150. Geburtstag Romain Rollands

Schriftsteller mit Feingefühl für Freiheit

Der französische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger (1915) in einer zeitgenössischen Darstellung.
Der französische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger (1915) in einer zeitgenössischen Darstellung. © picture-alliance / dpa
Von Maike Albath · 29.01.2016
Er war einer der berühmtesten europäischen Schriftsteller seiner Zeit und wird heute kaum noch gelesen: der Franzose Romain Rolland. Dabei sind vor allem seine politischen Schriften, während des Ersten Weltkrieges entstanden, von überraschender Aktualität. Sie appellieren an Vernunft und Verständigung.
Romain Rolland, am 29. Januar 1866 in Clamecy im Burgund geboren, war ein kränkliches Kind, weshalb ihn seine tief religiöse Mutter besonders umsorgte. Der empfindsame Junge flüchtete sich in Lektüren, bis er eines Tages auf einen Stapel verstaubter Partituren stieß.
"Ich öffnete die alten Hefte, buchstabierte mich tastend auf dem Klavier und diese kleinen Wasseradern, diese Bächlein von Musik, die mein Herz netzten, sogen sich ein. Liebseligkeit, Schmerzen, Wünsche, Träume von Mozart und Beethoven, ich habe euch mir einverleibt. In jedem Augenblick, wenn ich den Geist und das Herz verderbt fühle, habe ich mein Klavier und bade in Musik."
Die Stadt Rom war für den feinsinnigen Rolland ein Erweckungserlebnis
Flausen, befand sein Vater, in Clamecy ein geschätzter Notar, und siedelte 1880 mit der gesamten Familie nach Paris über. Schließlich sollte sein Sohn eine "vernünftige" Schulbildung erhalten. Nach dem Gymnasium absolvierte Romain mit Bravour die "École Normale Supérieure" und erhielt zu seinem Verdruss ein Stipendium für Italien. Doch Rom wurde zu einem Erweckungserlebnis: die Sinnlichkeit der Stadt, das Licht und schließlich die Freundschaft zu der Wagnerianerin Malwida von Meysenbug vermittelten ihm einen neuen Zugang zum Leben. Er verliebte sich in eine wohlhabende Pariser Jüdin. Voraussetzung für die Heirat war ein Beruf, und Romain Rolland wurde Universitätsdozent. Die Mühsal sittlicher Reife schilderte er später in seinem Romanzyklus "Jean-Christophe".
"Wozu kämpfen? Es gab ja weder Schönes noch Gutes, weder Gott noch Leben noch irgendein Sein. Wenn er auf der Straße ging, verlor er plötzlich den Boden; keine Erde war mehr da, keine Luft, kein Licht, nicht einmal er selbst; nichts war da."
Künstlerbiografien waren das Spezialgebiet des Intellektuellen
Das zehnbändige Werk über den genialischen deutschen Komponisten Jean Christophe, dessen germanische Energie mit französischem Esprit verschmilzt, erschien zwischen 1904 und 1912. Der Roman machte den Schriftsteller weltweit berühmt – nur in Frankreich hielt man sich wegen der positiven Darstellung eines Deutschen eher bedeckt. Zuvor hatte sich Rolland mit Künstlerbiographien einen Namen gemacht; seine Ehe war längst in die Brüche gegangen. An einem düsteren Herbsttag 1910 wurde er bei einem Autounfall schwer verletzt. Seine monatelange Rekonvaleszenz bewog ihn, sich ausschließlich dem Schreiben zu widmen. Vier Jahre später musste Rolland von der Schweiz aus fassungslos mit ansehen, wie Deutsche und Franzosen gegeneinander mobil machten. Am 29. August 1914 veröffentlichte er im "Journal de Genève" einen offenen Brief an seinen Kollegen Gerhart Hauptmann:
"Nicht zufrieden damit, Euch am lebenden Belgien zu vergreifen, führt Ihr Krieg gegen die Toten, gegen den Ruhm der Jahrhunderte. Ihr bombardiert Mecheln, Ihr verbrennt Gemälde von Rubens, Löwen ist nur noch ein Haufen Asche... Seid Ihr die Enkel Goethes oder die Attilas?"
Schriften über die Vernichtung von Freiheit und Menschlichkeit
Gerhart Hauptmann wies ihn schroff zurück – Krieg sei eben Krieg. Rollands Vision eines geeinten Europas zerstob. Unverdrossen engagierte er sich weiter gegen die Verrohung auf beiden Seiten. Seine Essays "Über dem Getümmel" gefielen weder den Deutschen noch den Franzosen, aber 1916 wurde ihm nachträglich der Nobelpreis für das Vorjahr zuerkannt. Rolland spendete das Preisgeld an das Rote Kreuz. Er entwickelte Sympathien für die Oktoberrevolution und wurde Kommunist, entdeckte gleichzeitig seine Spiritualität, empfing Mahatma Gandhi und verfasste ein Buch über den indischen Freiheitskämpfer. Hellsichtig hielt er 1933 in seinem Tagebuch fest:
"Das, was heute in Deutschland geschieht, die Vernichtung der Freiheit, die Verfolgung der regierungsfeindlichen Parteien, die grausame und schmachvolle Ächtung der Juden, entfacht die Empörung der Welt und meine eigene. Ich bin der Überzeugung, dass eine solche Politik Deutschland in den Augen von Millionen Menschen aller Länder zugrunde richtet. Sie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
1934 heiratete er seine russische Übersetzerin, bereiste mehrfach die Sowjetunion und ließ sich schließlich in Vézelay im Burgund nieder. Seine berühmte Maxime, die besagt, man müsse einen Pessimismus des Verstandes und einen Optimismus des Willens an den Tag legen, bewahrheitete sich. Kurz vor seinem Tod am 30. Dezember 1944 erlebte Rolland noch die Befreiung Frankreichs.
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