100 Tage Donald Trump

"Dieser Mann hat einen sehr eigenartigen Stil"

Jackson Janes im Gespräch mit Ute Welty · 29.04.2017
Ein politischer Neuling lernt Präsident – so sieht Jackson Janes die ersten 100 Tage der Amtszeit von Donald Trump. Die Frage sei jetzt, wie Trump mit seinem Regierungsstil im komplizierten Entscheidungssystem der US-Hauptstadt klar kommen werde.
Genau 100 Tage ist Donald Trump heute in seinem Amt als 45. US-Präsident – und er wird mit viel negativen Bilanzen seiner politischen Arbeit überschüttet.
100 Tage - das sei für Trump, einen Präsidenten ohne politische Erfahrung, eigentlich die ganz falsche Messlatte, so das Urteil von Jackson Janes, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies an der John Hopkins University, im Deutschlandfunk Kultur:
"In dem Sinne lernt er ganz mühsam, was es ist, nicht als CEO in New York zu wohnen und Dinge zu beordern, sondern in Washington zu arbeiten, wo ihm ein komplexes Entscheidungssystem vorgeführt wird."
Probleme der Außenpolitik habe Trump in den ersten 100 Tagen an andere Mitarbeiter delegiert, sagt Janes. Trumps "Herzstück" sei vielmehr die Innenpolitik, die ihn ja auch ins Amt getragen habe. Es gehe ihm darum, Wahlversprechen einzuhalten, was im Fall Obama-Care und der Mauer zu Mexiko bisher noch misslungen sei:
"Das irritiert ihn. Und momentan warten wir auf die nächsten 100, 500 Tage, um zu sehen, ob er wirklich lernen kann, wie man mit dieser Stadt umgehen kann. Das hat er noch nicht gelernt."
US-Präsident Donald Trump spricht im Kapitol in Washington.
US-Präsident Donald Trump spricht im Kapitol in Washington.© AFP / Mandel NGAN

"Stil ist auch manchmal Substanz"

Welche Veränderungen durchläuft das Präsidentenamt unter Trump? Oder verändert dieses Amt eher seinen Präsidenten? Letzteres sei für gewöhnlich der Fall, sagt Janes. Trump habe mit vielen verschiedenen Gegengewichten zu kämpfen:
"Aber Stil ist auch manchmal Substanz. Und weiß Gott, dieser Mann hat einen sehr eigenartigen Stil. Und die Frage ist: Wie kommt er mit diesem Stil klar in einer Stadt wie Washington D.C., voller unheimlich komplizierter Entscheidungsprozesse? Also ich glaube, das Amt wird ihn zwangsläufig ändern."

Trumps Verhältnis zu Europa

Auf Trumps Europa-Reisen in den nächsten Wochen werde sich zeigen, wie er sein Verhältnis zu den Alliierten jenseits plakativer Wahlaussagen gestalten wolle und wie man dann in Europa darauf reagieren werde, meint Janes:
"Man kann natürlich innenpolitisch immer behaupten: ' America first!' Aber Amerika ist nicht 'first' auf der Welt. Da gibt es andere Länder und andere Gegengewichte, die auch eine Rolle spielen. Insofern, Europa, drei Mal innerhalb von vier, fünf, sechs Wochen – das wird wohl ein Test sein, um zu sehen, wie er darauf reagiert und sagt, wie wir uns gegenseitig brauchen. Denn das hat er bisher nicht getan." (ue)


Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Genau 100 Tage ist es jetzt her, dass er ins Amt eingeführt wurde. Seit dem 20. Januar ist Donald Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Viel hat er angekündigt im Wahlkampf: Muslime nicht mehr einreisen lassen, eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen und Obama Care abschaffen.
Obama Care gibt es noch, die Mauer gibt es noch nicht, und das Einreiseverbot wurde von den Gerichten auf Eis gelegt. Das ist die eine Bilanz, die man ziehen kann, aber wie fällt die von Jackson Janes aus, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies an der renommierten Johns Hopkins University in Washington. Guten Morgen beziehungsweise guten Abend!
Jackson Janes: Guten Abend, guten Morgen!
Welty: Das, was ich eben beschrieben habe, das sind die Schlagzeilen, die sich leichter aus Misserfolgen generieren lassen. Wie sieht Ihr Blick auf diesen Präsidenten abseits der Schlagzeilen aus?
Janes: Im Prinzip ist es so, wie Sie das beschrieben haben.. Aber ich glaube, was diese 100 Tage angeht, ist es wahrscheinlich eine falsche Messlatte, weil wir wissen das ganz genau, dass dieser Kandidat ein Unikum ist, jemand, der keine politische Erfahrung hatte, bevor er eingestiegen ist und unerwarteterweise eingestiegen ist.
Und in dem Sinne lernt er ganz mühsam eigentlich, was es ist, nicht als CEO in New York zu wohnen und Dinge zu beordern, sondern in Washington zu arbeiten, wo ihm ein komplexes Entscheidungssystem vorgeführt wird. Und er weiß nicht genau, wie er damit umgeht.

Innenpolitik ist Trumps "Herzstück"

Welty: Wo hat er denn die größeren Defizite, als der Innenpolitiker oder als der Außenpolitiker?
Janes: Die Außenpolitik hat er in diesen ersten 100 Tagen, wie soll ich sagen, überwiesen auf gewisse Leute, die schon mehr Ahnung haben als er, also beispielsweise sein Verteidigungsminister oder der Außenminister, Leute, die eigentlich dann eher Erfahrung hatten auf der Arena der globalen Welt.
Aber ich glaube, das, was das Innenpolitische angeht, das ist sein Herzstück, weil deswegen ist er ins Amt getragen worden. Und alles, was er macht momentan, ist, mehr oder weniger noch darauf zu pochen, dass er a) gewonnen hat, muss er immer wieder betonen. Und zweitens, dass er diese Versprechungen von sich gab, und die muss er irgendwo einhalten.
Und Sie haben ja eben vorhin gesagt, die Mauer wird nicht gebaut, Obama Care ist noch da – das irritiert ihn. Und ich glaube, momentan, da warten wir auf die nächsten 100 Tage, die nächsten 500 Tage, um zu sehen, ob er wirklich lernen kann, wie man in diesem Staat umgehen kann. Das hat er noch nicht gelernt.

Definition der transatlantischen Beziehungen

Welty: Wenn wir noch mal genauer auf Trumps Außenpolitik schauen, was bedeutet sie für die transatlantischen Beziehungen, vor allem für das Verhältnis zu Deutschland?
Janes: Interessanterweise ist er eigentlich in Deutschland im Juli, in Hamburg, und zwei Mal davor trifft er sich wahrscheinlich mit Kanzlerin Merkel. Ich glaube, diese Reisen, die anstehen – einmal, glaube ich, in Brüssel, und dann in Italien und dann schließlich in Deutschland innerhalb der nächsten Wochen –, da wird sich zeigen, inwieweit er jetzt bereit ist, zu sagen, ach ja,: Ach ja, wir haben eine gewisse Gruppe von Alliierten, die wir pflegen müssen anstatt sie zu beleidigen. Ich glaube, das ist dann die Frage, wie man in Europa darauf reagiert.
Aber im Prinzip, was er am Anfang von sich gab in der Kampagne, wandelt sich in diesen letzten 100 Tagen. Aber es gibt so viel jetzt noch mal zu meistern in diesen nächsten 1000 Tagen, also in den ersten vier Jahren von diesem Amt – vielleicht bleibt's bei nur vier Jahren.
Man kann natürlich innenpolitisch immer behaupten, America First. Aber Amerika ist nicht first auf der Welt, da gibt es andere Länder und andere Gegengewichte, die auch eine Rolle spielen. Und insofern, Europa drei Mal innerhalb vier Wochen, fünf Wochen, sechs Wochen, das wird wohl ein Test sein, um zu sehen, wie er darauf reagiert und sagt, wie wir uns gegenseitig brauchen, denn das hat er bisher nicht getan.

"Das Amt ändert den Präsidenten"

Welty: Wie möchten Sie das Verhältnis von Trump zu seinem Amt beschreiben? Verändert Trump das Amt oder ist es eher umgekehrt, dass das Amt den Menschen Trump verändert?
Janes: Meistens ist es das Zweite, meistens sind die Präsidenten auch innerhalb einer kurzen Zeit der Meinung, dass - wie er sagte über die Gesundheitsreform : Es ist sehr viel schwieriger, als ich gedacht habe, wer hätte das gewusst. Das heißt, das Amt ändert schon den Präsidenten, umringt, so wie er ist, von so vielen verschiedenen Gegengewichten.
Aber Stil ist auch manchmal Substanz. Und weiß Gott, dieser Mann hat einen sehr eigenartigen Stil. Und die Frage ist, wie kommt er damit klar, mit diesem Stil, in einer Stadt, in einem Entscheidungsprozess in Washington D.C., der unheimlich kompliziert ist.
Also ich glaube, das Amt wird ihn zwangsläufig ändern, aber die Frage ist natürlich, inwieweit er seinen Stil noch – vorher schon klar in der Campagne –, wie weit das ihn noch trägt, und zwar bezogen auf seine Stammwähler? Wie viele Stammwähler stehen ihm noch zur Seite? Und die Versprechungen, die sie von ihm erwarten, wie viel kann er einhalten? Und das bestimmt eigentlich, ob er in 2020 wieder mal kandidieren kann oder soll. Und auch dann, ob die Machtverhältnisse in Washington, alle unter einer republikanischen Fahne, ob das so bleibt. Also es steht sehr viel auf dem Spiel.

Lage der Wissenschaft in der Ära Donald Trump

Welty: Was hat sich für Sie geändert, für Sie auch als Wissenschaftler, seitdem Trump Präsident ist? Wir haben hier vor genau einer Woche über den March for Science gesprochen, über den Protest von Wissenschaftlern gegen Trump.
Janes: Ja, es ist die Frage, die manche von uns gestellt haben in Washington, als er gewählt wurde: Hört er auf unsere Arbeit, die Arbeit von Think Tanks oder die Arbeit von Universitäten oder die Arbeit von Wissenschaft überhaupt – hört er auf uns? Ich glaube, es ist zwangsläufig notwendig, dass er genau das tut.
Aber wissen Sie, es gibt ja ein gewisse Formel bei uns zum Beispiel, in meinem Institut, das wir heutzutage benutzen. Wir sagen, die Tagesordnung hat sich kaum geändert, die Herausforderungen sind ebenfalls gleich wie vor dem 8. November, wie jetzt. Aber die Art und Weise, wie man die Probleme anpackt und formuliert oder klärt, das ist etwas die etwas größere Herausforderung in dieser Ära von Trump.
Und das geht nicht nur um ihn, sondern darum, die Leute in Amerika zu überzeugen, wie kompliziert und wie schwierig die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, sind und nicht mit einfachen Lösungen einfach vom Tisch zu wischen.
Und das ist unsere Aufgabe, aber gleichzeitig, wir wollen ja auch hoffen, dass die Machtstruktur in Washington nach wie vor diese Beiträge benutzen kann und nötig hat. Das ist eine Aufgabe, der wir selber uns stellen müssen.
Welty: Jackson Janes von der Johns Hopkins University in Washington. Haben Sie herzlichen Dank für diese Einblicke nach 100 Tagen Donald Trump!
Janes: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.