AfD im Praxistest

Unterwegs mit Berliner Stadträten

Eine Fahne bei der AfD Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Essen.
Wahlkampf-Auftaktveranstaltung der AfD © imago
Von Wolf-Sören Treusch · 22.04.2017
Schlägt die AfD einen realpolitischen Weg ein oder setzt sie auf Fundamentalopposition? Diese Frage wird anlässlich des Bundesparteitags diskutiert. In Berlin trägt die Partei seit etwa einem halben Jahr Regierungsverantwortung, stellt sieben Stadträte. Wie arbeiten die Neu-Politiker?
"So" – "Hallo" – "Guten Tag!"
Ortstermin am Schäfersee im Berliner Norden, Bezirk Reinickendorf, mitten in einem Wohngebiet. Die Anwohner können es kaum erwarten, ihr Anliegen beim zuständigen Stadtrat loszuwerden.
Anwohner: "… und verscheuchen die Vögel." – "Im Uferbereich da vorne." – "Das soll..."
Sebastian Maack: "Am besten immer nur einer gleichzeitig."
Anwohner: "Entschuldigung."
Sebastian Maack, Stadtrat für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten im Bezirk, versucht, die Gemüter zu beruhigen. Gar nicht so einfach. Denn die Bürger sind sauer. Darüber, dass die Besucher des Sees trotz Verbots ständig den Uferbereich betreten und sogar im See angeln, und darüber, dass sie überall ihren Müll hinterlassen in der geschützten Grünanlage.

Auch Stadtrat Maack eiert ein wenig herum

Frau: "Eigentlich müsste man einzäunen, einmal rundherum richtig einzäunen bis auf ein Stück, den man zur Liegewiese machen kann."
Maack: "Aber man muss ja dazu sagen, dass das hier schon ein sehr schöner Fleck ist und auch ein sehr hochwertiges Naherholungsgebiet, und dass man es den Menschen auch irgendwie zur Verfügung stellen sollte, und wenn man jetzt hier einen großen Zaun zieht, würde es doch den Charakter dieses Sees sehr - war ja mal einer - schädigen."
Geduldig hört der Stadtrat den Anwohnern zu, macht sich ein Bild von den Zuständen am See.
Frau: "Was ist wichtiger: Dass die Leute machen, wie sie wollen, oder dass wir ein Stückchen Grün erhalten und schützen?"
Maack: "Grün erhalten und schützen ist wichtig, gerade in dem Kiez, aber es hilft ja nichts, wenn ich Grün erhalte, was dann nicht genutzt werden kann."
Seit einem halben Jahr ist Sebastian Maack für Ordnungsangelegenheiten wie diese zuständig. Er ist damit der erste AfD-Politiker bundesweit, der quasi Regierungsverantwortung trägt. Und er nimmt seinen Job sehr ernst. Er will für alle Bürger da sein. Auch für die, die gerade auf einer der vielen Parkbänke sitzen und in die kalte Frühlingssonne blinzeln.
Frau: "Wenn ich dann so den ganzen Dreck und dieses Rumlungern so sehe."
Maack: "Na gut, erst einmal dürfen die Bürger hier ja schon sitzen."
Frau: "Was dann da aber so rumsitzt, und die sitzen teilweise den ganzen Tag auf den Bänken."
Maack: "Die, die ich da jetzt auf der Bank sehe, finde ich jetzt nicht so dramatisch und würde das auch nicht mit Rumlungern bezeichnen."
Einerseits – andererseits: Auch Stadtrat Maack eiert ein wenig herum. Wie jeder andere Politiker, der solche Termine wahrnimmt, egal, aus welcher Partei.

"Beweis erbringen, dass die AfD-Stadträte gute Arbeit leisten"

"Insgesamt ist es mir wichtig, einen Beweis zu erbringen, dass die AfD-Stadträte eine gute Arbeit leisten. Es gab ja ein paar sehr hämische Aussagen einige Ihrer Kollegen, die sagten, man müsse die AfD nur an die Regierungsverantwortung bringen, dann würde sie sich angeblich von selbst erledigen und man zeigen, dass dort nur Probleme benannt werden können, aber keine gelöst werden, und es wäre mir eine sehr große Genugtuung, wenn ich zeigen kann, dass genau das Gegenteil der Fall ist."
Noch lässt sich nicht erkennen, ob die AfD Probleme besser lösen kann als andere. Aber immerhin: In den ersten Monaten seiner Amtszeit hat Sebastian Maack die langen Wartezeiten im Standesamt deutlich verringert. Die politischen Mitbewerber in seinem Bezirk haben keine Berührungsängste. Bürgermeister Frank Balzer von der CDU spricht von einem kollegialen Miteinander mit dem Kollegen von der AfD.
"Die Zusammenarbeit ist vernünftig, sie ist an der Sache orientiert, und von daher kann ich da jetzt nichts Negatives sagen."
Andernorts verläuft die Zusammenarbeit schlechter. In Berlin gibt es weitere sechs AfD-Stadträte. Entweder sie werden von den anderen Parteien ignoriert, besitzen nur geringe Sachkenntnis oder sie haben ein so kleines Ressort, dass sie über keinerlei Gestaltungsspielraum verfügen.

Die Demokratie wird es aushalten

Das Chaos innerhalb der Führungsspitze der AfD auf Bundesebene hingegen sei kein Thema, sagt Stadtrat Maack, und gibt sich ähnlich "diplomatisch" wie im Gespräch mit den Bürgern am Schäfersee.
"Natürlich würde ich mir wünschen, dass die eine oder andere Äußerung noch einmal überdacht wird auf Bundesebene. Aber das sind alles emotionale Menschen, die natürlich auch für ihre Ideen und Ideale fiebern und entsprechend sich äußern."
Im Berliner Norden schlendert der Stadtrat nun schon eine gute Stunde mit den Anwohnern um den See, als plötzlich eine ältere Dame auf ihn zustürmt und ihrem Unmut Luft macht: über die lärmenden Jugendlichen, die vielen Falschparker, den Müll am See.
Frau: "Es ist furchtbar geworden hier."
Maack: "Bei Ruhestörung können Sie bis 22 Uhr das Ordnungsamt anrufen und danach die Polizei."
Frau: "Dat Ordnungsamt, Herrgott, dat Ordnungsamt! Gibt es überhaupt in Berlin ein Ordnungsamt? Die kommen doch erst gar nicht!"
Spätestens jetzt wird klar: Patentlösungen zu finden, ist für Politiker der AfD genauso schwierig wie für die jeder anderen Partei. In sieben Berliner Bezirken regiert die AfD nun mit – die Demokratie wird es aushalten.
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