AfD-Demo und Gegenprotest

Musik und Party gegen Rechts

Berlin: Demonstranten protestieren auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor gegen eine Demonstration der AfD.
Zum Protest gegen die AfD kamen deutlich mehr Menschen, als sich an der Demonstration der Partei selbst beteiligten © dpa/picture alliance/ Britta Pedersen
Von Nadine Lindner · 27.05.2018
Musik, Kostüme und Party: Rund 25.000 Menschen haben am Wochenende friedlich gegen Rechtspopulisten demonstriert - etwa 5.000 AfD-Anhänger versammelten sich auf der anderen Seite. Einen "Tag der Abrechnung" mit der Politik der Regierung hatte die Partei angekündigt - und traf auf reichlich Gegenprotest.
Die Frau im Clowns-Kostüm lehnt am Geländer der Spreebrücke, hofft auf einen Luftzug – und spricht über ernste Themen im quietschbunten Outfit.
"Ich finde, dass jeder, der nicht aufsteht, gegen alles, was von rechts kommt, der hat seine Verantwortung als Staatsbürger nicht getan. 1933 hat das auch so angefangen mit solchen Aufmärschen."
Sie wischt sich einen Tropfen Schweiß aus dem Gesicht, wohl darum bedacht, die Schminke nicht zu verschmieren. Warum, denkt sie, hat die AfD Zulauf?
"Also ich glaube, dass ein großer Teil daran ist, dass sich Menschen ausgegrenzt fühlen von den demokratischen Prozessen."
Im Clownskostüm ist die Berlinerin und schon ein bisschen älter als die meisten hier, mehr will sie nicht von sich preisgeben. Eine, von 25.000, die laut Polizei gegen die AfD auf die Straße gegangen sind. Es kursierte ein Bonmot, nachdem die AfD eine Großdemo angemeldet hatte, es aber dann eine Größer-Demo der anderen gab. Berliner Theaterleute, Parteien, Initiativen hatten aufgerufen. 5.000 waren es auf Seiten der AfD.

"Ich sehe dieses ganz oder gar nicht"

Es sind die kleine Gespräche am Rande der großen Kundgebungen, die diesen Demo-Tag auch ausmachen. Nur ein paar Meter weiter, auf der gleichen Spreebrücke steht ein Mann im langärmeligen Hemd und gepflegten Bermudashorts. In seinen bürgerlichen Sommer-Klamotten schaut etwas verloren zwischen beiden Gruppen hin und her. Auf der einen Seite der Spree steht die AfD, auf der anderen Seite die Gegendemonstranten, beide lautstark gegeneinander:
"Ich sehe so dieses ganz oder gar nicht. Und das ist das, was mich am ehesten so an 1933 erinnert. Entweder wir lassen sie alle rein oder gar keinen rein. Das ist für mich keine Option. Aber die Demokratie lebt vom Kompromiss und der Empathie und das sind Dinge, die ich hier in der ganzen Debatte nicht mehr sehe."
Auf Namensnennung legt auch der 38-Jährige keinen Wert.
Einen "Tag der Abrechnung" mit Merkel, mit der Flüchtlingspolitik, unter dem Motto "Zukunft Deutschland" hatte die AfD angekündigt. Hier fordern zwar viele der Demonstranten endlich objektive Berichterstattung ein, wollen aber selbst keine Interviews geben. Oder werden etwas offensiver:
- "Sie hätten unter Goebbels einen guten Job gemacht, garantiert!"
- "Ich lese keine deutsche Zeitung mehr, ich höre auf damit."

Protest gegen Einwanderung

Einige, die dann doch reden, überlegen es sich später anders und wollen dann doch nicht, dass das Material gesendet wird. Eine Ausnahme ist dieser 49-Jährige aus Schwerin, seit kurzem AfD-Mitglied.
- "Ich wollte sie noch mal fragen, warum sie hier her gekommen sind?
- "Naja, mein Hauptgrund ist natürlich, dass mir die Masseneinwanderung nicht gefällt, das ist alles."
Er trägt eine Deutschlandfahne in der Hand, - wie viele der 5.000 Demonstranten hier –, die AfD ließ sie großzügig fabrikneu verteilen. Später auf den Fotos wehen sie zu Hunderten im Wind.
- Reporterin: Wie stehen sie denn zum Grundrecht auf Asyl?
- "Also wenn ich ehrlich sein soll. Das ist für mich nur noch ein Scheißdreck. Ich sag mal, wenn es schwere Einzelschicksale gibt, mir sind die alle mittlerweile vollkommen egal."
Partei-und Fraktionschef Alexander Gauland bekräftigt während seiner Ansprache vor dem Brandenburger Tor seinen Kurs, nach dem man sich das Land zurückholen wolle: "Unsere Kinder, unser Land, unsere Zukunft, deswegen stehen wir hier. Und wir sind die einzige Partei, die dieses Programm hat."

Lob für Pegida

In der Ansprache von Andreas Kalbitz, Partei- und Fraktionsvorsitzender in Brandenburg, wird deutlich, dass es der AfD auch darum geht, Bündnisse im rechten Spektrum zu schmieden.
"Und ich danke auch den Vertretern der Mitstreiter der zahlreichen Bürgerinitiativen, Pegida Dresden, den engagierten Frauen von 'Kandel ist überall', der 'Zukunft Heimat', 'Ein Prozent", den 'Merkel-muss-weg-Initiativen'. Und so vielen anderen Menschen, auch jungen Menschen."
Er lobt Pegida unter Jubel, obwohl es offiziell noch einen Unvereinbarkeitsbeschluss gibt. Fest im Blick: die Landtagswahlen 2019 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Party oder Politik?

Deutschland-Fahnen bei den einen, Glitzerschminke und Einhornkostüme bei der anderen Demo. Berliner Clubbetreiber hatten zu "AfD wegbassen" aufgerufen. Der Vergleich mit der Loveparade, der großen Technoparade aus den Neunzigern, liegt nahe. Ist das Party oder ist das Politik, das wurde auch innerhalb der linken Gruppen kontrovers diskutiert. Es ist Politik, findet zumindest diese Frau:
"Zeigen, dass der Großteil der Stadt sich gegen die AfD stellt und der Fröhlichkeit, dem Multikulturalismus, dem Antirassismus zugesprochen ist."
Auf ihrem Schild steht in großen bunten Buchstaben "Gaudi statt Gauland", wenn sie tanzt, wippt es über den Köpfen im Takt.
Die Bilanz der Polizei nach diesem fällt in weitesten Teilen positiv aus. Im Polizeideutsch "weitgehend störungsfrei" seien die Kundgebungen verlaufen. Das Polizei-Konzept, die Abschlusskundgebungen zwar nah beieinander abzuhalten, aber durch Zäune und Polizeisperren zu trennen, ging auf. Insgesamt hatten sich über 30.000 Menschen in Berlin-Mitte versammelt, bis zum späteren Abend ist Techno im Regierungsviertel zu hören.
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