50 Jahre "United Biscuits Network"

Frischer Pop aus der Keksdose

08:41 Minuten
Zu sehen ist das Krümelmonster, das eine Keksdose öffnet und dabei nach links schaut.
Viel Musik, viel Spaß und also viel Keks Das Unternehmen United Biscuits engagierte ehemalige Macher von Piratenradios, um die eigenen Angestellten bei Laune zu halten. © Imago Images / Courtesy Everett Collection
Robert Rotifer im Gespräch mit Timo Grampes · 19.11.2020
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Cookies für alle: Das "United Biscuits Network" versorgte nicht nur die Arbeiter britischer Keksfabriken mit Musik, sondern war zugleich eine Talentschmiede für das Popradio. Denn der Sender spielte Songs, die es sonst nirgends zu hören gab.
Ein obskurer wie kurioser Teil der britischen Radiogeschichte ist das "United Biscuits Network". Der Sender strahlte von 1970 bis 1979 exklusiv in den Fabriken des britischen Keksfabrikanten United Biscuits ein innovatives Programm aus, das einen großen Einfluss auf den Klang des kommerziellen Musikradios ausübte. Rund um die Uhr hörten Tausende in den Fabriken – von Osterley und Harlesden in West- und Nordwestlondon, über Manchester, Liverpool und Glasgow – das Programm von UBN, berichtet London-Korrespondent Robert Rotifer.
Das UBN ist ein Kind seiner Zeit. Zwar gab es bereits zuvor Muzak, wie die musikalische Beschallung der Arbeit im Britischen verächtlich genannt wurde. Doch das Keksradio ging neue Wege: Dafür wurden unter anderem einige Macher früherer Piratensender engagiert.

Erfahrung von Piratenradios

So habe der Chef von United Biscuits einen Mann von Radio London engagiert, um den neuen Sender aufzubauen, erläutert der britische Radioexperte Andy Lewis. "Das Format eines von einem DJ moderierten Musikradios war damals noch sehr neu und glamourös", so Lewis. "Wer bei einer Firma arbeitete, die ihr eigenes Radio mit DJs hatte, konnte sich also als ein bisschen was Besonderes fühlen."
Hinzu kam, so Lewis, dass der Kekskonzern der migrantischen Arbeiterschaft entgegenkam. "Es war einer der ersten Orte in Britannien, der regelmäßig Musik aus Indien spielte. Vor allem in Londoner Fabriken gab es viele aus Indien eingewanderte Arbeiter. Die wollten indische Popularmusik und Bollywood-Soundtracks hören."

Ausstrahlungskraft auch nach dem Ende

Das Ende des Programms erfolgte 1979: Das Klima habe sich damals gewandelt, unterstreicht Rotifer. 1978 kam Margaret Thatcher an die Macht. Arbeiter seien durch Roboter ersetzt worden; die brauchten keine Musik mehr zur Motivation.
Außerdem habe das Radio die Frische der Anfangsjahre verloren und klang "ein bisschen altmodisch". Die Aufsplitterung der Popwelt jenseits der Charts habe es für die Macher nicht einfacher gemacht, die verschiedenen neuen Musikgeschmäcker zu bedienen.
Rückblickend sei es interessant, so Rotifer, dass viele ehemalige DJs des UBN bei neuen kommerziellen Sendern oder der BBC unterkamen und dort teilweise sehr prominent wurden. "Insofern zog das Keksradio in seinem Nachlass tatsächlich sehr weite Kreise durch das britische Radiogeschehen", so Rotifer.
(rzr)
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