Agenturfotos

"Das ist sicher ein Aufbruch"

Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin des US-amerikanischen Internetkonzerns Facebook
Hat andere Bilder im Kopf: Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin des US-amerikanischen Internetkonzerns Facebook © picture alliance / dpa / Foto: Jean-Christophe Bott
Charlotte Klonk im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 18.06.2014
Die Karrierefrau, die am Schreibtisch sitzt, oder das schamlose Zeigen von Terroropfern in Afrika - Sheryl Sandberg von Facebook und Pam Grossman von der Bildagentur Getty Image wollen solchen Klischeefotos etwas entgegensetzen. Sie haben die Datenbank "Lean In Collection" gegründet.
Liane von Billerbeck: Kaum etwas prägt unser Bild der Welt so sehr wie die Fotos in der Werbung, in Zeitungen und Magazinen, und kaum etwas ist zugleich so vorurteilsbehaftet. Gerade bei Bildern, die Frauen in ihren Familien oder im Arbeitsumfeld zeigen, sind es oft Motive, die alte Klischees befeuern oder gar verstärken. In einer der größten Bildagenturen der Welt, bei Getty Images, will man daran etwas ändern. Pam Grossman verfolgt die Trends und hat gemeinsam mit der Managerin Sheryl Sandberg von Facebook begonnen, eine andere Bilddatenbank aufzubauen, die die Klischees brechen soll. Ob das tatsächlich eine schöne neue Bilderwelt ist oder die alten durch neue Klischees ersetzt werden, darüber will ich mit Charlotte Klonk sprechen. Sie ist Professorin für Kunst und neue Medien an der Humboldt-Universität Berlin, herzlich willkommen!
Charlotte Klonk: Guten Tag!
von Billerbeck: Die Bildagentur Getty Images ist ja ein börsennotiertes Unternehmen und eine der weltweit größten Agenturen. Sie hat 150 Millionen Bilder und sie hat ein Manko konstatiert: Berufstätige Frauen werden in den Medien oft als entweder überfordert oder krankhaft ehrgeizig dargestellt. Frau Klonk, Sie beobachten seit vielen Jahren die Bilderwelt der neuen Medien. Was sagen Sie, stimmt das oder ist das ein falscher Eindruck?
"Die Werbung beruht auf bestimmten Klischeebildern"
Klonk: Ja, als die Initiative von Getty zusammen mit der Facebook-Managerin Sheryl Sandberg bekannt wurde Anfang des Jahres in Amerika, hat sie relativ großes Aufsehen erregt. Und das Erstaunliche ist, dass es in Deutschland zumindest verhalten geblieben ist. Und ich glaube, das hat zwei Gründe. Es ist natürlich überhaupt keine neue Erkenntnis, dass die Werbung auf bestimmten Klischeebildern beruht und dass diese Klischeebilder dann verhaltensnormierend wirken können. Das wird in Schulen mittlerweile sogar untersucht, im Internet gibt es fantastische Parodien zu dem Frauenbild nach dem Vorbild der Bildagenturen.
Also, das alles ist bekannt und hat bestimmt auch dazu geführt, dass das Echo verhalten geblieben ist. Dazukommt, dass natürlich auch die Bildagenturen in Deutschland mittlerweile auch andere Bilder zur Verfügung stellen. Was aber außer Frage steht, ist, dass nach wie vor immer noch bestimmte Bildmuster bedient werden von den Bildagenturen und besonders häufig abgefragt und abgerufen werden von den Werbe- und Presseagenturen. Und insofern, glaube ich, liegt der Wert dieser Initiative weniger in der Datenbank selber – die ist ganz klein im Vergleich zu der riesigen Datenbank, die…
von Billerbeck: So ein paar Tausend Bilder bisher …
Klonk: 2.500, und eben 150 Millionen in der ganzen Datenbank. Aber eben in dem Anstoß, den diese große Initiative eben mit der Facebook-Managerin zu einer größeren Debatte gegeben hat. Denn es gibt tatsächlich einen merkwürdigen, geschlossenen Zirkel, der… Pressefoto, es gibt auch gute Untersuchungen dazu, die Pressefotografen oder die Fotografen überhaupt sagen, ich muss das so fotografieren, weil, nur das wird mir von den Agenturen abgenommen, und dann bieten die Agenturen nur bestimmte Bilder an, die dann wiederum natürlich von den Werbe- und Presseagenturen benutzt werden. Insofern ist der Einstieg für Innovationen an dieser Stelle besonders schwierig. Und da liegt, glaube ich, der Wert dieser Initiative jetzt.
von Billerbeck: Aber interessant ist doch, dass auch in den Bildagenturen – ich weiß das von bilderwerk aus Hamburg, um mal eine deutsche Agentur zu nehmen, oder bei Ostkreuz, die ja eine ganz andere Fotografie machen –, und auch unter den Fotografen sind doch genug Frauen. Warum liefern die nicht einfach andere Bilder?
Klonk: In diesen Agenturen gibt es wirklich auch andere Bilder. Das Problem ist, dass der Markt mittlerweile beherrscht wird von diesen großen Bildagenturen wie Getty oder Corbis, die ganze Bildarchive aufgekauft haben, die einfach so durch das Angebot, was sie haben, so marktbeherrschend geworden sind, dass das, was dort jederzeit zu jedem Moment digital in der Welt abgerufen wird, eigentlich diese kleinen Agenturen, die es nach wie vor gibt, in den Hintergrund gedrängt haben.
von Billerbeck: Wie sind denn Ihre Erfahrungen? Sie beschäftigen sich ja lange auch mit Bildern in den neuen Medien. Was für Frauen-Images werden da gezeichnet?
"Man sieht auch wirklich ältere Frauen"
Klonk: Ein kleiner Blick in die Agenturen in Deutschland zeigt, dass es wirklich vielfältiger geworden ist, das Bild. Aber nach wie vor gibt es natürlich die Klischees, die bedient werden, also eine Karrierefrau ist immer noch eine Frau, die irgendwie am Schreibtisch sitzt und am Computer arbeitet. Das ist wirklich etwas, was auffällt in dieser neuen Datenbank, die Getty aufgebaut hat mit dem Titel "Lean In Collection", dass tatsächlich Frauen in Berufen gezeigt werden, in denen sie wirklich tätig sind, und nicht nur Berufe, die ausschließlich traditionell als Frauenberufe gelten. Also in der Maschinenhalle oder bei Aktivitäten, von denen man ausgeht, dass sie normalerweise nur von Männern betrieben werden, wie Jagen und so weiter.
Da sind jetzt einige Bilder, die wirklich auffallend noch mal ein anderes… Also, die Vielfalt ist viel größer geworden, die Frauen haben auch sehr untersch… Also, man sieht nicht mehr nur 16-jährige Modells, die offensichtlich schon die Karriereleiter erklimmt haben, sondern man sieht auch wirklich ältere Frauen. Es sind immer noch wunderschöne Bilder, es sind sogenannte Stock Images, das heißt, das sind inszenierte Bilder und natürlich werden die meistens zu Werbezwecken eingesetzt. Aber es gibt wunderbare Bilder, da freut man sich auch dran jetzt in dieser neuen Datenbank. Zum Beispiel habe ich eins gesehen, was mir gefallen hat, ein Mann, der mit einem kleinen Mädchen Schach spielt. Das ist sicher ein Aufbruch in gewisser Weise.
von Billerbeck: Nun sagen Sie selbst, wenn das jetzt erst mal ein kleiner Anfang ist, zweieinhalb Tausend Bilder in einer Bilddatenbank von mehreren Millionen, von 150 Millionen Bildern allein bei Getty Images… Was bedeutet das, wenn jetzt so eine große Agentur versucht, da auch unser Bildgedächtnis zu verändern, unsere Bildersprache von Frauen, die in der Öffentlichkeit stattfinden?
Klonk: Pam Grossman, die Initiatorin des Projektes, beruft sich darauf, dass sie hier selbst nicht etwas Neues in die Welt setzt, sondern aufgreift, was natürlich schon längst im Internet verbreitet ist. Sie bezieht sich da auf Facebook und sagt, hier, hat sie festgestellt, gibt es ein ganz anderes Frauenbild als das, was in ihrer Bilddatenbank repräsentiert ist. Ich glaube, dass in dieser Datenbank selbst von 2.500 Bildern, – da ist ja auch die Frage, wie und wann werden die abgerufen – allein noch nicht die Innovation liegt. Ich glaube, dass der Anstoß für eine Debatte, wie Bildmuster sich immer fortsetzen in Gesellschaften, dass da der eigentliche Wert liegt dieser Initiative. Sodass ich hoffe oder zumindest daran anknüpfen möchte, dass Bildagenturen grundsätzlich mal darüber nachdenken, wie eigentlich ihre Auswahlkriterien bestimmt sind und welches Muster immer wieder automatisch bedient wird. Weil natürlich, die Auswahl muss schnell geschehen, auch die Auswahl der Bildredakteure geschieht oftmals in Sekundenschnelle und damit werden immer automatisch bestimmte Bildmuster bedient.
Ein Beispiel, was mir da in den Sinn kommt, ist ein Bericht über die Bildungschancen von Mädchen aus Einwanderungsfamilien. Das wurde illustriert mit einem Foto, das verschleierte Frauen, also Frauen in Burka, auf dem Spielplatz Kinderwagen schiebend zeigt. Das heißt, was da passiert ist, ist in Sekundenschnelle, ein Bildredakteur hat Migrantenthema gesehen und sofort auf so ein Klischeebild zurückgegriffen. Und wenn die Debatte, die jetzt Getty und Sheryl Sandberg angestoßen haben, wenn die dazu führt, dass grundsätzlich mal in Bildagenturen, bei Fotografen und dann eben auch bei den Abnehmern ein größeres Bewusstsein für die Muster entsteht, die man immer wieder bedient, dann ist, glaube ich, sehr viel erreicht.
von Billerbeck: Das ist jetzt sehr positiv, was Sie sagen. Trotzdem ist es natürlich auch ein super Werbeeffekt für Getty Images und für Sheryl Sandberg von Facebook, von der man ja auch weiß, dass sie so quasi die ideale berufstätige Frau verkörpert. Sie hat eine Wahnsinnskarriere gemacht, sie ist da, glaube ich, die Vizechefin bei Facebook, sie hat mehrere Kinder und das alles nebenbei, und es sieht so leichtfüßig aus. Und jede Frau, die mehrere Kinder hat, berufstätig ist, die sagt, dann sieht sie auch noch gut aus und hat auch noch Geld! Da kommen ja auch wieder Klischees zusammen von einer Frau, die ja schwer privilegiert ist. Also, macht es das nicht ein bisschen anrüchig diese Kampagne?
Klonk: Es ist ohne Zweifel eine grandiose Werbestrategie, und auch die Bilder, die in dieser Datenbank jetzt zu finden sind, sind ausschließlich Bilder, die…
von Billerbeck: …keine Frauen wie du und ich zeigen.
"Die werden zu Werbezwecken eingesetzt"
Klonk: Genau, Frauen bei der Arbeit, die eben so wie ich hier gerade es nicht mehr geschafft haben, den Nagellack aufzubessern, das sind perfekte Frauen. Und das war offensichtlich auch ein Kriterium Frauen in ihrem Empowerment darzustellen. Das war ein Auswahlkriterium, was sie auch benannt haben. Das ist ganz sicher so, da wird eine neue Vorstellung generiert. Und man muss sich nichts vormachen, das sind Stock Images, die werden zu Werbezwecken eingesetzt, und ich glaube, es wäre naiv, hier zu verlangen, dass die überforderte Frau, die wir ja nun alle sind, mit der Doppelbelastung von Beruf und Familie, dass die in irgendeiner Weise hier in ein umfassendes und realistisches Bild gesetzt wird.
Dennoch möchte ich betonen, dass ich doch glaube, dass man einfach darüber hinaus eine Debatte anstoßen kann über Bildmuster. Und eben auch in diesem Fall, man kann sagen, okay, wenn solche Initiativen gestartet werden, was sind das für neue Muster, die hier wiederum greifen. Natürlich greifen immer Bildmuster, es wäre naiv, was anderes zu verlangen hier. Aber all das sehe ich dennoch als Chance, mal darüber nachzudenken, mit welchen Mustern wir eigentlich gut leben können und welche wir überdenken. Dass wir jetzt das Bild der Frau und die Rollenbilder überdenken, das ist ja an sich, das ist wirklich schon seit Jahrzehnten diskutiert worden, an sich nicht innovativ, aber vielleicht ist es der Anfang. Es gibt wirklich Bereiche, wo es noch viel brennender ist. Also, meiner Meinung nach – und das ist mein Forschungsfeld – ist es die Berichterstattung zu Terrorakteuren, die wirklich sehr klischeehaft operiert. Also, die eigenen Toten, jetzt in dem Fall in den westlichen, industrialisierten Ländern, kann man nicht zeigen, aber die in Afrika oder anderswo, weit weg, relativ schamlos. Und auch da, denke ich, ist eine Debatte notwendig. Da braucht es Forschung, um die Bildmuster mal aufzudecken.
von Billerbeck: Charlotte Klunk sagt das, Professorin für Kunst und neue Medien an der Humboldt-Universität Berlin, nach dem Vorstoß der Bildagentur Getty, um das öffentliche Frauenbild zu verändern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.