30 Jahre MTV Europe

Wie MTV das "M" abhanden kam

Mit einem frechen Spot präsentierte sich der nagelneue Kabelsender MTV in seiner ersten US-Sendung am 1. August 1981: In den historischen Aufnahmen von der ersten Mondlandung, die Neil Armstrong beim Hissen der amerikanischen Flagge zeigen, wurde das Sternenbanner kurzerhand mit dem MTV-Logo ersetzt (undatiertes MTV-Handout). Seit 1987 gibt es MTV auch in Europa. In Deutschland ist MTV streng genommen erst seit Juni 1988 zu sehen. Damals schalteten sich knapp 52.000 Haushalte ein. Das erste Live-Programm wurde am 7. November 1989 gesendet, zwei Tage vor dem Fall der Berliner Mauer.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die Musikgeschichte? Am 1. August 1987 ging MTV Europe zum ersten Mal auf Sendung © MTV/dpa - Fotoreport
Martin Lilkendey im Gespräch mit Andreas Müller · 01.08.2017
Einst war MTV Kult, im Zeitalter von YouTube jedoch ist der Sender in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Ist also das Internet Schuld am Niedergang von MTV? Nein, meint der Musikwissenschaftler Martin Likendey: Das Problem fing mit musikfernen Inhalten an.
Madonna in einem weißen Brautkleid mit Puffärmeln, Michael Jackson umgeben von einer Horde Zombies – als MTV Europe vor 30 Jahren an den Start ging, um den europäischen Markt mit Musikvideos zu versorgen, schrieb der Sender Musikgeschichte.

MTV und VIVA – Konkurrenz belebt das Geschäft

Doch der Import aus den USA bekam in Europa schnell Konkurrenz – von VIVA. Die Konkurrenz habe den beiden Sendern gut getan, findet Martin Likendey, Musikwissenschaftler an der Universität Koblenz-Landau.
Likendey arbeitete damals für VIVA und hatte MTV deshalb stets im Blick. Als der Mutterkonzern von MTV, Viacom, VIVA aufkaufte, habe dies das Ende einer Ära eingeleitet.
"Die großen Zeiten sind – würde ich sagen – vielleicht ab 2000 vorbei. Vor allem ab dem Zeitpunkt, wo Viacom auch VIVA gekauft hat und dann auch entsprechend das Konkurrenzmodell nicht mehr bestand."
Mit dem Videoclip zu "Thriller" hat Michael Jackson einen Meilenstein in der Geschichte der Musikvideos geschaffen.
Mit dem Videoclip zu "Thriller" hat Michael Jackson einen Meilenstein in der Geschichte der Musikvideos geschaffen. © picture-alliance / dpa / Report

Dating-Shows statt Musikvideos

Doch nicht nur die fehlende Konkurrenz führte dazu, dass MTV in den 2000er Jahren an Bedeutung verlor. Auch die Entscheidung, auf andere Inhalte als Musikvideos zu setzen, veränderte das Profil des Senders. MTV kam die Musik abhanden.
"Es ging auf jeden Fall dann zu Ende, als die MTV-Macher sich entschlossen haben, auf musikfremde Format zu setzen. 'Beavis and Butthead' waren ja noch musikaffin. Aber wenn da Dating-Shows dazu kommen oder die 'Simpsons', dann ist das ganze Ding natürlich erledigt. Sie dachten, dass man auf jeden Fall mit der Zeit gehen muss. Und da sich ja eigentlich die komplette Fernsehlandschaft entsprechend verändert hat, haben die dann halt versucht, auf ihre Weise das nachzuvollziehen."
Film Still from Beavis and Butt-Head Do America
© imago / Paramount Pictures

YouTube kills the TV-Star?

MTV – das waren hochwertig produzierte Musikvideos, in denen sich die Stars glamourös inszenierten. YouTube hat ein Revival des Musikvideos eingeleitet. Hier kann sich jeder als Star inszenieren. Ob das immer glamourös ist, ist eine andere Frage.
Doch manch einer, der einst auf der heimischen Couch ein Gitarrenvideo drehte, hat es dank YouTube ins Rampenlicht geschafft.
"Natürlich ist diese YouTube-Idee, der YouTube-Kanal, wo jeder sich selber broadcasten kann, eine wunderbare Gelegenheit für Newcomer oder für Leute, die eben nicht an den normalen Musikmarkt angepasst sind, sich irgendwie durchzusetzen – auch mit Eigenproduktionen. Und das war dann der große Gewinn, der quasi durch diese YouTube-ähnlichen Kanäle – insbesonder YouTube – dann gemacht wurde. Justin Bieber ist ein Beispiel dafür."

MTV prägt bis heute

Auch wenn Musikvideos heute hauptsächlich im Internet angeschaut werden, die Ästhetik der MTV-Ära prägt bis heute die Produktion von Musikvideos.
"Die MTV-Ära als ästhetische Idee, die gibt es, glaube ich, weiterhin. Nicht nur in den Musikvideos, sondern auch in dem ganzen Drumherum. MTV hat sich mittlerweile ja auch an den YouTube-Kanal angepasst sozusagen. Die haben ja auch ihren eigenen Kanal dort und gehen also da auch mit.
Die Frage ist, inwiefern da jetzt noch das Fernsehen in Frage kommt, um solche Sachen in irgendeiner Art und Weise so gut ans Publikum zu bringen, wie das Fernsehen das früher konnte. Und wie gut es heute das Internet kann."
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