28 Jahre mit und ohne Mauer

Warum die innere Einheit noch dauert

Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Beauftrage für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler (Bündnis 90/Die Grünen).
Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Beauftrage für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler (Bündnis 90/Die Grünen). © Alexander Moritz/ Deutschlandradio
Marianne Birthler im Gespräch mit Anke Schaefer · 05.02.2018
Heute ist die Mauer genau so lange gefallen, wie sie einst stand. Trotzdem bleiben die Differenzen zwischen Ost und West enorm. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler und der Leiter der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, über das, was bereits erreicht wurde - und was noch zu tun ist.
28 Jahre, zwei Monate und 27 Tage - so lange stand die Mauer. Und heute auf den Tag ist es genau so lange her, dass sie gefallen ist. Fast eine Generation also liegt dazwischen - trotzdem bleiben spürbare Unterschiede zwischen den Menschen in Ost und West bestehen. Für die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, ist das allerdings nicht überraschend.

Schockartige Veränderungen, die bis heute nachwirken

Es sei ein Unterschied, ob man 40 Jahre lang in einer abgeriegelten Diktatur gelebt habe oder aber in einer offenen Gesellschaft, sagt Birthler im Deutschlandfunk Kultur. "Es wäre ein Wunder, wenn das nicht heute noch zu spüren wäre". Hinzu komme, was nach 1990 passiert sei: "Die Menschen im Osten mussten ja schockartige Veränderungen ertragen." Manche hätten sich davon bis heute nicht erholt.

Manche haben Angst vor der Freiheit

Dass sich viele Leute in die Zeiten vor der Wende zurücksehnen, glaubt Marianne Birthler zwar nicht. "Ich kenne eigentlich niemanden, der die Mauer zurück will." Dennoch sei ein Bedürfnis nach klaren Linien und Ordnung geblieben - "vielleicht auch eine gewisse Angst vor der Freiheit, der Selbstverantwortung. Beides wurde ja geradezu systematisch abtrainiert." Was man ein halbes Leben lang habe einüben müssen, löse sich nicht einfach so auf.

Friedliche Überwindung der Mauer als bleibender Wert

Trotz aller Schwierigkeiten sei es wichtig, sich jeden Tag bewusst zu machen, was Freiheit bedeutet, sagt der Leiter der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier. Die Mauer habe ohne Blutvergießen überwunden werden können, deshalb werde Berlin bis heute als Ort der Freiheit wahrgenommen. Die Gedenkstätte Berliner Mauer sei insofern "auch ein Ort der Hoffnung dafür, dass Mauern friedlich überwunden werden können - und deshalb kommen auch so viele internationale Touristinnen und Touristen hierhin."

"Erinnerungslandschaft, um die uns viele beneiden"

Dass das Bewusstsein für die Überwindung der Teilung heute so lebendig ist, ist laut Marianne Birthler nicht nur Bürgeriniativen und Einzelnen zu verdanken, sondern auch politischen Entscheidungen. Die Politik habe das Geld zur Verfügung gestellt, um die Erinnerung nachhaltig zu gestalten. "Beides zusammen hat zu einer Erinnerungslandschaft geführt, die – wie ich finde – sich sehen lassen kann und um die uns auch viele beneiden."

Die komplette Sendung mit Marianne Birthler hören Sie hier:
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