Abschied von Günter Grass

Gedenken mit Wehmut und Respekt

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Der Schauspieler Mario Adorf betrachtet am 10.05.2015 in Lübeck (Schleswig-Holstein) die Skulptur "Butt im Griff" im Garten des Günter Grass-Hauses bei einem Empfang vor der Gedenkfeier für Günter Grass. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Katrin Bohlmann · 10.05.2015
Mit einer wehmütigen und auch politischen Gedenkfeier hat Deutschland Abschied von Günter Grass genommen. Knapp vier Wochen nach seinem Tod gedachten in seiner Wahlheimat-Stadt Lübeck 850 Gäste aus Kultur, Politik und Gesellschaft des Literaturnobelpreisträgers.
Es war eine Gedenkfeier ganz nach Grass´scher Manier. Bewegend, aber nicht getragen. 850 Freunde, Politiker und Kulturschaffende haben des Günter Grass gedacht. Noch zu Lebzeiten hatte der Literaturnobelpreisträger zusammen mit seiner Frau Ute die Gedenkfeier geplant. Ganz wichtig war ihm dabei: Es sollte keine Trauerfeier werden. Er wünschte sich das Theater Lübeck als Ort des Gedenkens und sein Lieblingsensemble Capella de la Torre mit frühbarocker Musik.
Bundespräsident Gauck war nach Lübeck gekommen, hielt aber keine Rede. Er wolle im Stillen gedenken, ließ er mitteilen. Hauptredner war der amerikanische Schriftsteller John Irving. Ein enger Grass-Freund. Für ihn war der Verstorbene stets ein literarisches Vorbild. Und so brachte der Amerikaner - ganz nach dem Geschmack von Grass - eine gewisse Leichtigkeit in die traurige Gedenkfeier:
"Ich spreche zu Ihnen als Günters Freund, aber auf Englisch, ich kann nicht das auf Deutsch sagen, was ich will."
Mit Wortwitz auf Deutsch und Englisch blickte John Irving zurück auf das literarische Schaffen von Grass und ihren Begegnungen. Auch er - Irving - sei von Grass kritisch angegangen worden, erzählte der US-Schriftsteller. Er wirke nicht mehr so zornig, habe Grass ihm bei einem Besuch in New York in den 80er-Jahren vorgeworfen. Irving ging nicht nur auf Grass´ Blechtrommel ein - sondern auf dezente Art auch auf seine SS-Vergangenheit.
"In 'Beim Häuten der Zwiebel' nannte sich Günter 'das gebrannte und deshalb unheilbar auf Widerspruch gestimmte Kriegskind'. In seinem letzten Brief an mich, den ich nicht mehr beantworten konnte, finde ich im letzten Absatz Anklänge an seine Autobiographie: 'Die Welt ist wieder einmal aus den Fugen und mir, dem kriegsgebrannten Kind, kommen böse Erinnerungen.'"
Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland
Pawel Adamowvicz - Stadtpräsident von Danzig - Grass' Geburtstadt - würdigte in seiner Rede den Verstorbenen als Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland. Er begrüßte zunächst die Witwe Ute Grass auf Deutsch. Im Anschluss zitierte Adamowviiiicz aus Grass' Gedicht "Polnische Fahnen" in seiner Muttersprache und sagte dann.

"Es ist kein Zufall, dass Günter Grass, eine hervorragender deutscher Schriftsteller, so viel über Polen schrieb. Er, als kaum jemand auf beiden Seiten der OdDer, wusste, dass Polen und Deutsche aufeinander angewiesen sind. Für immer. Er wusste, dass nur gegenseitiges Verständnis, Kennenlernen, Akzeptanz und Zusammenarbeit das feindselige Urteil aus der Vergangenheit ändern können. Grass hat für die Versöhnung unserer Völker, für unser gegenseitiges Verständnis mehr getan, als ganze Gruppierungen von Politikern auf beiden Seiten der Grenze."

Schauspieler und Weggefährte Mario Adorf - einst Hauptdarsteller in der Blechtrommel-Verfilmung - nannte Grass einen der bedeutendsten Schriftsteller, der einen Heinrich Böll überflügeln würde. Adorf las aus Grass´ Gedicht „Kleckerburg".
Grass Tochter Helene - ebenfalls Schauspielerin - zitierte auf eigenem Wunsch ein sehr emotionales Gedicht ihres Vaters aus dem Jahre 1979:
"Mir träumte, ich müsste Abschied nehmen."
Grass hatte wie auch seine Frau Ute Wert darauf gelegt, dass nur wirkliche Freunde und Weggefährten bei der Gedenkfeier in Lübeck anwesend sind. So verwunderte es den Beobachter doch, dass der Regisseur der "Blechtrommel" Volker Schlöndorff kurzfristig abgesagt hatte. Aus persönlichen Gründen, wie es hieß.
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