Abgesang auf den Western

Vorgestellt von Anke Leweke · 24.10.2007
Der Revolverheld Jesse James ist eine der Ikonen des Westerns. Brad Pitt spielt ihn nun als manisch-depressiven Killer. Andrew Dominiks Western ist ein Abgesang auf das uramerikanischste aller Genres. Der vielfach ausgezeichnete chilenische Film "En la Cama" (zu deutsch "Im Bett") beginnt unter einer Bettdecke und ist ein Kammerspiel, das um ein Paar auf einer Liegestatt kreist.
Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford
USA 2007, Regie: Andrew Dominik, Hauptdarsteller: Brad Pitt, Casey Affleck, 156 Minuten, ab 12 Jahren

Jeder Western erzählt auch etwas über die Zeit, in der er entstand. Die Geschichte des Revolverhelden und Räubers Jesse James wurde bereits mehrmals verfilmt. Stets wurde der legendäre Westerner als Outlaw gefeiert, als einer jener coolen, amerikanischen Anti-Helden, die nach ihren eigenen Gesetzen und Moralvorstellungen leben und handeln. Zu einer Art Robin Hood wurde Jesse James in diesen Verfilmungen stilisiert. Zu einem Gangster, der seine Beute nicht nur für sich behält, der seinen Pistolenlauf auch auf die Ungerechtigkeit sozialer Verhältnisse richtet.

Brad Pitt spielt Jesse James nun als manisch-depressiven Killer, der seine Gewaltausbrüche nicht mehr unter Kontrolle hat, der unter ihnen leidet und sich immer wieder zurückzieht. Es ist ein Jesse James, der müde, ausgebrannt und resigniert wirkt, in der eigenen Legende gefangen. Am Ende, wenn sich James von seinem Kumpanen und Bewunderer Robert Ford (Casey Affleck) wehrlos in den Rücken schießen lässt, wirkt er wie ein Sünder, der seine Strafe entgegennimmt. In diesen unheroischen Zeiten eignen sich offenbar nicht einmal mehr die großen amerikanischen Outlaws zum Helden.

Andrew Dominiks Western ist ein Abgesang auf das uramerikanischste aller Genres. Deshalb kennt der Film auch keine Perspektiven. Wenn Jesse James und seine Mannen aus der Prärie angeritten kommen, sieht man keinen Horizont. Selten abgeschnitten ist das Bild. Die mythologische Weite der amerikanischen Landschaft ist verschwunden. Es sind auch diese Einstellungen, die diesen Film so ungemein aktuell erscheinen lassen.

<im_41092>"En la cama" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_41092>En la cama
Chile 2005, Regie: Matias Bize, Hauptdarsteller: Bianca Lewin, Gonzalo Valenzuela, 92 Minuten, ab 12 Jahren

Dass dieser Film originell sein will, beweist schon seine erste Einstellung. Noch ist das Bild dunkel, wir hören eine Frau stöhnen. Plötzlich befinden wir uns mit einer ziemlich neugierigen Kamera unter einer Bettdecke. Wer da eigentlich miteinander im Bett liegt, weiß der Zuschauer genauso wenig wie die beiden selbst. Man hat sich gerade auf einer Party kennengelernt, nach dem Sex erkundigen sich Bruno und Daniela erst einmal nach ihren Namen.

Matias Bizes Film "En la Cama", zu deutsch "Im Bett", wird seinem Titel gerecht, er wird das Hotelzimmer nicht mehr verlassen. Wir bekommen es hier mit einem Kammerspiel zu tun. Mit einem Redefilm, in dem zwei Menschen in nur wenigen Stunden eine ganze Beziehung mit all ihren Aufs und Abs erleben. Man redet über das Wetter, Neurosen, vorherige Affären. Man wird eifersüchtig, beruhigt sich und schläft wieder miteinander.

"En la cama" hätte ein hübsches Filmexperiment werden können, doch statt sich auf die intime Situation einzulassen, ergeht er sich lieber in formalen Spielereien. Bize arbeitet mit einer sprunghaften Montage, ständig ist die Kamera in Bewegung, so dass man sich als Zuschauer kaum auf die Gesichter einlassen kann. Auch die Gespräche entwickeln keinen Drive, keinen Rhythmus, der den Zuschauer mitnimmt, teilhaben lässt. Eine Nacht verbringt man mit Daniela und Bruno in einem Zimmer, ohne ihnen näherzukommen. Und ohne dass man das Gefühl hat, die beiden seien sich nähergekommen.