Fußball, Porno, Feminismus – die Nachwirkungen von Punk
Von Klaus Walter · 29.01.2016
Als Sänger der Sex Pistols war Johnny Rotten eine Schlüsselfigur des Punk. Zu seinem 60. Geburtstag wollten wir wissen, was von der Revolte der späten 70er geblieben ist. Klaus Walter hat erstaunliche Punk-Bezüge gefunden: beim Fußball, in der Porno-Branche und im Feminismus.
Okay, musikalisch ist diese Hymne auf den FC. St. Pauli nicht gerade Punkrock in Reinkultur. Aber es gibt einen Punk-Bezug.
"1:0 St. Pauli von einer Band namens Heiligengeist Sextett, der Gruppe gehörte Thomas Schwebel von den Fehlfarben an."
Die Punk-Connection des FC. St. Pauli
Sagt René Martens, der Hamburger ist nicht nur Fan des FC St. Pauli, sondern hat auch mehrere Bücher über seinen Club geschrieben. Die Fehlfarben waren in den 80ern eine der wichtigsten deutschen Punkbands. Und die Punk-Connection des FC St. Pauli geht zurück in diese Zeit, zu Leuten, die ...
"... mit Punkrock irgendeine Verbindung hatten, also Leute, die Hausbesetzer waren und aus der Hafenstraße kamen, es waren Leute aus der Antifa-Szene, wo es eben auch Verbindungen gab zu Punkrock."
Verbindungen, die bis in die Gegenwart reichen.
René Martens: "Heute sieht man im Stadion noch immer Dirk Jora von Slime, auch der Sänger der Razors ist immer noch im Stadion zu sehen."
Logisch, dass die Punk-Pioniere von Slime 2010 beim 100. Geburtstag des FC St. Pauli am Millerntor ihren Auftritt haben, angesagt übrigens von Rocko Schamoni, noch so ein Veteran der Hamburger Punk-Szene.
René Martens: "Dieses Dreckige, Unangepasste, da passt Punk als Element natürlich gut rein."
Punk und Totenkopffahne, das ist die St. Pauli Folklore, meint René Martens und der aktuelle Vereins-Präsident ist so eine Art Punk-Unternehmer:
"Oke Göttlich, der heutige Präsident ist Inhaber und Geschäftsführer eines Digital-Vertriebs für Indie-Labels."
Joana Angel: Rebellische Posen im Porno-Business
Punk als Imagefaktor, rebellische Posen als Geschäftmodell. Was einem Männerfußballverein recht ist, das ist einer Porno-Unternehmerin billig:
"Hi there! This is William Bibbiani of the B-Movie Podcast and we´re here with writer, director, actor and punkrock porno princess Joana Angel."
Drehbuch-Autorin, Regisseurin, Darstellerin und Punkrock Porno Prinzessin – so wird Joana Angel in einer amerikanischen Talk-Show begrüßt. Außerdem ist Joana Angel noch Produzentin ihrer eigenen Filme und mit ihrer Firma Burning Angel eine Schlüsselfigur der Porno-Industrie, als eine von ganz wenigen Frauen. Mit ihrem Talent für hochflexibles Multitasking verbindet die 35-jährige Selfmade-Unternehmerin klassische Rezepte des American Way of Business mit einer goldenen Regel des Punk: DIY. – Do it yourself.
Joana Angel: "Ich habe nie Pornos geschaut, bevor ich meine Firma Burning Angel gegründet habe. Ich wollte was Eigenes machen. DIY, ein Job, der Spaß macht. Dann kamen Freunde und Freundinnen dazu. Einer hat die Website aufgebaut und so habe ich meine Vision umgesetzt. Frei nach meinem Motto: Verlaß dich auf deinen Mut."
Für Joana Angel ist Punk die Lizenz zur Selbstermächtigung. Im Internet findet man ihre Filme unter der Kategorie "Punk Style Porn". Zum Beispiel einen Dreier einer fiktiven Band namens Blackleg. Ein Mann mit Schlagzeugstöcken in der Hand, zwei Frauen mit Gitarren. Nach ein paar Sekunden werden die Gitarren weggelegt, der Drummer lässt die Stöcke fallen und dann widmen sich die Drei ihrem Kerngeschäft.
Und was ist nun Punk an diesem Porno? Nun ja, die Körper sind flächendeckend gepierct und tätowiert, so sehen sie irgendwie angezogen aus, auch wenn sie splitternackt sind. Ansonsten Lack und Leder, lila Haare, rosa Haare, grüne Haare. Bei allem Punk und aller Libertinage bleibt der Sex im Rahmen der Porno-Konventionen. Bei einem Dreier gilt: Frau mit Frau und Mann. Aber niemals: Mann mit Mann und Frau.
Subversiv und das System störend
Anders im Queer Porn: Da verschwimmen die Grenzen der Geschlechter, die Körper stehen buchstäblich quer zu Schlankheitsdiktaten und Schönheitsnormen. Unter Berufung auf: Punk. Auftritt Courtney Trouble, der Name ist Programm:
"I'm a fat sleazy sex addict and pornographer and I´m proud of it!"
Eine fette, schmierige Sexsüchtige und Pornografin, und stolz darauf: Courtney Trouble, ein Star der Queer Porn Szene. In Deutschland werden Phänomene wie Queer Punk nur von randständigen Medien wahrgenommen, etwa von "Missy". "Missy" ist ein feministisches Pop-Magazin, und Hengameh Yaghoobifarah ist Redakteurin bei "Missy". Von ihr kommt eine letzte Antwort auf die Frage: Was bedeutet Punk am Tag an dem Johnny Rotten 60 wird?
Hengameh Yaghoobifarah: "Punk ist, was das System stört und subversiv mit Unterdrückungen umgeht. Das kann Riot Grrrl sein, das kann das Zelebrieren von Femininität sein oder auch das Tragen eines Hijabs in einer anti-muslimischen Gesellschaf."
