20 Jahre Kriegsende

Kroaten und Serben bleiben unversöhnlich

Der kroatische Präsident Franjo Tudjman (m) posiert in Knin mit seinem Verteidigungsminister Gojko Šušak und siegreichen kroatischen Soldaten. Der kroatische Präsident Tudjman hat am 06.08. 1995 die gefallene Serbenhochburg Knin besucht.
Der kroatische Präsident Franjo Tudjman (m) posiert im August 1995 in der gefallenen serbischen Hochburg Knin mit Verteidigungsminister Gojko Susak und siegreichen kroatischen Soldaten. © dpa / picture alliance
Von Ralf Borchard · 04.08.2015
Am 4. August 1995 begann die Operation "Sturm" – kroatisch "Oluja". Sie markiert das Ende des Kroatien-Kriegs und gilt als Symbol des Sieges der Kroaten über die Serben. Die jedoch zeigen sich angesichts hunderter Toter und zehntausender Vertriebener bis heute unversöhnlich.
Djuro Knezicic war als kroatischer Soldat dabei von 20 Jahren, als die Krajina zurückerobert wurde:
"Die Operation Oluja war nicht gegen 'die Serben' gerichtet, sondern gegen die feindliche Armee. Natürlich können die Serben heute ihrer Toten gedenken, haben das Recht, auch sich selbst als Opfer zu betrachten. Aber hier von Verbrechen zu sprechen, ist einfach dumm und lächerlich, denn die Offensive war kein verbrecherisches Unternehmen, sondern ein sauberer Sieg, auf den wir stolz sein dürfen."
Milorad Pupovac sieht die Sache anders. Er ist der oberste Repräsentant der serbischen Minderheit in Kroatien:
"Für uns Serben stehen die territoriale Integrität, die Grenzen Kroatiens heute in keiner Weise in Frage. Was wir für fraglich halten, ist die damalige Vertreibung der serbischen Bevölkerung, das Töten, das Brandstiften, die Plünderung des Eigentums - und dass man bis heute viele von uns hindert, zurückzukehren."
Das Gedenken bleibt schwierig
Mehr als 600 Serben wurden nach Angaben des kroatischen Helsinki-Komitees bei der mehrtägigen Militäroffensive 1995 ermordet, mehr als 200.000 Serben mussten fliehen. Auch 20 Jahre danach ist das Gedenken schwierig, in Kroatien selbst, und im benachbarten Serbien. Der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic, damals Ultra-Nationalist, heute Pro-Europäer, der sein Land in die EU führen will, schlug im Vorfeld heftige Töne an:
"Es geht um die massivste ethnische Säuberung nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Wir sagen nichts gegen die anderen, wir sagen nichts gegen das kroatische Volk und den kroatischen Staat. Doch wir nehmen uns das Recht, um die verstorbenen und umgekommenen Serben zu trauern."
Wenn Vucic von der massivsten ethnischen Säuberung nach dem Zweiten Weltkrieg spricht, negiert er das von bosnisch-serbischen Streitkräften verübte Massaker von Srebrenica, bei dem mehr als achttausend bosnische Muslime ermordet wurden.
NGOs bemühen sich um einen veränderten Modus
Doch es gibt auch versöhnliche Töne auf kroatischer und serbischer Seite. In der kroatischen Hauptstadt Zagreb etwa veranstalteten vor der geplanten Militärparade regierungsunabhängige Organisationen eine eigene Kundgebung. Nela Pamukovic hat sie mit initiiert:
"Wir wollen nicht nur die Öffentlichkeit an die Verbrechen erinnern, sondern auch an das staatliche Schweigen. Der kroatische Staat hat nichts aufgearbeitet, die Verbrecher nicht bestraft, letztlich keine Verantwortung übernommen."
Unter den Passanten auf dem zentralen Ban Jelacic-Platz in Zagreb gibt es kaum Verständnis:
"Ich bin empört", sagt diese Frau. "Wogegen protestieren die hier? Wohl dagegen, dass die Serben uns das halbe Land zerstört haben."
"Sind die Panzer damals aus Zagreb Richtung Belgrad losgerollt?" Fragt er empört. "Nein, es war umgekehrt, aus Belgrad sind sie losgefahren. Wie lange müssen wir das noch ertragen?"
So schwierig Versöhnung bleibt, Vesna Terselic, Leiterin des Zentrums für Vergangenheitsbewältigung Documenta in Zagreb glaubt daran:
"Ich glaube schon, dass man einen Modus finden kann, um beides unter einen Hut zu bringen, den Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit, wie es hier heißt, zu feiern und gleichzeitig anständig der Opfer zu gedenken."
Und der kroatisch-serbische Parlamentsabgeordnete Milorad Pupovac warnt:
"Notwendig ist, die Politik der Erinnerung zu ändern. Wenn das nicht geschieht, wird die Erinnerung eher einem neuen Krieg dienen und nicht dem Frieden."
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