444 Tage Geiselhaft

Von Tobias Mayer · 04.11.2009
444 Tage mussten Mitarbeiter der US-Botschaft in Teheran vor 30 Jahren in Geiselhaft ausharren. Ayatollah Khomeini war es, der Studenten zur Besetzung des Konsulats angeheizt hatte. Die Eiszeit in den amerikanisch-iranischen Beziehungen dauert bis heute an.
"Die Kommunikation mit der US-Botschaft in Teheran ist zusammengebrochen. Dort halten seit dem Morgen Demonstranten etwa 40 bis 50 amerikanische Botschaftsangehörige als Geiseln fest. Zu der Besetzung war es gekommen, als Studenten auf dem Universitätsgelände in Teheran an den Tag erinnerten, als vor einem Jahr eine Demonstration gegen den Schah von damals noch schahtreuen Truppen gewaltsam und blutig unterdrückt worden war",

berichtete der damalige Hörfunk-Korrespondent der ARD, Werner Sonne, am 4. November 1979 aus Washington. Die islamische Revolution im Iran war noch jung. Erst neun Monate zuvor war Ayatollah Khomeini nach 24-jährigem Exil triumphal nach Teheran zurückgekehrt.

Die Macht Khomeinis war im November 1979 noch keineswegs gefestigt. Die Allianz der ideologisch weit auseinanderliegenden politischen Gruppierungen, die nur im Ziel, den Schah zu stürzen, einig gewesen war, brach auseinander. Khomeini suchte durch die Dämonisierung eines äußeren Feindes die iranischen Massen hinter sich zu einen. Nachdem die USA im Oktober 1979 den todkranken Schah einreisen ließen, zeichnete sich der endgültige Bruch mit Amerika ab. Am Morgen des Jahrestages der vorrevolutionären Anti-Schah-Proteste ließ Khomeini am 4. November eine Erklärung verbreiten:

"Es ist [...] Sache der lieben Schüler, Studenten und Theologiestudenten, mit all ihrer Kraft die Angriffe gegen die USA und Israel zu verstärken, sodass sie die USA zwingen können, den abgesetzten und kriminellen Schah auszuliefern."

Von diesen Worten beeinflusst, besetzten etwa 400 Studenten wenige Stunden später die US-Botschaft und nahmen die Angestellten als Geiseln. Tausende Demonstranten versammelten sich davor und skandierten "Tod Amerika". Wenig später verlas Radio Teheran die Anliegen der Besetzer:

"Wir fordern alle Völker der Welt und vor allem die freiheitsliebenden auf, dass sie die herrschende Clique Amerikas und vor allem Carter wegen der Verschwörung gegen die Revolution und das iranische Volk vor Gericht bringen. Unterzeichnet: die muslimischen Studenten der Linie des Imam."

Khomeini selbst war wohl nicht eingeweiht, doch sanktionierte er bald den Sturm der US-Botschaft als Schlag gegen das "Spionagezentrum der Feinde der heiligen islamischen Bewegung", so seine Worte. Nur zwei Tage nach der Botschaftsbesetzung trat der demokratisch gesinnte Ministerpräsident Mehdi Bazargan, der noch gute Verbindungen zu den Amerikanern gepflegt hatte, zurück - aus Protest gegen die Einflussnahme des Klerus. Khomeini begann nun, Schritt für Schritt seine politischen Gegner im Land auszuschalten. Amerika beschimpfte er fortan als den "Großen Satan". Unterdessen zog sich das Geiseldrama in die Länge. Der amerikanische Präsident Jimmy Carter setzte einige Monate lang auf Diplomatie, erreichte aber nichts. Im April 1980 schließlich erklärte er:

"Es muss klar sein, dass die Ablehnung, die Geiseln freizulassen, für den Iran schwerwiegende Folgen haben wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika brechen die diplomatischen Beziehungen zur Regierung des Iran ab. Alle iranischen Diplomaten und Konsularbeamte sind zur Persona non grata erklärt worden und müssen dieses Land bis morgen um Mitternacht verlassen."

Drei Wochen später befahl Präsident Carter eine militärische Befreiungsaktion, die jedoch in einem Desaster endete.

"Gestern Abend habe ich eine sorgfältig geplante Operation abbrechen lassen, welche die Befreiung der amerikanischen Geiseln vorbereiten sollte. Zwei Maschinen der amerikanischen Luftstreitkräfte kollidierten am Boden in der iranischen Wüste. Zu meinem tiefen Bedauern kamen acht Besatzungsmitglieder dabei um."

Im Juli 1980 starb der Schah. Erst danach begann sich eine Lösung des Geiseldramas abzuzeichnen. Im September diktierte Khomeini den USA seine Bedingungen: die Freigabe des Schah-Vermögens und weiterer iranischer Gelder auf ausländischen Konten sowie die Lieferung von bereits bezahlten Waffen. Letztlich musste Jimmy Carter alle diese Forderungen erfüllen - das Geiseldrama von Teheran kostete ihn die Wiederwahl. Erst am Tag der Vereidigung seines Nachfolgers Ronald Reagan kamen die Geiseln nach 444 Tagen am 20. Januar 1981 frei. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Iran haben sich bis heute nicht normalisiert.