Äpfel und Hackfleisch per Mausklick

Von Arne Lichtenberg · 25.07.2012
Während der Buch- und Elektrohandel im Internet boomt, ist die Lebensmittelbranche größtenteils noch offline. Zwei Düsseldorfer Unternehmer wollen das ändern: In ihrem Kaufmannsladen kann man Obst und Gemüse online vorbestellen - oder sich nach Hause liefern lassen.
"Dann kann man die hintereinander alle abscannen. So, jetzt hat er den Artikel abgescannt."

Die Kinderaugen starren wie gebannt auf die Finger von Benjamin Brüsers. Mit der Kamera seines Smartphones scannt er den Produktcode einer Packung Kamillentee ab, die an einer Säule vor dem Laden "Emmas Enkel" klebt.

"Dann kommt man bei uns auf die Seite. Und hier wird jetzt angezeigt: Neues Produkt wurde in den Warenkorb gelegt. Und dann ist die Packung mit dem Kamillentee schon direkt im Einkaufskorb."

Zwei Klicks weiter baut sich auf Benjamin Brüsers Handy die Website des Ladens "Emmas Enkel" auf. Und schon sieht man die gerade ausgewählte Packung Kamillentee im Einkaufskorb.

Einkaufen im 21. Jahrhundert, so könnte man es überschreiben, was Benjamin Brüser den Jugendlichen gerade demonstriert hat. Was futuristisch klingt, ist in seinem Tante Emma-Laden Wirklichkeit. Im Herbst 2011 eröffnete er zusammen mit seinem Mitstreiter Sebastian Diehl mitten im Zentrum von Düsseldorf den Laden mit dem originellen Namen "Emmas Enkel". Die Idee dazu schlummerte schon zehn Jahre in der Schublade, sagt Benjamin Brüser:

"Wir haben gesagt, es wäre doch eigentlich perfekt, wenn man diese Kombination hinbekommen würde: Man ruft per Handy in seinem kleinem Tante Emma-Laden an und 20 Minuten später ist der Einkauf, den man telefonisch durchgegeben hat, schon gepackt."

Benjamin Brüser und Sebastian Diehl wollen ihren Kunden mit diesem Konzept wieder wertvolle Zeit zurückgeben. Das merkt man auch, wenn man den typischen Tante Emma-Laden in der Berliner Allee in Düsseldorf betritt. Der Laden wirkt luftig und einladend, die Produkte stehen fein sortiert in schmucken Holzkästen. Aber "Emmas Enkel" ist kein reiner Tante Emma-Laden sondern einer mit Online-Komponente.

"Wir sind ein modernes sogenanntes Cross-Channel-Konzept. Das heißt, es gibt mehrere Kanäle, wie ich einkaufen kann. Klassisch hier bei uns im Laden, aber auch online über unsere Webseite oder man setzt sich in die Gute Stube, trinkt einen Kaffee und nimmt sich nebenbei das iPad und hat so einen gemischten Einkaufskanal."

Während die Kunden im Laden dann entspannt ihren Kaffee zu Ende trinken, werden die ausgewählten Produkte fertig gepackt und der Kunde kann sie später an der Einkaufstheke in Empfang nehmen.

Benjamin Brüser und Sebastian Diehl ist damit etwas gelungen, was bisher in Deutschland noch undenkbar schien: Der Einkauf von Lebensmitteln über das Internet. Hier tun sich die Deutschen unheimlich schwer. Im Jahr 2010 gab der Deutsche nur ganze zwei Euro für Lebensmittel im Internet aus - im gesamten Jahr wohlgemerkt. In Großbritannien waren es im gleichen Zeitraum 82 Euro.

Christian Kukwa, von der Unternehmensberatung AT Kearney hat in Zusammenarbeit mit der Universität Köln knapp 700 Verbraucher zu ihrem Kaufverhalten von Lebensmitteln im Netz befragt:

"Vor allem haben wir in unserer Studie, die wir 2011 durchgeführt haben, bemerkt, dass um die 80 Prozent der Verbraucher sich gar nicht bewusst sind, dass es die Möglichkeit gibt, Lebensmittel im Internet zu beziehen. Dabei sagen die Verbraucher auf der einen Seite: Ja, Wein und andere trockene Lebensmittel, okay. Aber frische Lebensmittel - da ist das noch gar nicht vorhanden."

In der Tat ist es auf dem Markt für Online-Food noch recht überschaubar. Große Ketten wie Edeka, Netto oder auch Rewe bieten wenn überhaupt nur einen begrenzten Online-Einkauf von Lebensmitteln an. So kann bei Rewe erst in elf Städten in Deutschland die Ware online bestellt und dann später am Markt abgeholt werden. Den Lieferservice nach Hause bietet Rewe gar nur in Hamburg und Frankfurt an.

Man befinde sich zurzeit noch in einer Testphase, auch die Kunden müssen sich erst noch daran gewöhnen, sagt Christian Griem, Leiter E-Commerce bei Rewe:

"Der Kunde, der im Internet bestellt, der muss sich im Vorfeld überlegen, was er kauft, der muss das gut planen. Das ist schon eine Umstellung seines Verhaltens. Von daher braucht das seine Zeit, bis der Nutzen erkannt wird, aber der Nutzen liegt eigentlich darin, dass er nicht mehr in den Markt muss, also er spart Zeit und für den Lieferservice spart er auch das Benzingeld und vor allem muss nicht er mehr schleppen, der Kunde, er muss nicht mehr an der Kasse warten."

Ein Grund warum die Supermärkte bisher auch noch recht zurückhaltend mit ihren Online-Aktivitäten sind: Sie haben Angst, sich selbst zu schaden.

"Das ist übrigens auch ein Vorteil, den der Kunde hat beim Online-Bestellen, dass er - leider, müssen wir als Händler sagen - doch rationeller einkauft. Also er wird nicht dazu verleitet, Artikel zu nehmen, die er nicht ohnehin plant zu kaufen."

Neben dem mangelhaftem Angebot von Online-Shops und einer guten Supermarktdichte in Deutschland, schreckt noch ein weiterer Grund die Verbraucher vom Online-Einkauf ab. Christian Kukwa:

"Der Kunde möchte die Produkte gerne sehen, er möchte sie anfassen, also hier das visuelle und das haptische. Und das ist gerade bei frischen Lebensmitteln dann der kritische Faktor, warum diese dann nicht bestellt werden."

Zurück im Laden von "Emmas Enkel". Eine Frau Anfang 50 betritt den Laden. Etwas irritiert schaut sie sich um, dann steuert sie schnurstracks auf das Objekt ihrer Begierde zu: Eine Flasche Wermut soll es bitte sein. Es ist ihr erster Besuch bei "Emmas Enkel". Aber sie ist sehr angetan von dem Konzept, auch die Online-Bestellung begeistert sie:

"Das ist eigentlich eine Nische oder eine Ecke. Also ich würde sagen, mehr ausbauen! Eine tolle Sache. Gerade auch für Berufstätige. Ich komme garantiert wieder."


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