10 Jahre Piratenpartei

Klarmachen zum Untergang

Die Fahne der Piratenpartei
Die Fahne der Piraten: Nach dem Hoch von 2011/12 ist die Partei auf Nischen-Maß zurückgefallen. © dpa / picture alliance / Paul Zinken
Carsten Koschmieder im Gespräch mit Ute Welty · 11.09.2016
Den Piraten droht die Bedeutungslosigkeit: Ihre Fraktionen lösen sich auf, bei der Wahl in Berlin in einer Woche ist das Scheitern programmiert. Die Geschichte der Piratenpartei sei "zu Ende erzählt", meint der Politologe Carsten Koschmieder.
Die Piratenpartei feierte am Samstag ihr zehnjähriges Bestehen mit einem rauschenden Fest, doch am 18. September fliegt sie vermutlich aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Dort begann 2011 ihre kurze Erfolgsgeschichte mit dem Einzug in weitere drei Landesparlamente (Schleswig-Holstein, Saarland, Nordrhein-Westfalen) 2012. "Klarmachen zum Ändern" war ihr Schlachtruf. Nun sieht alles nach einem lautlosen Verschwinden aus − die Berliner Piraten-Abgeordneten sind bereits zur Hälfte aus der Partei ausgetreten, darunter ihr bekanntester Kopf Martin Delius, der zur Linkspartei ging.
Wie konnten die Piraten 2011/12 so viel Erfolg haben und warum verlassen sie jetzt die politische Bühne? Sie seien eigentlich nur eine Nischenpartei, sagte der Politikwissenschaftler Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin. Durch ein kurzfristiges Hoch hätten sie eine scheinbar größere Bedeutung bekommen:
"Ich fand das Neue, was andere Parteien nicht hatten, so spannend, dass alle mitmachen konnten, dass alles irgendwie offen und transparent war." Es sei viel spannender, auf einem Parteitag der Piraten zu Gast zu sein und nicht vorher zu wissen, was passieren wird, als bei einem Parteitag der CDU oder SPD. Doch bald sei der Medienhype vorbei und "die Geschichte zu Ende erzählt" gewesen – "irgendwann war es eben nicht mehr neu und aufregend, sondern alle wussten, dass es chaotisch war."

Netzpolitik ist kein Thema für die Mehrheit

Zum Teil hätten die Piraten sich selbst zerlegt, sagte Koschmieder. Es habe Streit und schlechte Organisation gegeben: Ein Flügel sei im Bundesvorstand überhaupt nicht vertreten gewesen und ausgetreten, der Versuch einer hierarchielosen Organisation sei fehlgeschlagen. Doch entscheidend sei, dass die Piratenpartei eigentlich nur ein Nischenthema vertrete. Denn Netzpolitik, Bürgerrechte im Internet oder eine Reform des Urheberrechts würden in Umfragen nicht als wichtige Themen der Deutschen genannt:
"Die Piratenpartei vertritt kein den Menschen wichtiges Thema, und darum ist auch normal, dass sie als eine kleine Nischenpartei auch nur irgendwo zwischen 0,5 und ein, zwei Prozent landen." Sie sei jetzt nach dem Hoch von 2011/12 mit bundesweit zweistelligen Umfragewerten wieder auf ihr Normalmaß zurückgefallen, "eben auf das Maß, was eine kleine Partei hat, die mit wenigen Leuten ein Thema vertritt, das die Mehrheit nicht so interessiert."
Die Themen, die sich aus der digitalen Revolution ergeben, würden nun auch von anderen Parteien bearbeitet, und sogar der NSA-Skandal vor der letzten Bundestagswahl habe die Bevölkerung nicht interessiert: "Solange sich das nicht sehr deutlich ändert, wird die Piratenpartei auch kein Comeback haben", prophezeite Koschmieder.
(Online-Text: cre)
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