40. Bardentreffen

Erfolgsstory in Nürnberg

"The Rockin_ Lafayettes" auf dem Nürnberger Bardentreffen
"The Rockin_ Lafayettes" auf dem 40. Nürnberger Bardentreffen © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Karmann
Von Thomas Senne  · 02.08.2015
Mittlerweile dominieren in Nürnberg beim jährlichen Bardentreffen die "Elektrobarden". Beim Schlendern durch Stadt kann man sie aber noch finden und hören - die Liedermacher alten Schlages mit ihren Protestsongs.
Temperamentvolle Multi-Kulti-Klänge der polnischen Band "Dikanda", irgendwo angesiedelt zwischen Orient und Okzident, zwischen türkisch-indischer Folklore und deftiger Polka. Eine von rund 80 Gruppen, die vier Tage lang Nürnberg in die Hauptstadt der Weltmusik verwandelten, in ein Mekka der Liedermacher und SingerSongwriter. Deutschlands größtes Open-Air-Gratismusikfestival: ein Phänomen und eine Erfolgsstory, die 1976 mit Protestsongs begann.
Auch wenn heute Elektrobarden dominieren, es gibt sie noch, die Barden alten Schlags. Mit der Klampfe in der Hand singen sie an der Straßenecke Volkslieder oder fabulieren Geschichten, stimmen engagierte Songs gegen raffgierige Banker an. In Nürnberg genießen diese Musiker eine Art Denkmalschutz. Und das ist gut so, sagt Rainer Pirzkall. Wie sein Vorgänger setzt auch der neue Leiter des Bardentreffens auf Qualität statt auf Masse. Passend zum 40. Jubiläum des Musikmarathons hatte sich der 35-Jährige im offiziellen Programm auf die eigene Festivalgeschichte konzentriert.
"Es ist schön zu sehen: Es gibt noch alte Urgesteine. Aber es kommt auch was nach. Und das ist spannend zu sehen."
Vor rund einem Vierteljahrhundert hatte auch das österreichische Duo "Attwenger" schon einmal beim Bardentreffen gespielt. Jetzt war Markus Binder mit seinem Kompagnon und dem "Schlagzeug-Quetschn-Gstanzel-Elektronik-Wahnsinn" wieder dabei: gegen den Strich gebürstete Folklore der Spitzenklasse.
"Für uns ist Attwenger nach wie vor eine frische, jugendliche Band, obwohl wir jetzt natürlich schon älter sind als damals vor 25 Jahren. Wir haben uns natürlich schon massiv weiter entwickelt, will I mal sagen. Wir haben mehr Elektronik reingebracht. Wir haben irgendwie versucht, im Lauf der Zeit einen eigenen Sound zu kreieren. Am Anfang war der stärker angelehnt an originale Volksmusik und im Lauf der Jahrzehnte hat sich so’ n eigener Attwenger-Sound entwickelt, der, glaube ich, sehr unverwechselbar ist und der uns auch die Möglichkeit gibt, es weiter zu treiben, also immer wieder neue Stile auszuprobieren."
Altstadt mutierte zur Megabühne
Nicht nur in den neun offiziellen Spielstätten war Musik in den unterschiedlichsten Facetten zu hören. Überall wurde auf den Straßen gejammt. Die gesamte Nürnberger Altstadt mutierte zu einer Megabühne für mehrere Tausend Besucher: Massenauflauf mit Volksfestcharakter.
Wo das Ohr hängen blieb, da hörte man eine Weile zu und ließ sich dann von der wabernden Menschenmasse weitertreiben. Vielleicht zur Insel Schütt, wo der Geruch von Bier, Bratwürstchen oder exotischem Krokodilsgulasch in der Luft lag und irgendwoher der Sound einer Band herüberwehte.
Ruhiger ging es da schon im Burgtheater zu. Dort gab es als Novum beim Bardentreffen einen Künstlertalk. Der Schweizer Musiker Stephan Eicher, der das Festival am vergangenen Donnerstagabend mit Automatenmusik eröffnet hatte, gab bereitwillig Auskunft über sich. Launig, lässig und überaus unterhaltsam erzählte er , wie das so war, als er zusammen mit der Gruppe "Grauzone" und dem Hit "Ich möchte ein Eisbär sein" Anfang der 80er-Jahre die Neue-Deutsche-Welle mitprägte.
"Ich war 19, mein Bruder 17 und plötzlich – auch wenn ganz viel Geld abgezwackt wurde – war das für uns ungeheure viel Geld und ich konnt’ mir z B. eine Gitarre kaufen oder einen Synthesizer kaufen. In einem Jahr musste ich nicht irgendwelche Schweizer Bahnhofstoiletten putzen, um mein Studium zu finanzieren."
Unbeschwerter portugiesischer Fado, griechischer Rembetiko, taiwanesischer Singsang oder argentinischer Tango wurden auf Open-Air-Bühnen wie der Katharinenruine oder dem Trödelmarkt zelebriert. Doch es gab auch Musiker, die politische Botschaften mit im Gepäck hatten.
Musiker wie die mexikanische Band "Los de Abajo" zogen gegen Korruption und Ungerechtigkeit zu Felde und trübten keineswegs die gute Stimmung, sondern verliehen dem Bardentreffen erst die richtige Würze – wie einst in den Anfangsjahren die Protestlieder.
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