Ägyptische Königin

Neue Spekulationen um das Grab der Nofretete

Büste der ägyptischen Königin Nofretete, die ca. 3000 Jahre alt ist, im Neuen Museum in Berlin
Gilt bis heute als Schönheit: Die ägyptische Königin Nofretete lebte vor etwa 3000 Jahren © picture alliance / dpa / Soeren Stache
Dietrich Wildung im Gespräch mit Patrick Wellinski · 11.08.2015
Wo der Leichnam der Nofretete liegt, ist ungewiss. Der Archäologe Nicholas Reeves meint, die Mumie könnte sich hinter der Grabkammer des Tutanchamun befinden. Der Ägyptologe Dietrich Wildung hält das für eine Mischung aus Beobachtung und Mutmaßung.
Vor zehn Jahren kehrte die Büste der Nofretete auf die Berliner Museumsinsel zurück. Nun gibt es neue Spekulationen um das Grab der legendären ägyptischen Königin. Laut einer Studie des britischen Archäologen Nicholas Reeves könnte ihre Mumie in einem Geheimraum hinter der Grabkammer des legendären Kindkönigs Tutanchamun liegen. Der Forscher der US-Universität Arizona verweist dabei auf mögliche Mauerdurchbrüche an den Wänden, die durch eine spätere Bemalung übertüncht wurden. Entdeckt hat er sie auf kürzlich veröffentlichten, hochauflösenden Bildern des Tutanchamun-Grabes.
Im Deutschlandradio Kultur bewertete Dietrich Wildung, der ehemalige Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, die Theorie von Reeves in zwei Kategorien: Zum einen beruhe sie auf exakten, stichhaltigen Beobachtungen, zum anderen aber handele es sich auch um Mutmaßungen und kühne Schlussfolgerungen.
"Ich fühle mich ein klein wenig blamiert"
Reeve argumentiert bei seiner Theorie besonders mit der Entstehungsgeschichte des Grabes, das für den Kinderpharao Tutanchamun ziemlich provisorisch und auffallend klein ausgefallen sei. Von dieser These fühle er sich allerdings "ein klein wenig blamiert", meinte Wildung:
"Ich greife mir an die Nase und sage: 'Warum habe ich das selber nicht gesehen? Warum haben das andere nicht gesehen?' Er stellt nämlich fest, dass in der Stilistik der dargestellten königlichen und anderen Personen in den Malereien der Kammer verschiedene Phasen der Ausmalung feststellbar sind."
Zwei verschiedene Maltechniken
So seien die Hintergründe dieser Malerei in zwei verschiedenen Techniken ausgeführt, die eine sei früher, die andere später entstanden:
"Das, was ich gerne selber auch gesehen hätte – aber ich habe nie so genau hingeschaut – ist, dass in den dargestellten Personen stilistische Unterschiede in der Körper- und in der Gesichtsbildung feststellbar sind. Sie geben Anlass anzunehmen, dass eine Wand, von der aus vermutlich diese vermauerte Tür dann in bisher unbekannte Räume führt, dass eine Wand einen König zeigt, in dem man eine idealisierende Darstellungsweise der Nofretete sehen könnte."
Handelt es sich um das Grab einer Frau?
Reeves belege seine Vermutung, dass sich hinter der Wand das Grab einer Frau befinde, mit einer von der Ägyptologie bisher noch nicht gemachten Beobachtung, erläuterte Wildung. Es gehe um die Lage dieser Tür:
"Wenn dort weitere Grabräume liegen, dann ist die Abfolge der Grabräume sozusagen rechtsläufig. Und die rechtsläufige Abfolge der Räume – das wäre etwas, was typisch ist für weibliche Bestattungen, für Bestattungen von Damen der Königsfamilie."
Dass Reeves daraus den Schluss ziehe, dass es sich nur um Nofrete handeln könne, gehöre aber auf das Feld der Spekulation und der Vermutung, kritisierte Wildung:
"Da will ich ihm nicht folgen. Da müssen wir die Ergebnisse weiterer archäologischer und naturwissenschaftlicher Untersuchungen abwarten."
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