibt, der hat schon halb gewonnen. Dazu kommt: I, Gemini, das Debütalbum der beiden 17-jährigen Freundinnen aus Norwich, vereint das Beste aus zwei Welten: die Songs sind verspielt-verrückt, wie es sich für zwei phantasierende, sehr intelligente Teenager-Mädchen gehört.
Die seltsam komplexe – oder vielleicht auch nur sehr ungewohnte – Struktur ihrer Musik aber weist in eine ganz andere Richtung: so, als wären reife musikalische Geister in Mädchenkörpern gefangen. Disco-Rhythmen, seltsam verformte Stimmen, Kinderreime, all das und noch viel mehr finden hier auf gleichzeitig alte und junge Weise zusammen. Nicht immer schön, aber ganz schön interessant!
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