70 Jahre Polaroid-Kamera

Die Inszenierung des Un-Perfekten

Alte Polaroids in einer Kiste.
Das analoge Polaroid erlebt seit einigen Jahren ein Revival. Die charakteristische Optik prägt auch die Bilder in den sozialen Medien. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Dennis Improda im Gespräch mit Anke Schaefer · 21.02.2017
Sanfte Farben und Kontraste, quadratisches Format, weißer Rahmen. Das analoge Polaroid ist auch 70 Jahre nach seiner ersten Vorstellung noch modern. In der digitalen "Bilderflut" verleihen Filter mit Polaroid-Optik eine Anmutung des Authentischen, meint der Sofortbild-Forscher Dennis Improda.
Am 21.02.1947 lässt sich der US-Erfinder Edwin Herbert Land fotografieren, vor den anwesenden Wissenschaftlern der "Optical Society of America". Nur 60 Sekunden später zeigt er dem Publikum sein fertig entwickeltes Porträtfoto – für damalige Verhältnisse revolutionär schnell. Es war die erste Vorführung der Sofortbild-Kamera von Polaroid.

Polaroid-Erfinder Land:"Verbindung von Wissenschaft und Kunst"

Während Land bei seiner Vorführung 1947 noch von Hand das Positiv vom Negativ buchstäblich "abziehen" musste, vereinfachte sich Anfang der 1970er Jahre mit der Polaroid SX-70 der Prozess wesentlich: Ein Klick, ein surrendes Geräusch, dann schiebt die Kamera ein Bild heraus, dem man beim Entwickeln zusehen kann.
Mit diesem Modell fotografierte auch der Künstler Andy Warhol, ebenso der Fotograf Ansel Adams. "Im besten Fall ist Industrie das Zusammenspiel von Wissenschaft und Kunst", beschrieb der Polaroid-Erfinder 1963 seine Vision. Dieses Zusammenspiel sowie geschicktes Marketing machten den Erfinder Land zu einem reichen Unternehmer und sorgten zeitgleich dafür, dass die Polaroid-Optik zum Kult wurde.
Die damals revolutionär schnellen 60 Sekunden zwischen Aufnahme und Bild, gelten heute schon als Entschleunigung in der Fotografie. Schließlich bieten Digitalkameras und Smartphones heute "echte" Sofortbilder, nur Sekundenbruchteile nach der Aufnahme. Doch obwohl das Polaroid technisch längst überholt ist, prägt es die Bildästhetik noch heute.

Digitales Erbe

Das zufällig-künstlerische Moment des Polaroids übernehmen heute nach festen Algorithmen programmierte Filter, die sich in allen sozialen Netzwerken großer Beliebtheit erfreuen. Diese stillen ein altes Bedürfnis in der neuen digitalen "Bilderflut", schätzt Dennis Improda von der Leibniz-Universität Hannover. Er forscht zur Sofortbild-Fotografie am Institut für Gestaltungspraxis und Kunstwissenschaft:
"Ein digitales Foto altert nicht, es vergeht nicht und kann kopiert werden. Die Kopie ist genauso gut wie das Original, könnte man sagen. Die Filter geben dem digitalen Foto eine Anmutung des Historischen und des Vergänglichen."
Mittlerweile stellen Firmen wie das "Impossible Projekt" wieder Sofortbild-Kameras und -Filme her, auch traditionelle Kamerahersteller wie Leica und Fuji bieten wieder Modelle für analoge Sofortbilder an.
Der Einfluss des Polaroids geht 70 Jahre nach seiner Erstvorführung noch weiter: Ursprünglich durften Bilder auf Instagram nur ein quadratisches Format haben, damit steht das Netzwerk in der direkten Tradition des Sofortbilds. Aber auch abgesehen davon sehen heute viele Bilder in den sozialen Medien so unperfekt wie ein analoges Polaroid aus. Dabei sind sie mit hochauflösenden Smartphones geschossen, den neuen Sofortbild-Kameras.
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